Samstag, 21. Mai 2016

Überlegungen zu aktuellen Themen

Wo aber hakt man ein, wenn man über eine geraume Zeit mehr an sich selber denken musste, als über das, was lokal und in der Welt geschieht?

Da hatte ich mir doch vorgenommen, mich wieder vermehrt mit aktuellen Themen und Problemen zu befassen. Aber mit welchen Themen oder Problemen beginnen angesichts der Fülle an solchen Themen und Problemen? AfD und ihr Grundsatzprogramm? Präsidenten-Stichwahl in Österreich? Erdogan und der politische Trend in der Türkei? Die Flüchtlingsproblematik? Es gibt viele Themen , die es wert sind, erwähnt und behandelt zu werden. Welches Thema ich aber aufgreife: es ist alles in Fluß und die Presse berichtet überaus ausführlich.

Apropos Presse: Vor einiger Zeit erschien eine Broschüre mit den provokanten Titel: „Wozu noch Journalismus?“ (ich habe schon wiederholt daraus zitiert). Präsent ist mir daraus vor allem die Aussage der Chefredakteurin des WDR, Sonia Mikich (Auszug): „Wir alle sind 'die Medien'. Betrüblich, aber wahr: Die Mitmenschen unterstellen, wir seien allesamt nur noch getrieben von guten Quoten, Auflagen, Klickzahlen. Dass wir Fehler schönreden, gern hart austeilen, aber ein gläsernes Kinn haben, wenn es um Kritik an uns selber geht. Dass wir Weltmeister im Ätzen und Besserwissen sind. Ob Print, Radio, Fernsehen oder Online: Viele Nutzer bekriteln – nicht grundlos – den Mangel an Tiefgang, an Persönlichkeiten, an Meinungfreude. Sie erleben intellektuelles Versagen beim Deuten großer Zusammenhänge und geringe Lust am Einmischen. Und merken an, dass Feuerwehrleute, Lehrer, Briefträger oder Ärzte höhere Vertrauenswerte vorweisen können als 'die' Journalisten. Nebenbei: Jeder telegene Kleiderständer, jedes Model darf sich inzwischen Moderatorin nennen, jeder Handyschwenker Reporter. Das kann nicht gut sein für das Ansehen der Branche.“ (Ende des Auszugs).
Wenn ich das zur Grundlage meiner Überlegungen mache, stellt sich mir sofort die Frage nach der Glaubwürdigkeit der Medien.

Im „Stern“ las man unlängst(Auszug): „Angesichts dessen, dass der Vorwurf der „Lügenpresse“ immer öfter erhoben wird, ist das Ergebnis der neuen Trusted Brands Studie wenig überraschend: Journalisten büßen an Glaubwürdigkeit ein – nur 26 Prozent der Deutschen schenken dem Berufsstand Vertrauen. Am anerkanntesten bleiben Feuerwehrleute“ (Ende des Auszugs). Da hilft es auch nichts, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel laut „WELT“ (07.05.16) feststellte: „...in der deutschen Medienlandschaft werde viel und gut recherchiert.“ (Ende des Auszugs). Ich muss nicht lange suchen, um zu der Einsicht zu kommen, dass eine solche pauschale Aussage nicht stimmt: im Kunsthaus Meyenburg etwa wurde im März die Ausstellung „Impressionisten – Expressionisten“ eröffnet. Eine hoch angesiedelte Ausstellung, die noch bis 5. Juni besucht werden kann. Die Ankündigung in der Presse dazu (und sogar später noch im „Nordhäuser Ratskurier) wurde illustriert mit einem Bild, das mit den Titel „Waldlichtung“ von Maurice Eliot versehen wurde. Tatsächlich zeigt das Bild weder eine Waldlichtung, noch ist es von Maurice Eliot (richtig: „Sommertag“ von Hermann Bahner). Es wäre leicht gewesen, den ursprünglich unterlaufenen, aber offensichtlichen Irrtum durch einfache Recherche festzustellen und zu berichtigen. Und überregional mag die unlängst verbreitete Meldung „dass Sigmar Gabriel am Folgetag zurücktreten wird“, unter Verzicht auf jegliche Recherche, lediglich auf einer persönlich geäußerten Meinung Helmut Markworts („Focus“-Herausgeber) beruhte. Da mag die Frage nach der Glaubwürdigkeit derartiger Meldungen und Berichte schon berechtigt sein. Sie sollen hier und jetzt nicht weiter erörtert werden.

Immerhin nämlich gibt es ja seit Februar in der „kress“-Reihe laufende Berichte zum Thema „Journalismus der Zukunft“ des vormaligen Chefredakteurs der „Thüringer Allgemeine“ Paul-Josef Raue, (Mit-)Autor des Standardwerkes „Das neue Handbuch des Journalismus“ und nunmehriger Berater von Verlagen und Redaktionen, speziell Lokalredaktionen. Sie könnten in etwa Antwort geben auf die eingangs erwähnte Frage „Wozu noch Journalismus?“ Titel seiner Berichte wie „Welche Journalisten brauchen die Leser?“, „Schreibe die Wahrheit!“, „Die Macht der Gerüchte und die Macht der Journalisten“ oder „Der Lokaljournalismus muss seine Richtung ändern“ sind Beispiele der Themen, die da behandelt werden. Und die Lektüre allein schon ließe die Hoffnung aufkommen, dass deren Befolgung den Weg des Journalismus aus seiner Glaubwürdigkeitskrise ebnen könnte. Nur bleibt halt festzustellen, dass sich JournalistInnen trotz aller Kritiken in ihrem Selbstwertgefühl gefallen und – siehe Mikich – Fehler schönreden, statt Einsicht zu zeigen.
Ein Beispiel dafür ist für mich die inzwischen zur „Frontfrau“ aufgebaute Dunja Hajali, der im Februar die „Goldene Kamera“ verliehen wurde. Und die in ihrer damaligen Festansprache u.a. erklärte: „Wir sind Journalisten, wir sind keine Übermenschen, wir machen Fehler – deshalb sind wir aber noch lange keine Lügner“, und dafür viel Beifall der Gala-Gäste erhielt.


Mir fällt dazu unwillkürlich ein Vergleich zu Ärzten ein: Anlässlich der Vorstellung der Behandlungsfehlerstatistik für das Jahr 2015 erklärte Dr. Andreas Crusius, Vorsitzender der Ständigen Konferenz der Gutachterkommission und Schlichtungsstellen der Bundesärztekammer, u.a. am 16.03.(Auszug): „Überall wo Menschen arbeiten, passieren Fehler – auch in der Medizin. Wir gehen aber offen mit unseren Fehlern um, wir lernen aus ihnen und wir verhelfen betroffenen Patienten zu ihrem Recht... Und ein Arzt, dem ein Fehler unterläuft, ist kein Pfuscher. Fehler können viele Ursachen haben. Pfusch dagegen beinhaltet immer eine gewisse Gleichgültigkeit gegenüber den Auswirkungen des eigenen Handelns."(Ende des Auszugs) Diesen offenen Umgang mit Fehlern, den Dr. Crusius betont, vermisse ich allerdings in den Ausführungen Hajalis. Und wieder fällt mir Sonia Mikich ein: „Dass wir Fehler schönreden, gern hart austeilen, aber ein gläsernes Kinn haben, wenn es um Kritik an uns selber geht.“ Und dieses „harte Austeilen“ stellt man nur zu oft gerade in Berichten der Medien über „Ärztepfusch“ fest. Um sich fast gleichzeitig gegen die Unterstellung „Lügenpresse“ zu verwahren. Wo nur bleibt da die Fairneß?  

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