Mittwoch, 16. September 2015

Kreuzfest 2015: Helfen Religionen, den Sinn des Lebens zu erkennen?

Etwas irritiert wurde ich am Montag auf dem Weg von der Straßenbahn zum Dom durch eine Demonstration von „Thügida“, deren Mitglieder und Anhänger sich vor dem Rathaus versammelt hatten, um gegen die „Überfremdung unserer Heimat“ zu demonstrieren. Dass sich demgegenüber auf dem Lutherplatz Gegner dieser Proteste versammelt hatten, nahm ich demgegenüber weniger wahr, der lag nicht auf meinem Weg. Und
demzufolge auch nicht, dass Intendant Lars Tietje dort durch eine Rede die Gegner unterstützte, also für eine Willkommenskultur für Flüchtlinge votierte. Thematisch allerdings tangierte dieses Geschehen insoweit das Kreuzfest, als Lars Tietje in seinem späteren Grußwort an die versammelten Kreuzfest-Gemeinde jenes Geschehen kurz thematisierte.


Mein Bruder Eduard, der sich auf dieses Kreuzfest gefreut hatte, das er dann nicht mehr erleben konnte, hatte im vergangenen Jahr zum gleichen Anlass bemerkt (Zitat):
Für die nun sehr weiträumige Domgemeinde ist das eine gute Gelegenheit zu einem "menschlichen Treffen und Kennenlernen" von Heringen bis Sollstedt, von Großlohra und Bleicherode bis Ellrich.“ (Ende des Zitats) Zu einer solchen Begegnung hatten sich auch diesmal viele Gäste zum Kreuzfestempfang im Dom eingefunden, die dort zunächst zum Auftakt ein imposantes Musikstück auf der Orgel hörten (Johann Sebastian Bach: Fantasie g-Moll BWV 542), gespielt, wie ebenfalls im Vorjahr, von Michael Kremzow, Kantor der Evang. Kirchengemeinde St. Blasii, sicher Zeichen der Verbundenheit in der Ökumene.
Es folgte die Begrüßung der Gäste und Vorstellung des Festredners, Dr. Eberhard Tiefensee, Professor für Philosophie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt, durch PGR(Pfarrgemeinderat)-Vorsitzenden Norbert Klodt, der einiges zu tun hatte, um alle namentlich relevanten Gäste aus dem Domgemeinde-Gebiet
zu begrüßen.
Dem folgte dann der Festvortrag Prof. Tiefensees zum Thema „Macht Religion Sinn?“, dessen denkbar hohes Niveau nur wenig gemildert wurde durch das metaphysische Zugeständnis, das er eingangs seines Vortrags in Aussicht gestellt hatte. Soweit ich seine Ausführungen als Laie verstand, ging es dabei also nicht um bestimmte Religionen, sondern grundsätzlich um die Frage, ob Religionen helfen können, den Sinn des Lebens zu erkennen. Tiefensee zitierte u.a. Johann Wolfgang von Goethe, der schon in seinen „Vermischten Schriften“ die Abspaltung der Naturwissenschaften von geisteswissenschaftlicher Seite in der Entstehung gesehen hatte. An einen Gott zu glauben heißt, die Frage nach dem Sinn des Lebens verstehen. An einen Gott zu glauben heißt sehen, dass es mit den Tatsachen der Welt noch nicht abgetan ist, und das Leben einen Sinn hat. Und das wiederum bedeutet doch wohl, das eigene Sein zu begreifen. Und damit seine Stellung und Aufgabe als Gemeinwesen in der Gesellschaft zu erkennen und Rechnung zu tragen..
Die Ausführungen des Professors beeindruckten sichtlich die Zuhörer und wurden am Schluss mit Beifall bedacht. Pfarrer Richard Hentrich dankte dem Referenten für seine Ausführungen und Norbert Klodt schloss sich in Form eines Geschenkkorbes dem Dankenden an. Danach folgten Grußworte des stellvertretenden Leiters des Humboldt-Gymnasiums, (benachbartes Haus 2) Volker Vogt, der Leiterin der Evang. Grundschule,
Lysann Voigt-Huhnstock und des Intendanten Lars Tietje.

Erneut erklang dann die Orgel (Sigrid Karg-Elert aus der „Partita retrospektiva“ op.151) von Michael Kremzow meisterlich interpretiert. Schließlich trat noch PGR-Mitglied Carla Buhl ans Rednerpult, allerdings, um die versammelte Gemeinde zu einen Stehimbiss ins Kapitelhaus einzuladen. Dem auch lebhaft entsprochen wurde, bot er doch auch noch ausreichend Gelegenheit zu Begegnungen und Gesprächen. An denen ich nicht mehr teilnahm, hatte ich doch Gelegenheit willkommener Mitfahrgelegenheit, nachdem ein Gewitter mit anhaltendem Regen niederging. Der vermutlich auch die eingangs erwähnten Demonstrationen beeinträchtigt hatte, denn da war niemand mehr zu sehen. Ich erlebte jedenfalls ein beeindruckendes, auch zu Nachdenken anregendes Kreuzfest, das mich weiter beschäftigt.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen