Dunkle Wolken über dem Thüringer Schienennahverkehr
Bund-Länder-Vereinbarung zu Regionalisierungsmitteln benachteiligt
Ostländer
Fast unbeachtet von der Öffentlichkeit haben sich in der vergangenen
Woche der Bund und die Länder zur hart umkämpften zukünftigen Finan-
zierung des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV) geeinigt: Der Bund erhöhtdie sogenannten Regionalisierungsmittel ab 2016 von derzeit 7,7 auf 8
Milliarden Euro und steigert diese ab 2017 um jährlich 1,8 Prozent.
Was zunächst wie eine gute Meldung klingt, hat für Thüringer Fahrgäste
einen großen Haken namens Kieler Schlüssel. So wird der neue Verteil-
schlüssel genannt, nach dem die Regionalisierungsmittel auf die Bundes-
länder aufgeteilt werden. Auf Drängen bevölkerungsreicher westdeutscher Flächenländer berücksichtigt dieser auch die Einwohnerzahl, wodurch die schrumpfenden ostdeutschen Länder benachteiligt werden. So entsteht die paradoxe Situation, dass trotz der Erhöhung der Gesamtmittel der Anteil der Regionalisierungsmittel für Thüringen ab 2017 sinkt. Standen im Jahr2015 noch 295 Millionen Euro für die Bestellung von Nahverkehrszügen zurVerfügung, werden es im Jahr 2020 nur noch 289 Millionen Euro sein. Erstim Jahr 2027 wird wieder das Niveau von 2015 erreicht.
Kostensteigerungen durch steigende Infrastruktur- und Energiepreise, Ge-
hälter und die übliche Inflation lassen sich damit nicht mehr auffangen.Um deren Wirkung auszugleichen bleibt nur, in den nächsten 15 Jahren im-
mer weniger Nahverkehrszüge zu bestellen. Verschärft wird die Situation Thüringens durch die neue ICE-Strecke, die das Land zwingt, auf den bis-
herigen Fernverkehrsstrecken in erheblichem Umfang zusätzlichen Nahver-
kehr zu bestellen und alleine zu finanzieren. Schon mittelfristig drohendaher Einschnitte in das vorhandene Fahrplanangebot.
Bernd Schlosser, Vorsitzender des Pro Bahn Landesverbandes Thüringen,er-
klärt hierzu: Wir begrüßen zwar, dass mit der Einigung von vergangener
Woche die jahrelange Hängepartie über die Finanzierung des Nahverkehrs
auf der Schiene beendet wurde und nun zumindest Planungssicherheit be-
steht. Mit den mittelfristig sinkenden Mitteln drohen für Thüringen aberdeutliche Einschnitte. Um diese zu vermeiden, muss jetzt schnellstmög-
lich die Hauptursache für die steigenden Kosten angepackt werden: eine
Deckelung der Stations- und Trassenpreise, die Verkehrsunternehmen für
die Benutzung der Infrastruktur an die DB Netz AG zu zahlen haben. Die
Landesregierung muss die Thüringer Regionalisierungsmittel zudem zukünf-
tig ausschließlich für den Schienenpersonennahverkehr einsetzen. Von derDeutschen Bahn erwarten wir die Einführung der im neuen Fernverkehrskon-zept vorgesehenen Intercity-Linie auf der Saalbahn im Jahr 2018, damit
hier keine teure Nahverkehrs-Ersatzbestellung durch den Freistaat
Thüringen nötig wird.
Informationen zu Pro Bahn
Pro Bahn ist ein gemeinnütziger Verbraucherverband für die Fahrgäste
öffentlicher Verkehrsmittel wie Bahn und Bus. Er ist deutschlandweit
tätig und als Bundesverband mit Landes- und Regionalverbänden organi-
siert.
Mitteilung PRO BAHN Landesverband Thüringen am 30.September 2015
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