Freitag, 4. Mai 2012

Anonyme Plagiatsjäger pirschen wieder


Und mit Erfolg, wie sich nun im Falle von Bundesbildungsministerin Annette Schavan abzeichnen könnte. Wobei ich bei derartigen Enthüllungen schon längst nicht mehr den jeweiligen Vorgang an sich für beachtlich finde, sondern mehr überlege, warum da jemand – ob allein oder im Verein mit anderen – eine bestimmte Person auf's Korn nimmt und seine oder ihre Doktorarbeit nach Plagiaten ausforscht. Um sie dann anonym öffentlich zu machen, falls ihr Erfolg beschieden ist.
Und diese Anonymität ist für mich das hauptsächlichste Kriterium bei diesem ganzen Problemkomplex. Es ist zwar längst alltäglich geworden, dass sich Leute bemüßigt fühlen, in den Medien anonyme Kommentare abzugeben, ohne namentlich zu dem zu stehen, was sie da von sich geben. Die Gründe mögen vielfältig sein – tatsächliche oder vorgeschobene – für mich ist das einfach eine Frage der Zivilcourage. Wenn ich meine, zu einem Vorgang eine Meinung äußern zu müssen, stehe ich auch mit meinen Namen dafür ein. Oder ich muss meine Meinung für mich behalten. Und ich darf versichern, dass ich mir in meinem Leben damit nicht nur Freunde schaffte.
Nun geschieht dieses anonyme Mitwirkungsbedürfnis ja im allgemeinen aus der Passivivität heraus, also als Reaktion auf einen Vorgang, Bericht oder Artikel in den Medien, zu dem sich ein Mensch angeregt oder genötigt fühlt. Wobei dieses Gefühl aber offenbar nicht soweit geht, auch gfls. die Verantwortung für das zu übernehmen, was er da von sich gibt.
Mit der Plagiatsjagd aber ist die Ausgangslage doch eine wesentlich andere: niemand muss sich angeregt oder genötigt fühlen, sich mit der Dissertation einer bestimmten Person zu befassen. Es sei denn, sie zeigt danach auf seinem/ihrem Fachgebiet in der Folgezeit so viel Unkenntnis oder Unvermögen, dass sich die Frage nach seiner/ihrer Qualifizierung aufdrängt. Das ist oder war meines Wissens bei keinem der Plagiatoren der Fall. Demgegenüber aber scheint die erste Plagiatsaffäre, nämlich die des früheren Bundesverteidigungsministers von Guttenberg, Leute auf den Plan gerufen zu haben, die meinten, als Einzelperson oder im Verein mit anderen, die Doktorarbeiten bestimmter Personen – meist PolitikerInnen – nach Quellenfehlern untersuchen zu müssen.
Ich weiß nicht, wie schwierig es ist, mit den heutigen technischen oder digitalen Mitteln (Internet, Suchmaschinen udgl.) eine Dissertation zu durchleuchten. Ich kann demzufolge auch nicht abschätzen, wie qualifiziert der Plagiatsjäger sein muss, um eine solche Arbeit bewältigen zu können. Und ob bzw. welche konkreten Anhaltspunkte gegeben sein müssen, um eine solche Untersuchung auszulösen. Ich meine allerdings, dass viel Zeit dazugehört, eine Dissertation zu durchforsten. Die ja immerhin und irgendwann einer Verteidigung standgehalten haben muss, um als solche anerkannt zu werden. Die Jagd auf einen potentiellen Plagiator muss also wohl persönliche Motive haben. Denn dass sich jemand oder eine Clique zur Aufgabe gemacht haben könnte, Doktorarbeiten ohne Ansehen der Person systematisch unter die Lupe zu nehmen, ist mE undenkbar.
Warum also jetzt die Bundesbildungsministerin? Deren Doktorarbeit mehr als dreißig Jahre zurückliegt? Diese und viele andere Fragen stellen sich da, auf die es nur dann Antworten geben könnte, wenn sich der- oder diejenigen zu erkennen geben würden, die sich hinter diesem verursachenden Internet-Blog verbergen. So fragwürdig die Art ist, mit der hier vorgegangen wird, halte ich es für nicht weniger fragwürdig, dass sich die Medien überhaupt damit befassen. Ihnen scheint es gleich zu sein, woher der Schuss gegen Annette Schavan kommt, obwohl gerade sie eine Aufgabe darin sehen müssten, die Verursacher ausfindig zu machen. Vielleicht ist man auf der Suche – man will ja keinen unbegründeten Vorwurf erheben. Es ist allerdings einfacher – und spektakulärer - mit Bedauern festzustellen, dass sich die Ministerin auf Reisen begab (Spiegel vom 02.04) ohne zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Warum aber sollte sie das? Hat sie doch erklärt, es tun zu wollen (und zu können) wenn sich diejenigen zu erkennen geben, die die Vorwürfe erhoben. Die Gesellschaft scheint mehr und mehr zur Anonymität zu tendieren: eine perfide Entwicklung, wie ich meine deren Folgen gar nicht abzusehen sind.

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