Zur „World of Coffee“ rufen das Forum Fairer Handel und TransFair die Kaffeebranche zu mehr Nachhaltigkeit auf
Berlin/Köln,
04. Juni 2019: Während am Weltmarkt Kaffee zu historischen
Tiefstpreisen verschleudert wird, versammelt sich vom 06. bis 08. Juni
das „Who is who“ der internationalen Kaffeebranche auf der „World of
Coffee“ in Berlin. Die aktuellen Preise decken laut eines Marktreports
des Kaffeehändlers Volcafe bei rund 60 Prozent der Produzent*innen nicht
einmal die Produktionskosten. Zusätzlich verschärft der Klimawandel die
Situation der Kaffeebäuerinnen und -bauern dramatisch. Noch ist das
Geschäft für die großen Röster und Kaffeehändler lukrativ. Doch ihr
Erfolg geht auf Kosten der Kleinbäuerinnen und -bauern sowie deren
Umwelt. Das Forum Fairer Handel und TransFair (Fairtrade Deutschland)
appellieren an die Kaffeebranche, weniger über Nachhaltigkeit zu reden
und mehr dafür zu tun – auch im eigenen Interesse. Ein konkreter
Schritt: weg mit der Kaffeesteuer für fairen und ökologischen Kaffee.
Kaffeekonzerne profitieren von Preisen unterhalb der Produktionskosten
Kurzfristig
mögen die Kaffeekonzerne von niedrigen Preisen in Folge von
Spekulationsgeschäften und Rekordernten in großen Anbauländern wie
Brasilien oder Vietnam profitieren. Insbesondere bei Kaffeequalitäten im
niedrigen Preissegment herrscht derzeit ein Überangebot. Doch wenn die
Bäuerinnen und Bauern nicht bald bessere Preise und mehr Unterstützung
im Kampf gegen den Klimawandel erhalten, stehen der Kaffeebranche
düstere Zeiten bevor. „Von den aktuellen Niedrigpreisen von unter einem
Dollar pro Pfund Rohkaffee können Kleinbauernfamilien nicht leben,
geschweige denn dringend benötigte Investitionen tätigen“, kritisiert
Andrea Fütterer, Vorsitzende des Forum Fairer Handel. Die Konsequenz:
Junge Leute ziehen in die Städte oder verlassen ihre Heimatländer,
Baumbestände überaltern. Zusätzlich werden die Staatshaushalte der
Erzeugerländer mit den gesellschaftlichen und ökologischen Folgekosten
des Kaffeeanbaus belastet. Denn die Kaffeebäuerinnen und -bauern können
angesichts der schlechten Bezahlung häufig nicht die Kosten für gesunde
und ausreichende Ernährung, Unterbringung, die Schulbildung ihrer
Kinder oder deren ärztliche Versorgung bestreiten. Zu den ökologischen
Folgekosten gehört beispielsweise die Wasserverschmutzung durch
Düngemittel und Pestizide. Kurz: Die Branche setzt für kurzfristigen
Profit die Zukunft des Kaffeeanbaus aufs Spiel.
Ungerechter Kaffeemarkt
Der
globale Kaffeemarkt ist zutiefst ungerecht. Während eine Handvoll
Kaffeekonzerne von wachsenden Gewinnen profitieren, verbleibt viel zu
wenig Wertschöpfung in den Anbauländern. Das belegt die aktuelle Studie
„Kaffee – eine Erfolgsgeschichte verdeckt die Krise“. Deren
Zahlen für den deutschen Markt verdeutlichen die Schieflage: Die
Einnahmen in den Produktionsländern sind zwischen 1994 und 2017 um zehn
Prozent gesunken. Dagegen ist die Wertschöpfung bei Röstern und Händlern
in Deutschland im gleichen Zeitraum um 139 Prozent, von 1,52 Milliarden
Euro auf 3,63 Milliarden Euro pro Jahr gestiegen. „Kaffee ist
hierzulande das Lieblingsgetränk Nummer eins. Wenn wir aber zukünftig
täglich Kaffee genießen möchten, müssen sich die Anbau- und
Handelsbedingungen für die Kaffeebäuerinnen und -bauern dringend
verbessern“, mahnt Dieter Overath, Geschäftsführender
Vorstandsvorsitzender bei TransFair. „Steigende Produktionskosten,
erschwerte Anbaubedingungen durch den Klimawandel und gleichzeitig
sinkende Preise – die Kaffeebranche verbaut sich mit dieser Preispolitik
die eigene Zukunft“, sagte Overath anlässlich der World of Coffee.
Die Politik ist gefordert
Die
gegenwärtige Machtverteilung entlang der konventionellen Lieferkette
begünstigt die ungleiche Wertschöpfung massiv. Um das zu ändern, ist
deshalb auch die Politik gefragt: „Warum sind Produkte, die auf Kosten
von Mensch und Umwelt gehen, so billig? Wenn es die Politik ernst meint
damit, Nachhaltigkeitsziele umzusetzen, muss sie faire und ökologische
Produkte begünstigen. Deswegen setzen wir uns für die Abschaffung der
Kaffeesteuer für fair gehandelten Kaffee ein“, erklärt Dieter Overath
mit Blick auf die Bundesregierung. Damit möglichst viele
Kaffeebäuerinnen und -bauern bessere Bedingungen erhalten, braucht es
zudem übergreifende gesetzliche Regelungen. „Aus diesem Grund plädieren
wir für eine gesetzliche unternehmerische Sorgfaltspflicht entlang der
Lieferketten. Die Unternehmen müssen dafür Verantwortung übernehmen,
dass ihre Produkte unter menschenwürdigen Bedingungen hergestellt
werden“, erklärt Andrea Fütterer.
Der Faire Handel als Alternative
Der
Faire Handel zeigt auf, wie faire und nachhaltige Lieferketten
aussehen. Er verbessert die Lebensbedingungen der Kleinbäuerinnen und -bauern,
indem er sie in ihrer Selbstorganisation und Professionalisierung
stärkt, die Preisschwankungen am Weltmarkt durch stabile Mindestpreise
abfedert und die Kooperativen zusätzlich von Prämien für Fairen Handel
und ökologischen Anbau profitieren. Die Studie „Kaffee – Eine
Erfolgsgeschichte verdeckt die Krise“ empfiehlt insbesondere die
Kombination aus biologischem Anbau und Fairem Handel. In Deutschland
sind rund drei Viertel des fair gehandelten Kaffees zusätzlich
Bio-zertifiziert.
Service
Die deutsche Kurzfassung der Studie „Kaffee – Eine Erfolgsgeschichte verdeckt die Krise“ erhalten Sie unter forum-fairer-handel.de/presse zum Download.
Die
französische Originalversion wurde im Oktober 2018 vom
Forschungsinstitut BASIC im Auftrag der Fair-Handels-Organisationen
Commerce Equitable France und Max Havelaar France sowie dem Netzwerk
„Repenser les filières“ (zu Deutsch „Wertschöpfungsketten neu denken“)
herausgegeben.
Die Lang- und Kurzfassungen dieser Studie im Original und auf Englisch erhalten Sie unter lebasic.com/nos-publications
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