Freitag, 21. Juni 2013

Wie weit weg ist Afghanistan?

Am Montag fand bekanntlich in der Nordhäuser Traditionsbrennerei im Rahmen einer NUV-Veranstaltung eine Podiumsdiskussion mit den Bundestags-Wahlkreiskandidaten statt, die mir Anlass zu einigen Überlegungen ist. Ich muss dazu (wieder einmal) vorausschicken, dass meine Überlegungen – und Einträge auf dieser Seite – absolut persönlicher Natur sind.

Mein Beitrag in dieser Podiumsdiskussion waren zwei Fragen: die erste nach der Angleichung der Renten, die zweite zum deutschen Engagement in Afghanistan nach Abzug der NATO (ISAF-)-Truppen aus diesem Land. Eigentlich wollte ich damit etwas zur Belebung der Diskussion beitragen, die ja eher schleppend verlief (obwohl ja der NUV selbst mit seiner Einladung zu dieser Veranstaltung gleich genügend Diskussionsthemen mitgeliefert hatte). Gelungen ist es nur teilweise.
Im Ergebnis meiner Fragen bleibt mir festzustellen, dass die erste und deren Antwort noch auf ein gewisses Interesse des Auditoriums zu stoßen schien, während Afghanistan wohl nicht nur aufgrund der geographischen Entfernung zu weit weg ist, um ein besonderes Interesse auszulösen; wie ebenso leicht festzustellen war. Scheinbar war die Frage aber auch bei den Kandidaten nicht richtig angekommen, außer vielleicht bei Sigrid Hupach, der Kandidatin der LINKEN, nur hatte die es mit ihrer Antwort am leichtesten: „Wir waren von Anfang an gegen jedes Engagement in Afghanistan, und sind es auch für die Zukunft.“ Punktum.
Nun muss man ja nicht daran erinnern, dass es einmal (2004) hieß, dass "Unsere Sicherheit .. nicht nur, aber auch am Hindukusch verteidigt. (wird)" Den konkreten Grund zu meiner Afghanistan-Frage sah ich aber mehr in der Versicherung des Verteidigungsministers de Maizière vom März diesen Jahres, man würde Afghanistan auch nach dem Abzug der deutschen Truppen 2014 nicht im Stich lassen. Was er gerade gestern bei einem neuerlichen Besuch der Soldaten in Afghanistan mit dem Hinweis bekräftigte, auch nach dem Ende des Nato-Kampfeinsatzes 2014 Truppen für Ausbildung und Beratung in Afghanistan zu belassen. Immerhin unter der Bedingung dass "eine nachhaltige, zuverlässige Vereinbarung über das Truppenstatut", getroffen und eingehalten werde.
Die Antworten auf meine Frage zu Afghanistan liefen darauf hinaus, (außer jener der LINKEN-Kandidatin), dass die derzeitige Bundesregierung keine Garantieerklärungen über die laufende Legislaturperiode hinaus abgeben könne. Das ist sicher richtig. Warum aber dann zum Beispiel der Bundesaußenminister Guido Westerwell noch am 08.06. bei seinem Afghanistan-Besuch erklärte, das Deutschland, anders als andere NATO-Staaten, bereits Vorstellungen hat, wie das Engagement nach 13 Jahren ISAF-Einsatz aussehen soll, auch was das durchaus politisch heikle Thema Truppenstärke betrifft. Danach sollen sich bis zu 800 Bundeswehrsoldaten nach 2014 um die Ausbildung afghanischer Sicherheitskräfte kümmern. Darüber hinaus will die Bundesregierung den Übergangsprozess in dem von jahrzehntelangem Kriegszustand und inneren Konflikten geprägten Land am Hindukusch finanziell unterstützen. Wirtschaftshilfe soll mehr in den Vordergrund rücken. "Unser Engagement wird ziviler", sagte Westerwelle.
Das könnte man zunächst so im Raum stehen lassen, wenn es da nicht Ende Mai in der Kreissparkasse Nordhausen einen ausgezeichneten Vortrag zum Thema „Aufbruch im Nahen Osten – Wohin?“ des Nahost-Experten Prof. Dr. Ekkehard Schulz vom Orientalischen Institut der Uni Leipzig gegeben hätte, über den ich ja berichtete. Und auf den ich doch auch ausdrücklich bei meiner Frage am Montag hinwies. Der Professor führte dort u.a. aus: „de Maisiére hat unlängst gesagt, wir werden das afghanische Volk nicht im Stich lassen. Das klingt zwar großartig. Wer aber ist das afghanische Volk? Das sind die Paschtunen: 60 – 70 Prozent der Afghanen sind Paschtunen. Das sind auch die, die zu 99 Prozent die Taliban sind. Und die lassen wir nicht im Stich? Das ist doch Unsinn. Die neue Armee, die in Afghanistan aufgebaut wird, besteht etwa aus 4 Prozent Paschtunen. Der Bevölkerungsanteil 60 – 70 Prozent. Da ist von vornherein klar, dass eine solche Armee, auch wenn in sie massiv Steuergelder hineingepumpt werden, nie funktionieren kann. Ist auch nicht beabsichtigt. Bei der Ausbildung von Polizisten, sowohl in Afghanistan, aber auch im Irak, für die es ja Programme gibt, ist es das gleiche: wenn sich die NATO zurückzieht, dann bleiben die nicht bei der Zentralarmee, sondern sie gehen zurück zu ihren Stamm, zu ihrer Gruppe, zu ihrer religiösen Gemeinschaft, weil nur dort Schutz gegeben ist. Alles andere macht für die Menschen vor Ort keinen Sinn. Wir bilden also sozusagen – wenn man so will – die Privatarmeen der künftigen Kriegsparteien aus. So traurig das auch ist, aber leider ist es so...“ Soweit der Leipziger Professor, der mit seinem Vortrag nachwies, dass er ein profunder Kenner der Verhältnisse im gesamten Nahen Osten ist.

Zu dieser Problematik ist nun in der „Osnabrücker Zeitung“ gerade ein Kommentar erschienen, in dem es u.a. heißt (Auszug): „Der Afghanistan-Krieg droht für den Westen im Fiasko zu enden. Erst kürzlich musste das deutsche Verteidigungsministerium einräumen, dass sich im Norden des Krisenherdes die Sicherheitslage verschlechtert hat. Dabei hatte die Bundesregierung das Gegenteil behauptet, sogar von Fortschritten gesprochen, um den eingeleiteten Truppenrückzug zu rechtfertigen...“(Ende des Auszugs) . Der Kommentator argumentiert in durchaus glaubhafter Weise, wie der weitere Verlauf in Afghanistan aussehen wird. Und stimmt damit weitgehend mit der Auffassung des vorerwähntem Professor Ekkehard Schulz überein. Dass die USA derzeit an dem afghanischen Präsidenten Karsai vorbei, mit den Taliban verhandeln wollen, und auch de Maizière solche Verhandlungen für erwägenswert hält, zeigt deutlich genug, was damit bezweckt wird. Ich erinnere mich an ein Podium im Jahre 2007, auf dem es damals hieß: „Unsere Nahoststrategie ist ...meist an oberflächlichen Bedrohungen wie Terrorismus und nuklearer Aufrüstung orientiert. Die zögerlichen Lösungsansätze folgen ebenfalls dieser reinen Sicherheitsagenda. Diese kurzsichtige Politik baut darauf, mit militärischen Mitteln Macht in der Region zu projizieren und die eigenen Interessen gegen die lokalen durchzusetzen. Das Völkerrecht und Bedenken um Fairness treten in den Hintergrund...“ Viel hat sich daran in der Zwischenzeit nicht geändert. Nun bin ich auf den weiteren Verlauf gespannt. 

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