Dienstag, 18. Juni 2013

Was vom Rolandfest 2013 bleibt

Die Organisatoren des Nordhäuser Rolandfestes 2013 hatten sich ohne allen Zweifel viel Mühe gegeben, ein Programm zusammen zu stellen, das möglichst vielfältig war und für jeden etwas bot. Ob das gelang, mag jeder für sich beantworten, der das Fest besuchte.

Ich habe das Wenigste davon gesehen und miterlebt und bin trotzdem der Meinung, nicht nur gutes Programm erlebt zu haben, ob auf dem Theaterplatz, dem Petersberggarten oder im Gehege. Und hätte mir gewünscht, dass die Presse entsprechend wenigstens in Anlehnung an den TA-Flyer mit den „Veranstaltungshighlights Rolandfest 2013“ entsprechend umfangreicher berichtet hätte. Dadurch vor allem würde doch der Ruf Nordhausens als guter Gastgeber und Austragungsort gelungener Feste über die Stadt- und Landkreisgrenzen hinausgetragen.

Im Gehege etwa war es ja nicht nur die Party mit Kim Wilde am Samstag, die berichtenswert war, es wäre auch der Stadtgottesdienst am Sonntag gewesen, der – außer im Südharz-Kurier - in keinem einzigen Pressebericht erwähnt wurde. Und gerade ihn fand ich der Erwähnung wert, weil er in seiner Gestaltung und mehr noch mit der Predigt von Superintendent Michael Bornschein Denkanstöße zur Ökumene und für's praktische Leben vermittelte und mit auf den Weg gab, die nachhaltig waren und sind.

Ich glaubte, mit dem Mitschnitt dieser Predigt etwas aufgenommen zu haben, das ich auch in dieser Form „getrost nach Hause tragen“ konnte. Um anschließend im Web des „Kirchenkreises Südharz“ diese Predigt ausgedruckt zu finden, was die Rekapitulation und Verinnerlichung seines Inhaltes wesentlich erleichtert. Vielleicht aber nicht nur mir?

Mit dieser Überlegung will ich den Wortlaut dieser Predigt hier wiedergeben, nicht aber, ohne zuvor das Lukas-Evangelium „Vom verlorenen Sohn“, von dem diese Predigt handelt, voran zu stellen:
11 Und er sprach: Ein Mensch hatte zwei Söhne. 12 Und der jüngste unter ihnen sprach zu dem Vater: Gib mir, Vater, das Teil der Güter, das mir gehört. Und er teilte ihnen das Gut. 13 Und nicht lange darnach sammelte der jüngste Sohn alles zusammen und zog ferne über Land; und daselbst brachte er sein Gut um mit Prassen.
   14 Da er nun all das Seine verzehrt hatte, ward eine große Teuerung durch dasselbe ganze Land, und er fing an zu darben. 15 Und ging hin und hängte sich an einen Bürger des Landes; der schickte ihn auf seinen Acker, die Säue zu hüten. 16 Und er begehrte seinen Bauch zu füllen mit Trebern, die die Säue aßen; und niemand gab sie ihm. (17 Da schlug er in sich und sprach: Wie viel Tagelöhner hat mein Vater, die Brot die Fülle haben, und ich verderbe im Hunger! 18 Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir (Psalm 51.6) (Jeremia 3.12-13) 19 und bin hinfort nicht mehr wert, daß ich dein Sohn heiße; mache mich zu einem deiner Tagelöhner! 20 Und er machte sich auf und kam zu seinem Vater. Da er aber noch ferne von dannen war, sah ihn sein Vater, und es jammerte ihn, lief und fiel ihm um seinen Hals und küßte ihn. 21 Der Sohn aber sprach zu ihm: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir; ich bin hinfort nicht mehr wert, daß ich dein Sohn heiße. 22 Aber der Vater sprach zu seinen Knechten: Bringet das beste Kleid hervor und tut es ihm an, und gebet ihm einen Fingerreif an seine Hand und Schuhe an seine Füße, 23 und bringet ein gemästet Kalb her und schlachtet's; lasset uns essen und fröhlich sein! 24 denn dieser mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden; er war verloren und ist gefunden worden. Und sie fingen an fröhlich zu sein. (Epheser 2.5)
   25 Aber der älteste Sohn war auf dem Felde. Und als er nahe zum Hause kam, hörte er das Gesänge und den Reigen; 26 und er rief zu sich der Knechte einen und fragte, was das wäre. 27 Der aber sagte ihm: Dein Bruder ist gekommen, und dein Vater hat ein gemästet Kalb geschlachtet, daß er ihn gesund wieder hat. 28 Da ward er zornig und wollte nicht hineingehen. Da ging sein Vater heraus und bat ihn. (Matthäus 20.15) 29 Er aber antwortete und sprach zum Vater: Siehe, so viel Jahre diene ich dir und habe dein Gebot noch nie übertreten; und du hast mir nie einen Bock gegeben, daß ich mit meinen Freunden fröhlich wäre. 30 Nun aber dieser dein Sohn gekommen ist, der sein Gut mit Huren verschlungen hat, hast du ihm ein gemästet Kalb geschlachtet. 31 Er aber sprach zu ihm: Mein Sohn, du bist allezeit bei mir, und alles, was mein ist, das ist dein. 32 Du solltest aber fröhlich und gutes Muts sein; denn dieser dein Bruder war tot und ist wieder lebendig geworden; er war verloren und ist wieder gefunden.

Und danach nun die Predigt:des Superintendenten:

Liebe Schwestern und Brüder in Christus!

I Der gekränkte Bruder - Das Leben ist so ungerecht! So fühlt es der ältere Sohn in unserem Evangelium tief in seinem Herzen. Und das tut weh. Richtig weh.

Siehe, - sagt er zu seinem Vater - so viele Jahre diene ich dir und habe dein Gebot noch nie übertreten, und du hast mir nie einen Bock gegeben, dass ich mit meinen Freunden fröhlich gewesen wäre. Nun aber, da dieser dein Sohn gekommen ist, der dein Hab und Gut mit Huren verprasst hat, hast du ihm das gemästete Kalb geschlachtet.

Wer so redet, ist in seinem Herzen tief gekränkt. „Du hast mir nie einen Bock gegeben, für ihn aber hast du das gemästete Kalb geschlachtet.“

Das heißt im Klartext: Warum ist dir mein Bruder mehr wert als ich?
Und warum gerade er und nicht ich? Das tut weh.

Und der ältere Sohn wurde zornig und wollte nicht mit hinein gehen.
Natürlich. Wer so gekränkt ist, kann sich nicht mitfreuen über das Glück anderer Menschen.

II Der sich sorgende Vater
Und der Vater spürt den Zorn und die Bitterkeit des Bruders. Darum geht er zu ihm und bittet ihn.
Mit so liebevollen Worten lädt er seinen Sohn ein sich doch mitzufreuen über die Rückkehr des Bruders.
Mein Sohn, du bist allezeit bei mir und alles, was mein ist, das ist dein.
Du solltest aber fröhlich und guten Mutes sein; denn dieser dein Bruder war tot und ist wieder lebendig geworden, er war verloren und ist wiedergefunden.

Ich finde das so wunderbar, dass unser Evangelium dem 2.Sohn so viel Raum und so viel Liebe widmet. Die Geschichte hätte doch ohne Not ihr Ende finden können als der Vater seinen heimgekehrten Sohn in die Arme schließt.
Und mit ihm und für ihn ein fröhliches Fest feiert.
Lasst uns essen und fröhlich sein! Denn dieser mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden; er war verloren und ist gefunden worden. Und sie fingen an, fröhlich zu sein.
Schluss! Aus! Das wäre doch ein schönes happy end. Vater und Sohn wieder zusammen und so viel Freude. Was will man mehr?! Na ja, und dass sich nicht immer alle mitfreuen. Das kommt doch in den besten Familien vor.

Aber so ist das Evangelium nicht. Gottes Liebe kommt erst an ihr Ziel, wenn sie alle Bitterkeit, alle Kränkung und alles Unversöhnte überwunden und geheilt hat.
So wie Sauerteig nicht eher Ruhe gibt, bis er den ganzen Teig durchsäuert hat.
So gibt das Evangelium nicht eher Ruhe, bis es zu allen Menschen und in alle Winkel unserer Herzen gekommen ist.

Bis es alles Unversöhnte in und unter uns überwunden hat. Das ist Gottes Sehnsucht.
Darum muss die Geschichte weiter gehen.
Weil es eben noch kein happy end ist. Solange einer noch voller Zorn draußen steht. Darum geht der Vater raus aus dem Festsaal zu seinem geliebten Sohn.

Liebe Schwestern und Brüder,
unser himmlischer Vater und sein Evangelium sind doch wunderbare Seelsorger.
Wie der Vater seinen älteren Sohn verlocken will, dass sein Zorn sich in Freude verwandelt. Das finde ich einfach wunderbar.
Und wie er das macht:
Der Vater lenkt den Blick seines Sohnes auf den Reichtum seines Lebens.
Mein Sohn, du bist allezeit bei mir und alles, was mein ist, das ist dein.

III – Der andere Blick auf das Leben!
„Du hast mir nie auch nur einen Bock gegeben…“
Das ist der Stachel im Herzen.
Das wurmt. Und darum ist so oft auch der Wurm drin in unseren menschlichen Beziehungen.
Wir sehen ganz oft auf das, was uns fehlt.
Wir sehen auf das, was anderen besser gelingt als uns.
Wir sind ganz hellhörig, wenn andere gelobt werden, ich aber nicht.
Wir Menschen sind doch ständig dabei, uns mit anderen zu vergleichen.
Und blöderweise immer mit denen, denen es vermeintlich besser geht.
Die alles besser können.
Und warum ich nicht? Warum kann ich das nicht, was andere können?
Warum sieht keiner was ich tue? Andere stehen ständig in der Zeitung?
Wenn andere Lob und Beifall bekommen, und ich selber nicht.
Dann kann ich mich doch nicht einfach mit freuen!
Nein, das wurmt uns, wenn wir ehrlich sind.
Also, ich kenn das jedenfalls.
Und ich frag mich dann manchmal:
Warum ist das nur so schwer – das mit dem Mitfreuen?

Und meine Antwort ist: Weil wir Menschen oft einen Sehfehler im Herzen haben.
Das Evangelium möchte uns ins Herz schreiben: Sieh nicht ständig auf den Mangel in Deinem Leben, sieh und entdecke, den Reichtum, den Gott auch in Dein Leben gelegt hat.
„Du hast mir nie auch nur einen Bock gegeben“
Das ist der gekränkte Blick auf den Mangel!
Mein Sohn, du bist allezeit bei mir und alles, was mein ist, das ist dein.
Das ist der Blick auf den Reichtum. Alles was mein ist, ist dein. Dir gehört meine ganze Liebe. Du bist mir nicht weniger wert als dein Bruder. Nicht weniger als Dein Nachbar, nicht weniger als der, mit dem du dich ständig vergleichst. Warum nur fühlt dein Herz, dass du im Leben zu kurz gekommen bist?
Du bist es nicht.

„Gemeinsam geht`s, weil ER uns liebt.“ Genau das meint diese Geschichte.
Sie ist ein so wunderbarer Spiegel unseres Lebens.
Das ist doch schon erstaunlich. In der Geschichte reden die beiden Brüder kein Wort miteinander. Alle Gespräche führt der Vater mit seinen Söhnen.
Nun, ich weiß nicht, ob das anders gewesen wäre, wenn das zwei Töchter gewesen wären. Männer reden ja nicht so gern über das, was sie fühlen.
Aber ist ja auch egal.
Der Vater ist es, der voller Sehnsucht ist, dass seine Söhne sich versöhnen.
Und redet und lockt und verzeiht. Das am Ende sich alle freuen und feiern.
Das keiner mehr das bittere Gefühl haben muss: Ich bin zu kurz gekommen.
„Gemeinsam geht`s, weil Er uns liebt.“
Die Erfahrung, wie sehr wir alle - durch die Bank weg - geliebte und reich beschenkte Kinder Gottes sind. Diese Erfahrung ist die heilende Kraft, in dem, was uns unzufrieden und bitter machen will. Neid und Eifersucht trennen.
Wir haben es manchmal schwer miteinander.
Aber Gottes Liebe gibt nicht auf – wie der Sauerteig.
Und siehe da: Durch das Evangelium lernt das Herz das Sehen neu.
„Alles was mein ist, ist dein!“
So reich beschenkt bin ich. Warum habe ich das nicht eher glauben und sehen können. Warum hat mich das so gewurmt, dass andere mehr Anerkennung bekamen.

V- Keiner kann alles – und keiner nichts!

Nein, ich kann nicht alles, was andere können.
Also, ich möchte auch gern so toll Orgel spielen können wie unser Kantor.
Ich würde auch gern 3 Fremdsprachen fließend sprechen und krieg nicht mal eine richtig hin. Also, das wurmt mich schon….
(und darum habe ich angefangen – richtig Englisch zu lernen!)

Aber, dann denke ich, hat unser himmlischer Vater das nicht toll gefügt.
Dass wir Menschen so unterschiedlich sind, das ist doch für unser Miteinander auch in unseren Kirchen und auch in unserer Stadt, nicht nur anstrengend.
Es ist doch am Ende ein großer Segen, dass wir so verschieden sind.
So verschieden begabt und beschenkt.
Keiner kann alles.
Keiner hat immer nur Recht.
Und keiner baut immer nur Mist.
Keiner ist immer nur gut drauf.
Und keiner ist immer Schuld.

Diese schlichte und doch manchmal so schwierige Einsicht verbindet Menschen.
Gut, dass wir alle unsere Stärken, aber auch unsere Fehler und Schwächen haben. Keiner unter uns, der nicht auf die Vergebung und Nachsicht anderer Menschen angewiesen wäre.
Auch wenn wir manchmal so tun, als wäre es anders.
Ich habe wirklich nicht immer Recht.
Gott sei Dank!
Aber vor allem: Keiner, der nicht von Gott geliebt wäre.
Keiner, den er nicht so liebevoll im Blick wie der Vater in unserem schönen Evangelium seine beiden Söhne.

Was haben wir Menschenkinder doch für tolle Eltern. Unser himmlischer Vater, der uns Vater und Mutter ist. Unnachahmlich liebevoll, wie er jedes seiner Kinder im Blick hat und genau weiß, was jeder braucht.
Der jüngere Sohn braucht nach seinem Scheitern keine Vorwürfe, sondern liebevolle Nachsicht und herzliche Vergebung.
Und der Ältere braucht das heilende Gespräch.
Bessere Eltern könnten wir Menschenkinder uns nicht wünschen,
als Gott, der uns Mutter und Vater ist – unnachahmlich.
Einem anderen ist etwas besser gelungen als dir selber.
Das soll dich nicht wurmen.
Freu dich mit ihm und freu dich für ihn. Von ganzem Herzen.
Es wird dir guttun und ihm auch.

VI – Gemeinsam geht`s
„Gemeinsam geht`s, weil ER uns liebt.“
Die letzten Wochen in unserem Land haben wieder sehr eindrücklich gezeigt:
Die Not lehrt uns nicht nur das Beten, sie kann uns auch zusammenschweißen. Gemeinsam geht`s! Das war und ist auch eine tiefe menschliche und beeindruckende Erfahrung in den Flut- und Hochwassergebieten unseres Landes. Wie Menschen am Deich und in den überfluteten Städten.
Gemeinsam geht`s!
Es ist, als käme in solche Notzeiten eine Seite in uns Menschen wieder zum Tragen, die sonst im Alltag unseres Lebens oft etwas verschüttet scheint.
Wo wir das Gefühl haben – und vielleicht ja auch selber verbreiten – heute denkt jeder nur noch an sich. Und Nächstenliebe sei ein Fremdwort geworden.
Da erleben wir plötzlich ganz anderes unter uns, auch hier im reichen Deutschland.
Wildfremde Menschen stehen zusammen und stehen gemeinsam durch.
Tag und Nacht.
Die Not lehrt uns nicht nur das Beten, sie schweißt uns Menschen auch zusammen.

Albert Schweizer hat einmal ein sehr weises Wort gesagt: „Viel Kälte ist unter den Menschen, weil wir nicht wagen uns so herzlich zu geben, wie wir sind.“

Ich finde dieses Wort so wertvoll. Weil es uns Menschen anspricht auf den großen Reichtum an Herzlichkeit und Liebe. Es ist alles in uns. Gott hat uns alles ans und ins Herz gelegt. So liebevoll und herzlich sind wir.
Es wird nur manchmal verschüttet, wenn wir uns vom Leben ungerecht behandelt fühlen. Wenn uns das Leben kränkt. Wenn wir auf den Mangel in uns sehen und nicht auf den Reichtum. Dann führt das zum Klimawandel in eine ganz andere Richtung - Es wird wirklich kälter in unserem Land und unter uns.

Es wird ja heute manchmal und immer lauter auch die Frage gestellt:
Warum braucht es eigentlich noch die Kirche in unserem Land und überhaupt?
Also, ich weiß nicht, ob es die Kirche braucht. Aber eines, weiß ich ganz sicher. Unsere Welt, unser Land, unsere Stadt und die Menschen in ihr. Wir brauchen das heilende und frohmachende Evangelium. Sonst bekommen wir wirklich einen Klimawandel. Und es wird kalt in unserem Land.
Wenn uns Menschen die Gewissheit verloren geht, geliebt zu sein.
Und solange wir als Christenmenschen diese frohe Botschaft mit Herzen, Mund und Händen verkündigen, solange braucht es dann auch die Kirchen, auch die in unserer Stadt.

So segne unser Vater im Himmel uns alle. Er segne uns in unseren Familien, in unseren Kirchen, in unserer Stadt mit der wunderbaren Erfahrung: „Gemeinsam geht`s, weil ER uns liebt!“ Amen.


Ich denke, diese Predigt ist nicht nur der Erwähnung wert, sondern gibt zu Überlegungen Anlass, die für's Leben hilfreich sind. Und wenn schließlich auch dafür gelten könnte `Gemeinsam geht’s´ ist Wahrheit geworden, wäre das sicher das schönste und nachhaltigste Ergebnis dieses Rolandfestes 2013.

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