Freitag, 7. Juni 2013

Lothar Rechtacek: Es gab nur wenige Standhafte

Diesmal also melde ich mich, nachdem ich gestern die „Werkschau - Lothar Rechtacek und Familie“ im Kunsthaus Meyenburg besuchte. Und nachdem ja am Dienstag mit einem Querschnitt seines Schaffens eine Ausstellung in der Galerie der Kreissparkasse Nordhausen eröffnet wurde, war ich neugierig, wie diese Werkschau im Kunsthaus gestaltet werden würde.

Man kann die Frage stellen, warum in so kurzer Zeit zwei Ausstellungen, die diesem Künstler gewidmet sind. Der, so betonte es die Leiterin des Kunsthauses, Susanne Hinsching, so viele Jahre die Kunstwelt in unserer Region entscheidend mitgeprägt hat. Eine Antwort darauf könnte sein, dass es genau deshalb der Galerie der Kreissparkasse ein Anliegen
war, dem viel zu früh verstorbenen Künstler anlässlich seines 70. Geburtstages eine Gedenkausstellung zu widmen. Es muss hier ja nicht (erneut) betont werden, dass auch sie in anerkennenswerter Weise mit ihren Ausstellungen seit nunmehr schon Jahrzehnten das künstlerische Geschehen in der Region maßgeblich mitgestaltet. Und demgegenüber das Kunsthaus Meyenburg als Dominante in Sachen Kunst in der Region schon „von amts wegen“ Maßstäbe setzt. Erinnert sei in diesem Zusammenhang, dass ja auch die Jugendkunstschule, die von Lothar Rechtacek mitbegründet wurde, über Jahre in den Kellerräumen des Kunsthauses beheimatet war. Von dessen Wirken in dieser Schule der Künstler Jürgen Rennebach am Dienstag in der Galerie der Kreissparkasse als Laudator unter anderen ausführte: „Als Gründungsmitglied
dieser Kultureinrichtung und langjähriger Dozent übertrug er ungezählten jungen und auch älteren Menschen seine Begeisterung am Kunstmachen. So erhielten viele Mädchen und Jungen zudem das Rüstzeug für eine erfolgreiche Ausbildung oder ein künstlerisches Studium...“ Und in Erinnerung an seine eigene Erfahrung wusste er, wie wichtig dieses Rüstzeug ist, um Zugang zum Studium zu erhalten

Ich hatte die Laudatio Jürgen Rennebachs in ihren kunstbezogenen Teilen weitgehend wörtlich nach dem Mitschnitt wiedergegeben. Und wenn ich versuche, auch die Ausführungen der Leiterin des Kunsthauses, der Kunsthistorikerin Susanne Hinsching, in ihren wesentlichen Teilen möglichst authentisch wiederzugeben, muss es natürlich zu Überschneidungen bzw. Wiederholungen kommen, schon weil die Sichtweise des Künstlers und die der Kunsthistorikerin so unterschiedlich ja nicht sind.

Zu dieser Werkschau, die ja auch die Tippgeber-Mamsell der „Thüringer Allgemeine“ empfohlen hatte, ohne selbst oder einer der Redakteure dieser Zeitung zu erscheinen, waren gestern doch zahlreiche Gäste gekommen, die schon an der Vernissage in der Galerie der Kreissparkasse teilgenommen hatten. Die auch die Atmosphäre dieser Veranstaltung prägten. Etwas sach- oder kunstbezogener als in der Kreissparkasse, deren Vernissage ja einige Besucher mehr zählte, die sie zu einem mehr gesellschaftlichen Event werden ließ. Eröffnet wurde die Werkschau musikalisch von dem Duo Martina Zimmermann (man kannte sie vom Trio Contrabass in der Sparkasse, auch hier mit ihrem Instrument) und Steffi Faltermeier (Klarinette) denen auch die weitere musikalische Gestaltung oblag. Derer sie in höchst ansprechender Weise gerecht wurden.

Zum inhaltlichen Teil der Werkschau führte Susanne Hinsching aus, dass: „. . .unsere Ausstellung . . . auch als Erweiterung der Ausstellung in der Sparkasse zu sehen (ist), um damit Ihnen und allen kunstinteressierten Besuchern und Freunden Lothar Rechtaceks die Möglichkeit zu geben, viele seiner Werke gleichzeitig zu betrachten. Ergänzt wird unsere Ausstellung durch Werke der Familie Rechtacek, also seiner Witwe Elke
und seines Sohnes Wulf.“

Und weil es sich also um eine Erweiterung jener Ausstellung in der Sparkasse handelt, will ich auch der Kunsthistorikerin mit ihrer Laudatio breiteren Raum einräumen, auch wenn es, wie schon bemerkt, dabei gelegentlich zu Überschneidungen kommt.

Hinsching zitierte eingangs ihrer Laudatio Johann Wolfgang von Goethe mit der Erkenntnis: „Natur und Kunst, sie scheinen sich zu fliehen, und haben sich, eh man es denkt, gefunden.“und meinte, dass dies als Leitsatz für die Kunst des 1943 im Teplitz- Schönau (jetzt Tschechien) geborenen und in Niedersachswerfen aufgewachsenen Künstler dienen könnte. „Lothar Rechtacek war Realist aus Überzeugung“, fügte die Kunsthistorikerin an und führte weiter aus, „Er hat sich seit seinem Studium an der Hochschule für Bildende Kunst in Berlin-Weißensee der gegenständlichen Malerei verschrieben. Für Rechtacek war gerade die gegenständliche Malerei die älteste Darstellungsweise überhaupt – seit der Urgesellschaft versuchen die Menschen realistisch abzubilden – und damit ist sie auch die einzige Stilrichtung, die wirklich zeitlos ist. Dabei war Rechtacek natürlich kein absoluter Gegner des Gegenstandslosen, für ihn war es immer wichtig, dass Kunst in jeglicher Form von Können kommt. Deshalb war bei Lothar Rechtacek das Können stets mit dem Handwerk verbunden.

Nachdem die Leiterin des Kunsthauses dazu ausgeführt hatte, dass der Künstler vor seinem Studium eine Malerlehre absolvierte, und dann an der Fachhochschule in Potsdam dekorative Malerei studierte, haben ihn diese Fertigkeiten vor allem nach der Wende, in den für Künstler flauen Zeiten, gute Dienste erwiesen. Hinsching streifte in ihren Ausführungen das Schaffen des Künstlers in dessen Berliner Zeit als Mitglied des Verbandes der Bildenden Künstler, das er lange Jahre war, in der Gestaltung vieler Skulpturen vor allem Tierplastiken, z.B. Im Auftrag von Prof. Dathe für den Tierpark in Berlin.

In diesem Zusammenhang erinnerte Susanne Hinsching „Aufgrund seines Mangels an Bronze in der DDR“, so die Kunsthistorikerin „verwendete Rechtacek häufig auch Beton für seine Plastiken“, und nahm schon vorweg: „Beispielsweise auch für die Säule vor dem Rosengarten, welche die meisten Nordhäuser sicher kennen.“(Siehe das Bild dazu )

Nach seiner 20-jährigen Tätigkeit in Berlin, u.a. als Leiter des Grafikzentrums Pankow, in der er schon dort den künstlerischen Nachwuchs förderte, und anschließender freischaffender Tätigkeit, kehrte Rechtacek wieder in seine Heimatregion zurück, zuerst nach Heringen und später dann in die schöne alte Mühle nach Holbach. Das jetzt noch das Domizil für seine Kunst und seine Tiere sind, nunmehr von seiner Frau und seinem Sohn bewirtschaftet. Vor allem seine Hunde, die häufig auch die Modelle seiner Werke bildeten.

„Seine bevorzugten Themen in der Bildhauerei als auch in der Malerei und Grafik waren stets Mensch und Tier“, erläuterte Hinsching, um sich dann weiter mit dem Schaffen Rechtaceks zu befassen: „Dabei bildete die umgebende Landschaft zu Figur und Tier eher Beiwerk. Häufig stehen seine Figuren sogar vor einem
neutralen Hintergrund, um die dargestellten Personen – egal ob Portraits oder Akte, die es dem Künstler übrigens besonders angetan haben, - wie sie im grünen Raum stehen, - besser in den Mittelpunkt des Betrachters zu rücken,“ meinte die Kunsthistorikerin. Und diese eher dezente Bemerkung Hinschings zur Vorliebe Rechtaceks für die Aktmalerei muss nun wohl aus meiner Sicht etwas „intensiver“ ausgedrückt werden: Rechtacek nämlich verstand es, Frauen, die ihm als Model geeignet schienen, über kurz oder lang auch als solches für seine Malerei zu gewinnen. Und es soll wenige Frauen gegeben haben, die dem Angebot Rechtaceks, ihm Model zu stehen, widerstanden. Und die dabei entstandenen Bilder zeugen oft von deren Freizügigkeit oder künstlerischer Willfährigkeit. Und die Kunsthistorikerin ließ dazu ja auch wissen: „Die künstlerische Qualität seiner Portraits besteht vor allem darin, dass es dem Künstler gelingt, neben der äußerlichen Ähnlichkeit, durch die Wahl von Mimik und Gestik, auch die Charaktere der dargestellten Personen hervorzuheben.“

„Ein beliebtes Thema Rechtacek's“, so die Leiterin des Kunsthauses weiter, „ist die Motivwelt der germanischen Mystik und Mythologie, wie die Bilder „Wotan“ oder „Freche Elfe“ in unserer Ausstellung zeigen. Diese bestechen durch ihre expressive Farbgebung. Das flammende Rot und die intensiven Farbkontraste von türkis bis violett bringen die mystische Stimmung besonders hervor,

Rechtaceks Kunst ist ehrlich, darin sind sich alle Kenner des Künstlers und seiner Kunst einig. „Er verzichtet auf jegliche Form von Effekthascherei“, führte Hinsching dazu aus. „Seine Effekte entstehen nur durch eine besondere Malweise. Der Maler arbeitet dabei stets dünn mit der Farbe, niemals pastös, trotzdem erzielt er ungewöhnliche und faszinierende Wirkungen, besonders bei den mythologischen Themen.

Seine Tierdarstellungen zeigen – sowohl in der Plastik als auch in Malerei und Grafik – ein intensives Naturstudium. Viele der Werke scheinen wie eine Momentaufnahme von ekstatischer Bewegung. Auch hier fängt er die jeweiligen Charaktere selbst der exotischsten Tiere genau ein, z.B. bei der „Wildkatze“ die in unserer Ausstellung unter anderen zu sehen ist.

Dass ihm die angewandte Kunst nicht fremd war, zeigt sich vor allem in der Beherrschung zahlreicher, ja fast aller künstlerischen Techniken, sowohl in der Grafik – in der er zwar die Lithographie bevorzugte – als auch in der Malerei – mit Fresko oder Enkaustik, oder den verschiedensten Glastechniken. Dieses Wissen stellte Lothar Rechtacek auch seinen Kollegen zur Verfügung, so dass die verschiedensten künstlerischen Gemeinschaftsprojekte entstanden, z.B. die Skulpturen anlässlich der Landesgartenschau in Nordhausen an der Wasserachse oder der „Arche“.

Auch die Kunsthausleiterin erinnerte an die langen Jahre, in denen Rechtacek neben seiner freischaffenden Tätigkeit als Künstler auch als Dozent an der Nordhäuser Jugendkunstschule tätig war. Und viel Zeit in den Räumen verbrachte, die jetzt der Ausstellung seiner Werke dienen.
Damit näherte sich Susanne Hinsching dem Ende ihrer Laudatio und schloss mit dem Hinweis: „Auch wenn Lothar Rechtacek Picasso eigentlich nicht mochte, möchte ich mit einem Zitat von ihm enden: „Kunst ist eine Lüge, die uns die Wahrheit erkennen lässt.“ Mit dieser Weisheit empfahl die Kunsthistorikerin den Gästen, die ausgestellten Bilder ihrer näheren Betrachtung.

Ich habe den Ausstellungen und Einträgen zu Lothar Rechtacek gern so viel Zeit und Aufmerksamkeit gewidmet, schon weil ich darin meinen Abschied von diesem bemerkenswerten Künstler sehe, den ich kannte und außerordentlich schätzte.


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