Pressemitteilungen der Deutschen Bischofskonferenz
31.01.2023
015
Widerspruchsrecht und Akteneinsicht im Verfahren zur Anerkennung
des Leids
Bischof Dieser: „Wichtige Verfahrensänderung“
Betroffene
sexualisierter Gewalt können ab dem 1. März 2023 Widerspruch gegen die
Entscheidungen der Unabhängigen Kommission für Anerkennungsleistungen
(UKA)
zur Leistungshöhe einlegen. Der Betroffenenbeirat bei der Deutschen
Bischofskonferenz, die UKA, die Deutsche Ordensobernkonferenz und die
Deutsche Bischofskonferenz haben sich einvernehmlich auf eine Ergänzung
der Verfahrensordnung zur Anerkennung des Leids
geeinigt, wonach Betroffene ihren einmaligen Widerspruch formlos über
die unabhängigen Ansprechpersonen oder die für sie
zuständige kirchliche Institution
einlegen
können. Um das Verfahren für die Betroffenen niederschwellig zu halten,
bedarf der Widerspruch keiner Begründung. Auf Antrag erhalten die
Betroffenen zudem das Recht auf Einsicht in ihre Verfahrensakten bei
der UKA.
Betroffene
sexualisierter Gewalt, deren Anträge seit Beginn des UKA-Verfahrens am
1. Januar 2021 bis zum 28. Februar 2023 entschieden sind, können bis zum
31. März 2024 Widerspruch einlegen. Betroffene, deren Anträge ab dem 1.
März 2023 entschieden werden, können ihren Widerspruch innerhalb einer
Frist von zwölf Monaten ab Bekanntgabe der Leistungsentscheidung durch
die Geschäftsstelle der UKA geltend machen.
„Ich
danke dem Betroffenenbeirat bei der Deutschen Bischofskonferenz für
seine konstruktive Mitarbeit an dieser wichtigen Verfahrensänderung. Die
Betroffenen
haben jetzt die Gelegenheit, ihre Unterlagen bei der UKA zu prüfen.
Diese Akteneinsicht war eine zentrale Forderung des Betroffenenbeirats
an die deutschen Bischöfe“, sagt Bischof Dr. Helmut Dieser (Aachen),
Vorsitzender der bischöflichen Fachgruppe für Fragen des sexuellen Missbrauchs und von Gewalterfahrungen. Auf der Grundlage dieses Antrags,
zu dem wesentlich die Tatschilderung zählt, entscheidet die UKA über die Leistungshöhe.
Der
Betroffenenbeirat bei der Deutschen Bischofskonferenz geht davon aus,
dass mit der Einführung des einmaligen Widerspruchs zahlreiche
Betroffene eine Überprüfung
der Leistungsbescheide beantragen. „Das Recht auf Widerspruch und
Akteneinsicht muss für die Betroffenen in überschaubaren
Bearbeitungszeiten umgesetzt werden. Der Betroffenenbeirat erwartet,
dass die Deutsche Bischofskonferenz die notwendigen Kapazitäten
für das Verfahren und die Akteneinsicht zur Verfügung stellt, um
Antragsstaus wie zu Beginn des UKA-Verfahrens zu vermeiden“, betont
Johannes Norpoth, Sprecher des Betroffenenbeirates.
Bischof
Dieser hebt hervor, der Betroffenenbeirat habe insbesondere mit der von
ihm eingebrachten Widerspruchsfrist bis zum 31. März 2024 das Verfahren
gestärkt.
„Mit dieser Widerspruchsfrist wird den Betroffenen ausreichend Zeit
gegeben, auch rückwirkend ihren Widerspruch anstoßen zu können.“
Hintergrund:
Informationen zum Verfahren zur Anerkennung des Leids
Das seit dem 1. Januar 2021 in Kraft getretene Verfahren zur Anerkennung des Leids wurde für die Betroffenen bewusst in
Ergänzung des Rechtsweges zu den ordentlichen Gerichten eingeführt:
Betroffene können ihre Forderungen gegen die Beschuldigten häufig nicht
mehr gerichtlich durchsetzen, etwa weil diese verstorben oder die Taten
verjährt sind. Diesen und allen Betroffenen
sexuellen Missbrauchs bietet das Verfahren die Möglichkeit, einfach und
ohne die Belastungen eines Gerichtsverfahrens Geldleistungen zu
erhalten. Anders als vor staatlichen Gerichten müssen Betroffene
keinerlei Beweise, weder für den sexuellen Missbrauch noch
für seine Folgen, erbringen. Es genügt, dass die Schilderung der
Betroffenen plausibel ist. Unabhängige Ansprechpersonen in den
(Erz-)Bistümern bieten den Betroffenen in Gesprächen Hilfestellung bei
der Antragstellung und der Tatschilderung
Die
Festsetzung der materiellen Leistungen erfolgt bundesweit
einheitlich durch die UKA. Die interdisziplinär zusammengesetzte
Kommission, deren Mitglieder von einem mehrheitlich nicht kirchlichen
Gremium vorgeschlagen und von der Deutschen Bischofskonferenz
berufen wurden, sind in ihren Entscheidungen frei. In der UKA sind
weder Betroffene noch Personen vertreten, die in einem Arbeits- oder
Berufsverhältnis zu einem kirchlichen Rechtsträger stehen oder standen.
Die
Leistungshöhe orientiert sich am oberen Bereich der durch
staatliche Gerichte in vergleichbaren Fällen zugesprochenen
Schmerzensgelder. Damit wird ein außerkirchlicher Bezugsrahmen
herangezogen, der gesellschaftlich und der Höhe nach in der
Rechtsprechung
der deutschen Gerichte verortet ist sowie eine fortlaufende
Weiterentwicklung erfährt.
Das Verfahren zur Anerkennung des Leids kennt
keine Höchstgrenze von Leistungen. In etwa acht Prozent
der Fälle gehen die Leistungsfestsetzungen über 50.000 Euro hinaus und
dies zum Teil sehr deutlich. Die Ordnung sieht vor, dass bei Beträgen
oberhalb von 50.000 Euro die kirchliche Institution
zustimmt; diese Zustimmung ist in allen Fällen erfolgt.
Das Verfahren zur Anerkennung des Leids schneidet den Betroffenen den Weg zu den staatlichen Gerichten nicht ab:
Jedem/jeder Betroffenen steht der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten offen.
Hinweise:
Den Wortlaut der Veränderung in der Verfahrensordnung finden Sie als PDF-Datei in der Anlage dieser Pressemitteilung sowie unter
www.dbk.de. Die „Ordnung für das Verfahren zur Anerkennung des Leids“ wird in der neuen Fassung am 1.
März 2023 auf der Themenseite Sexualisierte Gewalt und Prävention unter
Verfahren zur Anerkennung des Leids bereitgestellt.
Über
ihre Arbeit informiert die UKA am kommenden Freitag, 3. Februar 2023
(10.00 Uhr), in einem Online-Pressegespräch bei der Vorstellung des
Tätigkeitsberichts
2022, der an diesem Tag unter www.anerkennung-kirche.de
bereitgestellt wird.
Die Deutsche Bischofskonferenz
ist
ein Zusammenschluss der katholischen Bischöfe aller (Erz-)Bistümer in
Deutschland. Derzeit gehören ihr 67 Mitglieder (Stand: Januar 2023) aus
den 27 deutschen (Erz-)Bistümern
an. Sie wurde eingerichtet zur Förderung gemeinsamer pastoraler
Aufgaben, zur Koordinierung der kirchlichen Arbeit, zum gemeinsamen
Erlass von Entscheidungen sowie zur Kontaktpflege zu anderen
Bischofskonferenzen. Oberstes Gremium der Deutschen Bischofskonferenz
ist die Vollversammlung aller Bischöfe, die regelmäßig im Frühjahr und
Herbst für mehrere Tage zusammentrifft.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen