Dass
wirtschaftliche Kooperationen zwischen “Ost” und “West” nicht
immer mit einem negativen Vorzeichen besetzt sind, zeigt ein Beispiel
aus dem kleinen Ort Obersachswerfen im Landkreis Nordhausen. Dort, in
unmittelbarer Nähe zur ehemaligen innerdeutschen Grenze, agiert die
Gerbothe-Wiesner GbR nicht nur als ein erfolgreiches
landwirtschaftliches Unternehmen, sondern auch als Erfolgsgeschichte
zwischen Ost und West.
Die
historischen Wurzeln der Familie Gerbothe gehen in Obersachswerfen
über viele Generationen bis hin zum Beginn des 17. Jahrhunderts
zurück. Die Großeltern von Andreas Gerbothe, einem der
Firmeninhaber der Gerbothe-Wiesner GbR, wurden vom SED-Regime
innerhalb der “Aktion Kornblume” Anfang der 1960er Jahre
zwangsumgesiedelt, was auch große Auswirkungen auf die
landwirtschaftliche Arbeit auf dem Hof der Familie hatte. Aufgrund
der Perspektivlosigkeit in der Landwirtschaft zu DDR-Zeiten trat
Andreas Gerbothe eine Ausbildung zum Autoelektriker an. Mit der
politischen Wende im Herbst 1989 wurde alles anders. Bei der
Grenzöffnung am 13. April 1990 lernte der heute 51jährige Andreas
Gerbothe den zehn Jahre älteren Hubertus Wiesner, Landwirt aus
Walkenried, kennen. Beide stellten schnell ihr Interesse gegenüber
der Landwirtschaft fest und halfen sich gegenseitig auf den
landwirtschaftlichen Höfen in Obersachswerfen und Wiedigshof. Am 1.
Januar 1992 gründeten die Männer die Gerbothe-Wiesner GbR. Die
erste gemeinsame Investition in Höhe von 1,2 Millionen DM war der
Neubau eines Kuhstalls auf thüringischer Seite. 1997 wurden die
Gebäude der ehemaligen LPG in Obersachswerfen übernommen, zehn
Jahre später die große Maschinenhalle gebaut. 2011 investierte die
Firma erneut, ein Rinderstall für 100 Tiere kam hinzu. 2016, auf dem
Höhepunkt der Milchkrise, entschieden sich die beiden Gesellschafter
zum Einbau von zwei Melkrobotoren. In die Entscheidungen der letzten
Jahre waren auch die beiden Juniorchefs Marcus Gerbothe und Alexander
Wiesner aktiv mit eingebunden.
Aktuell bewirtschaften die beiden Familien mit ihren vier Mitarbeitern rund 960 Hektar landwirtschaftliche Fläche, die moderne Milchviehhaltung umfasst 250 Kühe und Rinder. Als landwirtschaftlicher Familienbetrieb, beschäftigten die Tätigkeiten des Unternehmens natürlich die ganze Familie und so unterstützen die Frauen die Arbeit im Unternehmen - sei es im Büro, Stall oder auf dem Traktor. Eben so, wie es in einem Familienunternehmen eher die Regel als die Ausnahme ist. Auch Carolin Gerbothe, die älteste Tochter, blieb ihren Wurzeln treu und wohnt mit auf dem Hof in Obersachswerfen. Die studierte Agrarwissenschaftlerin liebt das
Leben auf dem Land und engagiert sich seit mehreren Jahren nicht nur ehrenamtlich für den ländlichen Raum und die Landwirtschaft sondern auch in der Politik. Als Direktkandidatin der CDU für den Landkreis Nordhausen will die junge Frau in diesem Jahr in den Thüringer Landtag einziehen. Sie weiß, dass vor allem für die Menschen in ländlichen Regionen und die Landwirtschaft eine starke Interessenvertretung wichtig ist. “Ich kann nur mit dem Kopfschütteln, wenn ich immer wieder höre, wie negativ über das Leben auf dem Dorf und die Landwirtschaft gesprochen wird. Was viele Menschen nicht reflektieren, ist doch der Fakt, dass auch landwirtschaftliche Betriebe einen wichtigen Wirtschaftszweig auf unseren Dörfern darstellen und wir tagtäglich für hochwertige Nahrungsmittel arbeiten.“
Andreas Gerbothe ergänzt: “Wir sind Nahrungsmittelproduzenten. Schon allein diese Tatsache verpflichtet zu Qualität und hier überschneiden sich unsere Interessen auch mit denen der Rohstoff gewinnenden und verarbeitenden Industrie. Ich denke, wir müssen unsere Produktionsweisen und die daraus resultierenden wirtschaftlichen Zusammenhänge offensiver erklären und keiner Diskussion aus dem Weg gehen. Um unsere Meinungen und Standpunkte künftig noch effektiver vertreten zu können, sind wir in den Nordthüringer Unternehmerverband eingetreten.” Für Niels Neu, den Chef des NUV, ist die Aufnahme des Unternehmens insofern wichtig, dass damit das Segment der Mitglieder mit landwirtschaftlichem Hintergrund weiter gestärkt wird.
Die Familien Gerbothe und Wiesner gehen mit ihren zur Tradition gewordenen Hoffesten, bei denen bis zu 2.500 Besucher gezählt wurden, den offensiven Weg und bemerken als ein Ergebnis ein gewachsenes Verständnis bei den Besuchern. Das nächste Hoffest ist jetzt schon für Mitte Juni des nächsten Jahres geplant.
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