Mittwoch, 28. August 2019

THEATERNATUR2019_Fazit

ENDSTATION:EINHEIT? fest im Blick

Nach dem Festival ist vor dem Festival: Theaternatur visiert Spielzeit 2020 an
Benneckenstein (thea). Der letzte Vorhang ist gefallen, das Theaternatur
Festival 2019 schon wieder Geschichte. Und es endete so, wie es begonnen
hatte. Zwar kurz vom Regen unterbrochen, aber dennoch erneut mit einer
gefeierten Vorstellung. Und mit einer ganz besonderen Botschaft.
Es wird als eines der bisher erfolgreichsten Festivals in die Geschichte
eingehen. Auch wenn die Derniere von „Die Legende vom Glück ohne Ende“
ebenso wie die Premiere von „Die Legende von Sorge und Elend“ kurzeitig
wegen Regens unterbrochen werden musste, Festivalchef Janek Liebetruth zog
ein durchweg positives Resümee. Gemeinsam habe man es in diesem Jahr
wieder geschafft, ein interessantes wie gleichermaßen abwechslungsreiches
Programm auf die Bühne zu bringen. Und das habe so viele Besucher
angesprochen, dass die 3000-Gäste-Marke von 2017 nur knapp verfehlt worden
sei, betonte der Künstlerische Leiter.
Geboten wurde erneut eine ausgewogene Mischung aus Eigenproduktionen
und handverlesenen Gastspielen. Dazu kamen Lesungen und
Filmvorführungen. Insgesamt standen über 30 Einzelveranstaltungen auf dem
erstmalig 17-tägigen Festivalprogramm. Die Spannweite umfasste sämtliche
Genres, aber auch thematisch Perspektiven jenseits wie diesseits des
ehemaligen Grenzwalls. Das gemeinsame über-, wie miteinander Lachen,
Weinen sowie Hinterfragen stand im Mittelpunkt. Die Waldbühne war dafür
einmal mehr als Veranstaltungsort prädestiniert, da das direkte Einzugsgebiet
hier bis vor gut einer Generation durch einen Grenzwall getrennt gewesen sei,
so Liebetruth weiter.
Das diesjährige Thema war ganz bewusst gewählt: Grenzen:Los! thematisierte
vor historischem Hintergrund im 30. Jahr des Mauerfalls zahlreiche Ereignisse
rund um das geteilte Deutschland. Und das direkt an der einstigen Nahtstelle
zweier Gesellschaftssysteme und zweier Militärbünde. Theaternatur – das
Festival der darstellenden Künste stand erneut für ein tolles Programm.
Garniert mit grandiosen Inszenierungen, gespielt von hervorragenden
Künstlern und vorbereitet von einem Team, das tagtäglich an seine Grenzen
ging. Das zusammen garantierte Theaterkultur auf allerhöchstem Niveau.
Getragen wurde das Festival wie gewohnt von Eigenproduktionen. In diesem
Jahr waren das „Die Legende vom „Glück ohne Ende“ und „Die Legende von
Sorge und Elend“. Die Inszenierung von „Glück ohne Ende“ griff die
Erzählung von Film und Roman von „Paul und Paula“ gleichermaßen auf und
ließ das „schönste Liebespaar des Ostens“ auf der Freiluftbühne
Benneckenstein, zwischen mythischem Harzwäldern und liebestollen
Waldwesen erwachen. Das zweite Eigenproduktion, „Legende von Sorge und
Elend“, ist ein von Sören Hornung geschriebenes Kammerstück in drei Akten.
Es spielt im Jahr 2015. Zwei Frauen und zwei Herren. Eine Familie. Eltern und
deren Kinder. Der Vater war einst Grenzer, die Mutter überzeugte
Kommunistin. Die Familienharmonie gerät an ihre Grenzen, als die Kinder
plötzlich anfangen, Fragen zu jener Zeit zu stellen. Es ging um das
Auseinandersetzen mit ehemals zwei verschiedenen Systemen, der
Vergangenheitsbewältigung und dem jahrelangen Herumtragen von Schuld. Zu
den namhaften Gastspielen gehörten in die Jahr zweifellos auch #BerlinBerlin,
ein Gastspiel des Theaters Strahl aus der Hauptstadt Berlin. Die Geschichte
handelte vom Bau der Berliner Mauer und wie der „Antifaschistische
Schutzwall“ eine Familie über Jahrzehnte zerreißt. Und dann ist plötzlich die
Grenze offen.
Und auch Mitsingen war in diesem Jahr ausdrücklich erwünscht: Im Rahmen
des interaktiven Konzertes „Über sieben Brücken musst du gehen“ durften
Besucherinnen und Besucher dabei auf der Waldbühne mit einstimmen. Die
Sängerin Christine Wolff nahm dabei ihr Publikum musikalisch mit auf eine
Reise in die Zeit des Mauerfalls. Mit allen Stücken der diesjährigen Spielzeit
wurde auf unterschiedliche Art und Weise versucht, gleich auf mehrere Fragen
Antworten zu finden. „Waren die einstigen „Nachbarn“ über Jahrzehnte
hinweg Bürger*innen zweier grundverschiedener Länder?“ „Bedeutet dies
etwas für das „Heute?“ Und ist die Endstation Einheit in ein grenzenloses
Zusammenleben 30 Jahre nach der Grenzöffnung gemündet? Wo liegen die
Unterschiede in Erinnerungen, Weltsichten, Hoffnungen und Befürchtungen?
„Diese Fragen haben wir thematisch umgesetzt. Damit hat das Festival
THEATERNATUR erneut Denkanstöße gegeben. Wir wollten GRENZEN
ausloten und uns LOSreißen von Vorurteilen und Stereotypen“, betonte
Liebetruth. Während die erste Phase 2019 unter dem Titel GRENZEN:LOS!
die Unterschiede west- und ostdeutscher Lebensweisen zum Gegenstand der
kreativen Untersuchung machte, stehen im nächsten Jahr vom 7. bis zum 23.
August unter ENDSTATION:EINHEIT? die vereinenden Aspekte im
Mittelpunkt des Interesses. Trennung und Zusammenkunft, Klischee und
Erfahrungswert, Vorurteil und Neuentdeckung. „30 Jahre nach der
Wiedervereinigung ist es endlich an der Zeit aufzuräumen, aufzuarbeiten und
den letzten Schritt der Annäherung zu vollziehen. Wir wollen als Festival
erneut einen Teil dazu beitragen, dass wir auch hier, an der Landesgrenze zu
Niedersachsen, weiter zusammen wachsen“, so Liebetruth.
Weitere Informationen unter www.theaternatur.de im Internet.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen