Dienstag, 22. August 2017

Demenz und Pflege – ein noch zu wenig beachtetes Thema?

Als ich den Bericht über das von der ehemaligen Chefärztin Dr. Hannelore Pientka geleitete Kolloquium in Heiligenstadt zu Demenz und Pflege las, musste ich an einen Brief denken, den ich kürzlich von der SWG erhielt, in dem der demografische Wandel Eingangsthema war. Man thematisiert diesen Wandel, vermeidet es aber tunlichst, konkreter zu werden und sich die Menschen vorzustellen, die am Ende dieses Wandels stehen: alte, gebrechliche, vielfach demente Menschen. Sehe ich durchs straßenseitige Fenster meiner Mietwohnung, sehe ich in den Hof des DRK-Pflegeheims, in dem zahlreiche dieser Menschen die letzten Jahre ihres Lebens verbringen. Die Gesellschaft nimmt – außer den Angehörigen – von diesen Menschen kaum Kenntnis,sie sind eben aus dem öffentlichen Leben verschwunden. Und in erwähntem
Brief der SWG heißt es, dass jener demografische Wandel für jene, die noch eigenständig leben, demnächst mit Veränderungen verbunden sein wird, weil man zunächst bestimmten Teilen des Wohngebiets in Nordhausen-Nord ein neues „zukunftfähiges“ Gesicht geben wird. Womit schon angedeutet ist, dass dieses Gesicht nicht mehr von den Überlebenden dieses Wandels geprägt sein wird wie bisher.

Nun mag es ja sein, dass die Problematik des Themas Demenz und Pflege von dem eben Ausgeführten (noch) nicht voll getroffen ist. Die Tabelle aber besagt ja, dass die Wahrscheinlichkeit, dement zu werden, mit dem Alter steigt. Und vielfach sind es ja die potentiell Betroffenen selbst, die die mögliche Erkrankung ignorieren, solange sie noch dazu in der Lage sind. Und der gesunde Mensch hat zunächst keine Beziehung zu Erkrankungen dieser Art.

Umso beachtenswerter das Kolloquium am vergangenen Freitag in Heiligenstadt, das sich den Demenzkranken und den derzeitigen Leistungen, vor allem aber den zukünftigen Aufgaben im Pflegebereich widmete. Unter der Leitung von Chefärztin i.R., Frau Dr. Hannelore Pientka wurden diverse Aspekte dieser hochaktuellen Problematik in Vorträgen behandelt und diskutiert. Vom Umgang mit der Erkrankung, über spezielle Formen der Ernährung bis zum Leben und Sterben im Pflegeheim – der Bereich der Vorträge umspannte das ganze Spektrum, das mit diesem Krankheitsbild in Zusammenhang steht. Keine andere Krankheit, so führte Frau Dr. Pientka aus, hat solch ein „Angstpotential“ wie Alzheimer oder Demenz. „Werde
auch ich an Alzheimer erkranken und werde ich mit Würde gepflegt werden und ebenso sterben?“ – diese Frage steht oft unausgesprochen im Raum. Frau Dr. Pientka, die lange Zeit als Ärztin mit diesem Krankheitsbild vertraut war, heute in diversen Bildungseinrichtungen Altenpflegerinnen und Altenpfleger ausbildet und auch als Gutachterin tätig ist, gilt als ausgesprochene Expertin auf diesem Gebiet und hält Vorträge weit über die Region hinaus. Es ist als Zeichen der Wertigkeit zu sehen, dass auch die Thüringer Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie, Frau Heine Werner in ihrem Grußwort und Einführung die Arbeit mit Demenzkranken und die hohen Leistungen im Pflegebereich würdigte. Wer sich selbst weitergehend informieren möchte, dem sei die Broschüre „Dazugehören“ empfohlen, die vom Thüringer Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie anfordert werden kann. Einige Fakten:
Anteil der Menschen über 65 Jahre, davon Menschen mit Demenz
  • in Thüringen 525.532 45.195
  • im Kreis Nordhausen 21.414 1.842
Wahrscheinlichkeit, dass eine Demenz auftritt mit Lebensalter
  • 65 – 69 Jahre 1,6 %
  • 70 – 74 Jahre 3,5 %
  • 75 - 79 Jahre 7,4 %
  • 80 – 84 Jahre 15,7 %
  • 85 – 89 Jahre 26,2 %
  • 90 – 94 Jahre 41,0 %
  • > 95 Jahre 46,3 %
Es muss hinzugefügt werden, dass die Pflege eines an Demenz erkrankten Menschen einen 24-stündigen Einsatz erfordert und eine Pflege zu Hause auf Dauer eine kaum zu ertragende Belastung für die pflegende Familie darstellt. Allgemein gibt es derzeitig 2,9 Millionen Pflegebedürftige, von denen 2,08 Millionen zu Hause versorgt werden. Es ist also sinnvoll die Zahl der Pflegeheime zu erhöhen und das entsprechende Personal auszubilden und auch entsprechend zu entlohnen. Momentan gibt es in Deutschland 13600 Pflegeheime mit 730.000 Beschäftigten.


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