Donnerstag, 14. Februar 2013

Zur Komplexität der Causa Annette Schavan


Die Debatte um das Plagiat der bisherigen Bildungsministerin Annette Schavan und ihr Rücktritt von ihrem Amt, die kürzlich noch dominierendes Thema in den Medien war, ist im wesentlichen abgeebbt, und nur noch Nachzügler melden sich zu Wort. Ich zähle mich nicht dazu, denn meine Absicht ist lediglich die eigene Überlegung und Argumentation für mich selbst. Und zumindest der Versuch einer gewissen Selbstkontrolle über meine geistige Flexibilität. (Und orientiere mich damit an bestimmten Vorbildern!?).

Und die Debatte um Annette Schavan, deren Rücktritt ich als tragisch empfinde, ist für mich mit Überlegungen verbunden, die vielfältig sind. Dass dieser Rücktritt angesichts der öffentlichen Meinung zu dem Problemkomplex unvermeidlich war, steht sicher fest. Wobei sich einmal mehr zeigt – siehe die große Zahl an anonymen Kommentaren als Echo der Medienberichte – wie schnell und oft ohne jegliche sachliche Begründung – viele dieser Kommentatoren urteilen. Und den Stab über einen Menschen brechen.

Was man Schavan vorwirft, liegt mehr als dreißig Jahre zurück. Ich kann mich leicht dem anschließen, was der Chefredakteur der „Thüringer Allgemeine“, Paul-Josef Raue in einem Leitartikel zur „Gnade des Vergessens“ (11.02.13) äußerte. Dass nämlich ein Totschläger nach zwanzig Jahren mit Verjährung rechnen kann. Hätte also ein solcher nach der Doktorarbeit Schavans ihren Doktorvater getötet, wäre diese Tat längst verjährt, während das Plagiat der Annette Schavan noch heute geahndet wird. Raue schließt (Auszug): „So weit sind unsere Gesetze. Wie weit sind wir, die Bürger eines freien Landes? Müssen wir die Kunst des Vergessens noch lernen? (Ende des Auszugs.)

Dem kann ich zustimmen, nur kommt es doch auf mich als zwar interessierten, aber unmaßgeblichen Bürger eines freien Landes überhaupt nicht an. Die Frage müsste meines Erachtens dagegen gezielt an die Mitglieder der zuständige Philosophische Fakultät der Universität Düsseldorf gehen: sie hätten ein Prüfungsverfahren unter Hinweis auf den Zeitabstand ablehnen können. Müssen also nicht vor allem sie die Kunst des Vergessens lernen?

Sie blieben im Rahmen ihrer herkömmlichen Möglichkeiten. Und selbst darin werden sie kritisiert, u.a. vom früheren Präsidenten der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), Ernst-Ludwig Winnacker. Nach seiner Meinung hätte sich die Fakultät als „zutiefst befangen“ erklären und das Verfahren abgeben müssen. „Das hat sie aber ganz offensichtlich nicht begriffen“, erklärte er im „Handelsblatt“ Und fügte hinzu: „...oder sie hat es begriffen und hatte nur Angst um ihren Ruf“. Sei dazu noch angefügt, was die „WELT“ am 09.02.schrieb (Auszug): „Dass die Universität Düsseldorf sich überdies als Notar und Richter zugleich betätigt, dass sie 1980 den Doktorgrad urkundlich und deshalb mitverantwortlich beglaubigt und 2013 den Stab nur über der Doktorandin bricht statt auch über sich selbst: Wen schert es...“(Ende des Zitats).

Damit mag es mit den Umständen rings um diese Plagiatsprüfung sein Bewenden haben. Bleibt die Frage nach der Amtsführung Annette Schavans als Bildungsministerin. Dabei bleibt festzustellen, dass Politiker nahezu aller Parteien ihre Arbeit der vergangenen Jahre uneingeschränkt würdigten. So äußerte z.B CSU-Chef Horst Seehofer laut ARD, ihr Rücktritt sei „bedauerlich und tragisch“. Sie sei eine vorzügliche Ministerin auf diesem Feld“ gewesen, meinte er in der „Passauer Neuen Presse“. Und Bundeswirtschaftsminister und FDP-Vorsitzender Philipp Rösler beklagte gleichfalls, dass die Bildungsministerin ihre Arbeit nicht fortsetzen könne. "Wir Liberale haben mit Annette Schavan in der Bildungspolitik hervorragend zusammengearbeitet und sind ihr dafür dankbar. Gemeinsam haben wir viel erreicht", betonte er in der ARD. Viele Projekte blieben auf immer mit ihrem Namen verbunden. Und auch in ihrer eigenen Partei überwiegt das Bedauern und die Anerkennung ihrer Arbeit. Auch die Opposition fand lobende Worte für die CDU-Politikerin, die nach der Aberkennung ihres Doktortitels aus dem Amt scheidet. SPD-Chef Sigmar Gabriel nannte Schavan in der „Welt am Sonntag“ „eine hoch anständige und kompetente Kollegin, um die es mir außerordentlich leid tut". Das sind Beispiele, die eigentlich beliebig erweitert und präzisiert werden könnten. Umso erstaunlicher ist demgegenüber die Beurteilung der zurückgetretenen Ministerin in „Spiegel.onlne“:
Unter dem 09.02.13 wird dort von Christoph Titz die Frage gestellt, was wohl von Annette Schavan bleiben wird? Um auch gleich die Antwort zu geben (Auszug): „Man muss es ehrlich sagen: nicht viel. Die CDU-Politikerin hat sich schon vor Jahren selbst entmachtet, auf Bundesebene findet Hochschulpolitik praktisch nicht statt. Es wäre konsequent, das Amt des Bundesbildungsministers abzuschaffen.“ (Ende des Auszugs.) Titz begründet das aus seiner Sicht auch, um dann zu resumieren (Auszug):“...An Annette Schavan wird man sich bald nur noch wegen ihres Plagiats erinnern. Daran ist die Politikerin selbst schuld. So, wie sie ihr Amt ausfüllte, kann man es auch abschaffen...“ (Ende des Auszugs.)

Die Problematik ist also ausgesprochen komplex. Und wenn man lediglich auf Medienberichte mit höchst unterschiedlichen Tenor angewiesen ist, hält man sich besser mit einen eigenen Urteil zurück. Dass viele meinten, sich ohne wirkliches Wissen und eigene Kenntnis dazu (vornehmlich anonym) äußern zu müssen, wirft ein bezeichnendes Licht zumindest auf Teile unserer Gesellschaft. 

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