Samstag, 23. Februar 2013

Bürgersaal im Zeichen des Élysée-Vertrages


Im Rahmen einer Wanderausstellung veranschaulicht das Institut francaise Erfurt gemeinsam mit der Stadt Nordhausen und dem Bildungswerk Erfurt der Konrad-Adenauer-Stiftung seit Donnerstag im Bürgersaal des Nordhäuser Rathauses das vertragliche Zustandekommen der deutsch-französischen Aussöhnung. Eine höchst bemerkenswerte Ausstellung, wie ich meine.

Auf zahlreichen Info-Tafeln wird den Besuchern das Verhältnis zwischen Frankreich und Deutschland im Laufe der vergangenen zwei Jahrhunderte aufgezeigt, das mit dem 1963 zwischen beiden Ländern geschlossenen Élysée-Vertrag eine feste Grundlage für die seitdem eingetretene gut-nachbarschaftliche Entwicklung schaffte.

Eine Entwicklung, von der der Nordhäuser Oberbürgermeister Dr. Klaus Zeh in seiner Einführungsansprache anlässlich der Vernissage am Donnerstag erläuterte, dass man in der DDR von dieser Annäherung der Bundesrepublik und Frankreich und diesem schließlichen Aussöhnungswerk zwar aus den Medien wusste, aber inhaltlich kaum Informationen erhielt. Und man nach der Wende den seinerzeitigen Stand dieses Verhältnisses als gegeben zur Kenntnis nahm, ohne sich weiter mit der Vorgeschichte zu befassen. Die gegenwärtige Ausstellung bietet diese Möglichkeit. Und sie sollte genutzt werden. Auch weil die Menschen in Ostdeutschland den Anspruch erfüllen, an dieser Aussöhnung teil zu haben.

Umso verwunderlich finde ich, dass sich gestern im Nordhäuser Lokalteil der „Thüringer Allgemeine“ lediglich ein Bild von der Eröffnung dieser Wanderausstellung mit einem Bildtext fand, der den Eindruck erweckt, als habe es sich mehr um den Vortrag eines Vertreters (dem Leiter) des französischen Kulturbüros in Thüringen gehandelt. Von der Ansprache des Oberbürgermeisters und dem Referat der Geschäftsführerin der Stiftung Bundeskanzler Adenauer-Haus fand sich kein einziges Wort. In meinen voraufgegangenen Einträgen hatte ich mehrmals meinen Eindruck wiedergegeben, nach dem der Nordhäuser Lokalteil der TA in jüngster Zeit inhaltlich zugelegt hat. Und man sich wieder vermehrt diesem Teil zuwenden könne. Mit diesem Beitrag zur Erinnerung an den 50. Jahrestag des Élysée-Vertrages aber bestätigt man diesen Niveauzuwachs jedenfalls nicht. (Demgegenüber scheint die Nordhäuser Lokalredaktion personell zugelegt zu haben, was sicher auch ein interessanter Vorgang ist.)

Zum Thema selbst habe ich als Journalist, der die oben erwähnte Entwicklung unmittelbarer verfolgen konnte, eine etwas abgeklärtere Einstellung zur europäischen Gemeinschaft seit dem Élysée-Vertrag, kann aber gerade deshalb leicht dem Nordhäuser Oberbürgermeister zustimmen, wenn er in seiner Begrüßungsansprache meinte, dass es eine gute Idee ist, dass diese Ausstellung in Nordhausen Halt macht. Dafür dankte er dem Leiter des Instituts francaise in Erfurt, Bertrand Leveaux, den er gleichzeitig begrüßte, der diese Ausstellung organisierte. Gleichzeitig begrüßte er auch Dr. Corinna Franz, Geschäftsführerin der Stiftung Bundeskanzler Adenauer-Haus. Beide referierten nach der Begrüßungsansprache Dr. Zeh's zum Themenkomplex. Dabei widmete sich Leveaux vornehmlich dem Vertragswerk selbst und dessen Initiator auf französischer Seite, Charles de Gaulle, während Dr. Franz mit dem damaligen Bundeskanzler Konrad Adenauer den deutschen Initiator hervorhob und damit die deutsch-französische Aussöhnung und europäische Einigung. Beide verstanden es, diese gegenseitige Annäherung und Aussöhnung lebendig darzustellen und schilderten die damaligen Verhältnisse, die zu dem Vertragswerk führten, außerordentlich anschaulich

Zuvor aber erinnerte der Nordhäuser OB, dass es nach der spärlichen Wissensvermittlung um diesen Élysée-Vertrag in der DDR zwar seit 1978 eine deutsch-französische Städtepartnerschaft mit Charlesville de Maiziere gibt, die vor der Wende aber nur von „Handverlesenen im Funktionärsbereich“ gepflegt wurde. Dr. Zeh streifte dann die ursprüngliche Ausgangslage zwischen Frankreich und Deutschland und zitierte dabei Passagen aus dem 1810 von Madame de Staéls erschienenen Deutschlandbuch „De l'Allemagne“, mit dem sie ein breites Interesse in Frankreich an dem deutschen Nachbarn zu wecken vermochte. Damals immerhin dem Deutschland der Romantik und dem Volk der Dichter und Denker. Dr. Zeh zitierte einige Passagen die sinngemäß etwa lauteten, dass man – von Frankreich kommend – erst einmal viel Mühe hat, sich an die Langsamkeit und den Ruhestand der Deutschen zu gewöhnen. Sie zeigen nie Eile und finden allenthalben Hindernisse. Das Wort „unmöglich“ hört man hundert Mal, gegenüber einem Male in Frankreich. Muss gehandelt werden, so weiß der Deutsche nicht, was es heißt, den Hindernissen entgegen streben. Der gemeine Mann hat in Deutschland eine ziemlich rauhe Außenseite, zumal wenn man ihm in seiner natürlichen Art entgegen tritt. Bietet man ihm Geld an, so bringt dies in seiner Handlungsweise keine Veränderungen hervor. Furcht kennt er nicht, er zeigt in allen Dingen eine Beharrlichkeit, welcher ein bemerkenswerter Fortschritt zur Parallellität ist. Er geht von einer Meinung zur anderen über, wenn es seinem Vorteil dient. Nach einem weiteren Zitat sei die Freiheitsliebe bei den Deutschen nicht entwickelt, sie haben weder durch Genuss noch durch Entbehrung den Wert kennen gelernt, den man in diesem höchsten Gut finden kann. Die deutsche Nation ist ausharrend und gerecht, ihr Gefühl für Billigkeit und Gerechtigkeit verhindert, dass eine, sogar fehlerhafte Einrichtung zum Bösen führen könne. Als Ludwig der Bayer in den Krieg zog, überließ er die Verwaltung seines Staates Friedrich dem Schönen, seinem Gefangenen. Und dieses Vertrauen, welches damals durchaus nicht befremdend wirkte, betrog ihn nicht. Mit solchen Tugenden hätte man von den Mängeln der Schwachheit oder von der Verwicklung der Gesetze nichts zu befürchten, die Rechtschaffenheit der Menschen ersetzt alles.
Das, so führte Dr. Zeh aus, sei das Spiegelbild der Deutschen im Jahre 1810 gewesen. Hundert Jahre später, nämlich 1914 und erneut 1940 mussten die Franzosen sich eines Besseren belehren lassen. Und trotz alledem: aus den erbitterten Feinden sind inzwischen gute Freunde geworden. Und das sollte die Basis der folgenden Gemeinschaft sein. Damit schloss Dr. Zeh, leitete damit aber gleichzeitig über zu den folgenden Vorträgen des Bertrand Leveaux und Dr. Corinna Franz, auf die ich auch noch näher eingehen werde.

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