In einem einführenden Bericht hatte
gestern nnz zu einem Vortrag berichtet, der am Donnerstag im
Tabakspeicher zu dem in der Titelzeile angegebenen Thema stattfand.
Darin hieß es, Dr. Friedrich werde sich in seinem Vortrag mit einer
weitgehend unbekannten religiösen Minderheit befassen, die in den
Jahrhunderten nach der Reformation in Deutschland lebte: den
Muslimen. Es mag dazu eigenartig und seltsam klingen, dass
tatsächlich in den Jahrhunderten vor der Französischen Revolution
immer wieder Muslime im Alten Reich lebten. Was vor allem eine Folge
der kriegerischen Konflikte zwischen Kaiser und Sultan war, die auf
dem Balkan, in Ungarn und in Österreich im 15. und 16. Jahrhundert
immer wieder entbrannten – viele der Muslime gelangten dabei als
Kriegsgefangene nach Deutschland. Wobei auch der für Mitteleuropa
eigentlich fremde Begriff der Sklavenhaltung eine Rolle spielt.
Dabei muss man sich wohl lösen von
herkömmlichen Vorstellungen von Krieg, Kriegsgefangenen und deren
Behandlung, wenn man nach dem Vortrag von Dr. Markus Friedrich
verstehen will, wie kriegerische Handlungen und deren Folgen im
Mittelalter verliefen. Dr. Friedrich öffnete den Blick zurück und
ich war interessierter Zuhörer.
Nun weiß man zwar von zahlreichen
Kriegszügen osmanischer Aggressoren in den westeuropäischen Raum,
die sogar bis in die französische Normandie führten. Als Eroberer
waren die Osmanen aber vor allem an Beute interessiert, nicht an der
wirtschaftlichen Weiterentwicklung der von ihnen besetzten bzw.
eroberten Gebiete. Und es gelang den Aggressoren aus Kleinasien
bekanntlich, zeitweise halb Europa – von Polen bis Spanien und
Portugal – zu besetzen. Ganz abgesehen von Nordafrika. Bekannt ist
aber auch, dass diese Kriegszüge mit einer Brutalität und
Grausamkeit geführt wurden, die die bedrohten Menschen in Angst und
Schrecken versetzte. Dies galt aber wohl gleichermaßen für die
Heere des Kaisers und der Habsburger bei ihren Gegenzügen.
Nun weiß man zwar aus der
Geschichtskenntnis relativ viel über dieses kriegerische Geschehen
im Zeitraum 14. bis 17. Jahrhundert und über die Heerscharen der
osmanischen Sultane und jene des Kaisers und der Fürsten im Heiligen
römischen Reich deutscher Nation Man weiß aber kaum, das zu diesen
osmanischen Aggressoren – oder vielfach nur Plünderern – auch
Völker aus dem Südosten Europas – Rumänen, Ungarn, und Serben –
gehörten, Muslime also, die gegen das christliche Abendland zu Felde
zogen.
Nordhausens Stadtarchivar, Dr. Wolfram
Theilemann, viele Jahr im rumänischen Siebenbürgen mit
archivarischen Aufgaben befasst, war wohl die treibende Kraft zu
diesen Vortrag, der das Geschichtsbild um die Zeit nach Martin Luther
um das Thema Muslime in Deutschland erweiterte. Theilemann stellte
auch Dr. Markus Friedrich den Zuhörern vor, der dann in seinem
Vortrag eine häufig bis ins Detail gehende Vorstellung muslimischer
Menschen und Vorgänge jener Zeit vermittelte, die auf langen und
offenbar akribischen Studien beruhten.
Beginnend mit dem Schicksal eines in
Mecklenburg um 1693 lebenden Mannes deutschen Namens (Peter Clammers
), ergründete Friedrich dessen Herkunft und ehelichen Verhältnisse,
die er als Muslime ausmachte, die ursprünglich Ibrahim und Salah
hießen, als Gefangene ins Alte Reich kamen, um sich schließlich zu
trennen, weil Ibrahim konvertierte, während sich Salah dem
Christentum verschloss. Das Ende war ausgesprochen tragisch, für das
von Dr. Friedrich aufgezeigte Geschichtsbild aber aufschlussreich.
Ausgehend von diesem Einzelschicksal
öffnete der Vortragende den Blick der Zuhörer auf jene Zeit, die
also gekennzeichnet war von Kriegs- und Raubzügen aus dem
Osmanenreich und den Abwehrbemühungen vor allem österreichischer
und deutscher militärischer Einheiten. Man weiß aus der Geschichte
um wechselnde Erfolge und Rückschläge auf beiden Seiten und man
weiß um die dabei erlittenen Verluste an Menschen. Kaum etwas wusste
man allerdings von den Gefangenen, die auf beiden Seiten gemacht
wurden.
Dr. Friedrich widmete sich in seinen
Studien und nun in seinem Vortrag der Entwicklung und Verbreitung des
Islam zunächst im eigenen Land – ausgehend von Anatolien – und
danach im afrikanischen und südeuropäischen Raum. Anschaulich und
mit gebaemten Bildern untermauert schilderte er die
Auseinandersetzungen mit dem Christentum, das vom Römischen Reich
deutscher Nation mit Kaiser und Fürsten repräsentiert und
verteidigt wurde. Hier erwähnte Dr. Friedrich einen Vorgang, in dem
auch Nordhausen eine Rolle spielte. Als nämlich (1529) der Rat der
Stadt Erfurt an den der Stadt Nordhausen appellierte, die
Verteidigungskontingente mit Soldaten und Pferden zu unterstützen.
Mit mäßigem Erfolg, wie der Vortragende bemerkte. Dagegen spielte
eine „Türkensteuer“ eine Rolle, die auch Nordhausen nicht
verweigern konnte. Dr. Friedrich betonte in diesem Zusammenhang, dass
eben auch Thüringen von der muslimischen Bedrohung betroffen war,
obwohl es ja territorial abseits der Brennpunkte lag.
Und im Zuge der europaweiten
militärischen Aktionen kam nun Dr. Friedrich auf das Problem des
Machtstrebens, des Beutemachens und des Menschenraubes zu sprechen,
also den jeweils von den Kriegsparteien gemachten Gefangenen. Soweit
solche auf deutscher Seite gemacht wurden, kamen diese nicht etwa in
Lager um später nachhause entlassen zu werden, sie wurden als
lebende Beute einzelner Truppenführer und Soldaten ins Reich
deutscher Nation (Alte Reich) mitgenommen und im weiteren Verlauf
vielfach sklavenähnlich gehalten, soweit sich diese nicht loskaufen
konnten. Das Szenario, das Dr. Friedrich in diesem Zusammenhang
beschrieb und in den Jahren 1680 bis 1690 ihren Höhepunkt
erreichte, war geradezu abenteuerlich bis makaber. Es ging dabei
neben Loskäufen um regelrechte Sklavenhalterei, Handel mit diesen
Menschen, die man gelegentlich auch unteeinander Tauschte und
verschenkte. Die Zuhörer wurden mit zahlreichen Einzelbeispielen
bekannt gemacht, bei denen immer wieder Ibrahim und Salah Erwähnung
fanden. Wer sich nicht loskaufen konnte, den erwartete ein Leben, das
erst einmal ausgesprochen trist und trostloser gewesen sein soll als
das Leibeigener. Dr. Friedrich schilderte demgegenüber aber auch in
diesem Zusammenhang Wien zu damaliger Zeit quasi als Umschlageplatz
muslimischer Schicksale, die sich – wie er ausführte – räumlich,
menschlich, aber auch gesellschaftlich in jede Richtung entwickeln
konnten.
Wurden diese Muslime – es dürfte
sich insgesamt um einige tausend gehandelt haben - von der
Bevölkerung vielfach als Exoten angesehen, gestaltete sich das
Zusammenleben aus den verschiedensten Gründen – sprachliche,
soziale, kulturelle – äußerst schwierig, doch konnte sich deren
Lebenssituation dadurch bessern, dass sie sich im weiteren Verlauf
dem Christentum gegenüber aufgeschlossen zeigten und/oder gar
konvertierten. Ihre Herrschaft wertete einen solchen Übertritt als
persönlichen missionarischen Erfolg, der vielfach ausgiebig gefeiert
wurde. Dr. Friedrich widmete diesem Konversionsthema außerordentlich
breiten Raum, entschied sich damit doch vielfach das weitere
Schicksal der Gefangenen. Die ja mit der Taufe auch einen neuen Namen
und damit eine neue Lebensperspektive erhielten. Wenn also die
Konversion auf Überzeugung beruhte – was sehr genau geprüft wurde
- war das ein außerordentlicher Akt der Genugtuung für alle
Beteiligten. In der Folgezeit konnten es diese Konvertiten zu einer
gewissen kreativen handwerklichen Tätigkeit bringen – stets
allerdings unter der Regie ihrer Herrschaft. Andere verteidigten ihre
muslimische Überzeugung und trugen ihr Schicksal. Dr. Friedrich
wusste allerdings auch von Muslime, die darüber freiwillig aus dem
Leben schieden. Also vor allem jene, die sich dem Christentum
verweigerten und ihnen dadurch meist jede Verbesserung ihrer
Lebenssituation versagt blieb. Der Vortragende machte abschließend
deutlich, dass die allmählich zunehmende Bedeutung gerade
konvertierter Muslime sowohl das gesellschaftliche als auch
kulturelle Bild im Alten Reich bereicherte und vor allem die
getauften Muslime allmählich zum Gesellschaftsbild in Deutschland
gehörten.
Dem ebenso ausführlichen wie
anschaulichen Vortrag folgte eine Diskussion, die vor allem durch den
Beitrag des ehemaligen Nordhäuser Stadtarchivars, Dr. Peter
Kuhlbrodtdurchaus geeignet war, das von Dr. Markus Friedrich
geschilderte Geschehen in der Zeit vor allem nach der Zeit Luthers
und dem Leben der Muslime – getauften oder auch in ihrem Glauben
verbliebenen – abzurunden. Dr. Kuhlbrodt nämlich hatte einiges
beizutragen über das tatsächlich von Nordhausen gestellte
Kontingent an Soldaten und Pferden gegen die Aggressoren aus
Kleinasien. Dr. Friedrich nahm es mit großem Interesse zur Kenntnis.
Zur Verabschiedung überreichte ihm Birgit Adam, Leiterin der
Stadtinformation, eine Nachbildung des Glases, das einst Martin
Luther seinem Nordhäuser Freund Justus Jonas widmete.
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