„Stell' Dir vor, da wird eine
Ausstellung von elementarer Tragweite eröffnet und kaum jemand geht
hin“, könnte ich angesichts dieser, am Donnerstag im Bürgersaal
des Nordhäuser Rathauses eröffneten Wanderausstellung zu bedenken
geben, wenn ich hier für die Öffentlichkeit schreiben würde. Weil
ich das aber nicht tue, brauche ich für mich nur hoffen, dass sie
andernorts mehr Interesse findet. Sie ist es wert.
Es geht also um diese Wanderausstellung
anlässlich des 50 Jahrestages der Unterzeichnung des
Elysée-Vertrages, die ich schon gestern thematisierte, weil sie
anschaulich über geschichtliche, politische und persönliche
Umstände informiert, die schließlich im Jahre 1963 zu diesem
Vertrag führten. Und die sind ebenso umfangreich, wie sie
bedeutungsvoll für die damalige Zeit waren. Und es nach wie vor auch
heute unter fortgeschrittenen Bedingungen und Umständen sind.
Nordhausens Oberbürgermeister Dr.
Klaus Zeh, der die Ausstellung im Bürgersaal einführte und die
begleitenden Referenten zur Vernissage ( Bertrand Leveaux und Dr.
Corinna Franz) begrüßte, holte in seiner Grußwort-Ansprache weit
aus, als er ins Jahr 1810 zurückblickte – also in eine Zeit, die
in Frankreich noch von Napoleon Bonaparte geprägt war – und die
Schriftstellerin Germain Madame de Stael zitierte, ich schrieb
gestern schon darüber. Ihre Eindrücke und Erkenntnisse über
Deutschland und die Deutschen, die sie damals in ihrem Buch
d'Allemagne veröffentlichte, waren prägend und nachhaltig. Und
selbst in der Vorstellung Charles de Gaulle's waren trotz der
Erfahrungen der Kriege von 1870, 1914 und 1940 zwischen Deutschland
und Frankreich zumindest noch Reste davon vorhanden, wie Leveraux in
seinem Vortrag am Donnerstag bemerkte.
Nachdem also Dr. Zeh die Besucher der
Vernissage mit jenen Menschenbild der Deutschen und den Referenten
zum Themenkomplex bekannt gemacht hatte, sprach nach ihm zunächst
Bertrand Leveaux und versicherte eingangs seines Vortrags, dass es
ihm als Leiter des französischen Kulturbüros in Thüringen Anliegen
sei, mit dieser Wanderausstellung einem breiten Publikum
Vorstellungen von der Ausgangssituation und dem Verlauf der
Bestrebungen zu vermitteln, die 1963 nach zwei Jahrhunderten die
Erbfeindschaft zwischen Deutschland und Frankreich beendeten und zu
einer Aussöhnung sowohl in menschlicher, gesellschaftlicher als auch
politischer und wirtschaftlicher Hinsicht führten. Und dies
vertraglich mit dem Elysée-Vertrag besiegelten.
Leveaux sprach natürlich aus
französischer Sicht, beschrieb Leben und Wirken des 1890 in Lille
geborenen Charles de Gaulle während der beiden Weltkriege, die er in
unterschiedlichen Positionen und Wirkungsbereichen mitbestimmte, sein
Aufstieg zum Staatspräsidenten Frankreichs und spätestens als das
als einer der beiden Wegbereiter zur deutsch-französischen
Aussöhnung und Freundschaft. Sein Verdienst ist es, aus
französischer Sicht sehr bald nach Ende des zweiten Weltkriegs
erkannt zu haben, wie wichtig eine solche Aussöhnung ist. Nicht nur
zwischen den beiden Völkern, sondern als Basis einer europäischen
Gemeinschaft. Wobei de Gaulle ein Europa der Vaterländer vorschwebte
mit künftiger gegenseitiger Abstimmung. Leveaux erinnerte an den in
1962 erfolgten Besuch de Gaulles in Deutschland, seine Rede an die
deutsche Jugend und die persönliche Annäherung an Konrad Adenauer.
Der zunächst durchaus reserviert den Bestrebungen und der Person de
Gaulles begegnete. Und erst anlässlich eines Besuches Adenauers bei
Charles de Gaulle 1962 an dessen Wohnsitz Colombey-les-Deux-Églises gab Adenauer seine Vorbehalte auf.
Um
fortan gemeinsam mit dem französischen Staatspräsidenten das
Aussöhnungswerk voran zu bringen. Das dann im Januar 1963 zum
Elysée-Vertrag führte. Leveaux anerkannte in seinem Vortrag neben
den Bestrebungen de Gaulles ausdrücklich die Bemühungen Adenauers,
der nicht weniger die Tragweite einer europäischen Einigung
frühzeitig erkannte, sich aber erst einmal gegen teils massive
Widerstände im damaligen Bundestag durchsetzen musste. Dass zu
diesen Bremsern neben Kurt Schuhmacher auch Ludwig Erhardt gehörte,
sollte noch Auswirkungen im nachhinein haben, nachdem Erhardt
Bundeskanzler und damit Nachfolger Adenauers wurde. Die beharrlichen
Bestrebungen der beiden Initiatoren führten dann aber doch zum
angestrebten Ziel. Leveaux erwähnte in diesem Zusammenhang mit Jean
Monnet noch einen dritten französischen Politiker, der an diesem
Einigungswerk maßgeblichen Anteil hatte, vor allem in
wirtschaftlicher Hinsicht. Die Erläuterungen Leveaux's und seine
Hinweise auf die Infotafeln ließen das damalige Geschehen geradezu
lebendig werden. Dabei wies er aber auch darauf hin, dass die
deutsch-französische Freundschaft nie ein Selbstläufer gewesen ist,
sondern Ergebnis jahrelanger Annäherungs-Bemühungen. Die auch heute
noch beständiger Pflege bedürfen. Woran die im Laufe der Zeit
entstandenen, gegenwärtig 78 Städtepartnerschaften wesentlich
beteiligt sind. Bei dieser Gelegenheit erwähnte er jene in Thüringen
wirkenden Partnerschaften, die überwiegend schon zu DDR-Zeiten
gegründet wurden.(Dr. Zeh war schon zuvor auf diese Partnerschaften
eingegangen.) Schließlich umriss Leveaux noch Art und Weise der
heutigen Zusammenarbeit auf allen politischen, wirtschaftlichen und
gesellschaftlichen Ebenen, wobei u.a. der Jugendarbeit
(Jugendaustausch) zwischen beiden Ländern besondere Bedeutung
zukommt. Der Vortragende schloss mit einem Zitat Charles de Gaulles
aus dem Jahre 1962, nach dem es kein wie auch immer geartetes Europa
geben könne, wenn es nicht zuvor die Aussöhnung zwischen Frankreich
und Deutschland gibt. Die also den Weg bereitete zu der europäischen
Union, die wir heute erleben.
Während also Betrand Leveaux das
Aussöhnungswerk aus französischer Sicht schilderte, behandelte nach
ihm Dr. Corinna Franz diese Thematik aus Sicht Konrad Adenauers, denn
er war es, der auf deutscher Seite schon frühzeitig Notwendigkeit
und Bedeutung einer Versöhnung mit Frankreich erkannte und
anstrebte. Wobei es zunächst galt, das Misstrauen der Franzosen
gegenüber Deutschland nach den beiden Weltkriegen zu überwinden und
eine konstruktive Basis zu schaffen.
Auch Dr. Franz ging in ihrem Vortrag
erkennbar davon aus, dass man die gesellschaftlich – politische
Entwicklung nach 1945 im Westen in der DDR nur aus der Ferne
verfolgen konnte. Und der Name Konrad Adenauer in der DDR nicht
unbedingt einen guten Klang hatte. Nun wolle sie versuchen, ihren
Zuhörern die Person Konrad Adenauers mit seinen politischen
Intentionen geschichtlich näher zu bringen. Und erklärte zu ihrer
Kompetenz, dass die Stiftung Bundeskanzler Adenauer-Haus, deren
Geschäftsführerin sie sei, die Gedenkstätte des ersten
Bundeskanzlers der Bundesrepublik Deutschland ist, die das
Vermächtnis Adenauers wahrt. Dr. Franz umriss Zeit und Leben Konrad
Adenauers in einer Epoche, in der Deutschland noch von einem Kaiser
regiert wurde und es einen „Eisernen Kanzler“, nämlich Otto von
Bismarck, gab, der in Frankreich durch den Krieg 1870 in böser
Erinnerung existiert.
Das von Dr. Franz aufgezeigte
Lebensbild weist Konrad Adenauer schließlich als Mensch mit
vielseitigem Engagement – politisch, konfessionell und
gesellschaftlich - aus, der sich u.a. als Kölner Oberbürgermeister
nach dem ersten Weltkrieg außerordentlich große Verdienste erwarb.
Und in der Folgezeit politisch wechselvolle Erfahrungen machen
musste. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde Adenauer erneut
Oberbürgermeister von Köln und brachte gleichzeitig seine reichen
Erfahrungen in den Aufbau des Deutschland der Nachkriegszeit ein.
Nachdem er erkannt hatte, dass sein Engagement nötig ist. Und
intensivierte seine Bemühungen, nachdem er nach der Gründung der
Bundesrepublik zum ersten Bundeskanzler gewählt worden war. Sein
politischer Weitblick ließ ihn allerdings schon ausgangs der
vierziger Jahre erkennen, wie wichtig es sei, schnellstmöglich die
staatliche Ordnung in den westlich besetzten Zonen herzustellen, eine
unverbrüchliche Bindung an die freiheitliche Demokratie des Westens
zu erreichen und die Schaffung eines vereinten Europas anzustreben.
Dass ein Zusammenschluss der europäischen Staaten bleibenden Frieden
verheißt, Sicherheit und Wohlstand verspricht, stand für Adenauer
fest. Für die junge Bundesrepublik bedeutete das die Eintrittskarte
in die Staatengemeinschaft und die Aufnahme als gleichberechtigten
Staat unter gleichen. Die Einigung des Kontinents galt Adenauer nach
seinen gemachten bitteren Erfahrungen als moralische Verpflichtung
und politischer Auftrag. Auch Dr. Franz erläuterte leicht
nachvollziehbar, wie Adenauer diesen selbst gestellten Auftrag
systematisch und folgerichtig in die Tat umsetzte in dem Bestreben,
eine Einigung Europas herbeizuführen.
Dr. Corinna Franz zeichnete wie zuvor
Betrand Leveaux ein Bild der handelnden Politiker, der teilweise
äußerst schwierigen Überwindung politischer Ressentiments zwischen
Deutschland und Frankreich in den Jahren 1949 bis 1962, allerdings
nun aus Sicht Konrad Adenauers. Die es wert wäre, sehr viel
detaillierter wiedergegeben zu werden. Die Referentin erläuterte
die Entwicklung äußerst anschaulich und ließ den Geist dieses
Elysée-Vertrages wach werden. Ich versage es mir allerdings, weiter
ins Detail zu gehen, zumal die Informationstafeln dieser Ausstellung
den Weg zu diesem Aussöhnungswerk – wenn auch sehr nüchtern –
in einer Ausführlichkeit aufzeigen, für die hier zig Seiten nötig
wären. Falls es also Interessierte gibt, die auf meinen Blog stoßen,
seien die auf diese Ausstellung verwiesen, die im Nordhäuser
Bürgersaal des Rathauses bis zum 01. März besucht werden kann.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen