Pressemitteilungen der Deutschen Bischofskonferenz
28.01.2023
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Politisches Engagement der Pfingstkirchen im Globalen Süden
Online-Konferenz mit Kirchenvertretern aus Afrika, Lateinamerika und
Asien
Bischöfe
und Vertreterinnen und Vertreter katholischer Ortskirchen aus Afrika,
Lateinamerika und Asien haben sich am vergangenen Donnerstag und Freitag
(26.–27. Januar
2023) über das politische Engagement pentekostaler Gruppen im Globalen
Süden ausgetauscht. Die Tagung fand als Videokonferenz unter der Leitung
des Vorsitzenden der Kommission Weltkirche der Deutschen
Bischofskonferenz, Bischof Dr. Bertram Meier (Augsburg),
statt und wurde vom Institut für Weltkirche und Mission in Frankfurt am
Main organisiert.
Während
sich die klassische Pfingstbewegung durch ein weitgehend unpolitisches
Selbstverständnis auszeichnet, gab es von Seiten pentekostaler
Gemeinschaften in den zurückliegenden
Jahrzehnten – weltweit in sehr unterschiedlichen Formen – ein
zunehmendes Engagement in öffentlichen, gesellschaftlichen und
politischen Fragen.
Wenngleich
diese Entwicklung aus Sicht der Christlichen Soziallehre, die von einer
Weltverantwortung der Christen ausgeht, zunächst positiv zu bewerten
ist, korrespondiert
sie doch in einer Reihe von Ländern mit rechtsgerichteten,
antidemokratischen Strömungen, die häufig eine tiefe gesellschaftliche
Spaltung bedeuten. Vor allem die Haltung einiger pentekostaler Akteure
und sogenannter „Megachurches“ wirft Fragen auf, zumal
wenn politische Anführer die Religion mit Blick auf partikulare Ziele
instrumentalisieren oder eine aggressive Rhetorik zu einer Spaltung der
Gesellschaft beiträgt. Diese Phänomene werden nicht nur punktuell
beobachtet. Sie sind jedoch kein allgemeines Kennzeichen
des pentekostalen Christentums.
Welche
Bedeutung diesen Entwicklungen zukommt und welche theologischen
Vorstellungen ihnen zugrunde liegen, wurde in einem wissenschaftlichen
Projekt des Instituts für
Weltkirche und Mission über „Politischen Pentekostalismus“ erforscht,
das 2021 seinen Abschluss fand und dessen Ergebnisse im Verlauf der
Tagung vorgestellt wurden.
Weltweit
gehören 615 Millionen Menschen – das ist jeder vierte Christ – der
pentekostalen Tradition an, die in sich sehr vielfältig ist. Darauf wies
Bischof Meier zu
Beginn der Konferenz hin. Die dynamische Ausbreitung des pentekostalen
Christentums sei ein überraschendes Phänomen der vergangenen Jahrzehnte.
Es werfe viele Fragen, auch Anfragen an die traditionellen Kirchen auf.
Offenbar spreche im globalen Süden – anders
als in Europa – die pfingstkirchliche Spiritualität das religiöse
Empfinden vieler Menschen an.
Der
kommissarische Direktor des Instituts für Weltkirche und Mission, Pater
DDr. Markus Luber SJ, führte in die Ergebnisse des von der Deutschen
Bischofskonferenz unterstützten
Forschungsprojekts ein. Die drei Kontinente umfassende Studie wirft
Schlaglichter auf die Situation in Brasilien, auf den Philippinen und in
Nigeria. Eine allgemeine Aussage über das Ausmaß des politischen
pfingstkirchlichen Engagements in globaler Perspektive
könne, so Pater Luber, aufgrund der Studie nicht getroffen werden.
Jedoch lasse sich – trotz erheblicher regionaler Unterschiede –
feststellen, dass pentekostale Gläubige und Gemeinschaften mit Blick auf
die religiösen und politischen Transformationen in vielen
Regionen inzwischen zu bedeutenden Akteuren geworden seien.
Entgegen
der verbreiteten Auffassung, dass pentekostale Gruppen aufgrund ihres
Weltbildes per se autoritären und antidemokratischen Positionen
zuneigten, unterstrich
der Mitautor der Studie, Dr. Leandro Bedin Fontana, dass die
Untersuchung diese Vermutung nicht bestätige. Pfingstkirchliche
Theologie vertrete generell konservative moralische Positionen. Das
Spektrum des pfingstkirchlichen politischen Engagements erweise
sich jedoch als sehr breit. Es umfasse, wenngleich in geringerem Maße,
auch progressivere Prägungen.
Eine
zentrale Einsicht des Forschungsprojekts besteht darin, dass der
Politische Pentekostalismus angemessen nur verstanden werden kann, wenn
die damit verbundenen theologischen
Motive in die Erklärung einbezogen werden. Eine prominente Rolle spielt
die sogenannte „Herrschaftstheologie“ mit ihren Motiven der
„geistlichen Kriegsführung“ und die „Wohlstandstheologie“. Dabei gelte
es zu berücksichtigen, wie Pater Luber darlegte, dass
es sich nicht um eine theologisch umfänglich entfaltete Lehre handele. Die
„Herrschaftstheologie“ stellt die Welt als Schlachtfeld dar, auf dem
ein Kampf zwischen
Gut und Böse, zwischen Licht und Finsternis ausgetragen wird. Die
Gläubigen nehmen teil an diesem Kampf durch ihre kritische Haltung
gegenüber der Welt und durch ihr Gebet („warfare prayer“). Darüber
hinaus wird der Kampf gegen das Böse auch durch Heilungszeremonien
und Salbungszeremonien von Politikern inszeniert. Der
Aufführungscharakter, der solche Zeremonien prägt, vermittelt den
Gläubigen – im Unterschied zu einer rein verbalen Verkündigung – das
Gefühl, selbst Teil des Geschehens zu sein. Sie werden nicht nur auf
einer kognitiven Ebene angesprochen, sondern durch Mit-Erleben.
Als
Epizentren der neuen religiösen Entwicklung identifiziert das
Forschungsprojekt die „Megachurches“, die auf allen drei untersuchten
Kontinenten begegnen. Sie bilden
ein weltweites Netzwerk, dass von pastoralen Eliten getragen wird.
Damit wird eine weitere wesentliche Veränderung zum klassischen
Pentekostalismus sichtbar. Das Bild ist nicht mehr wie in den
Anfangszeiten der pentekostalen Bewegung vorrangig geprägt von
armen Gläubigen aus der Peripherie, die sich in Garagenkirchen
versammeln, sondern von gut ausgebildeten und wohlhabenden Angehörigen
der oberen Gesellschaftsschichten, die ihre Gottesdienste in
repräsentativen Gebäuden feiern. Aus diesen Kreisen rekrutieren
sich auch die politisch relevanten Akteure des Politischen
Pentekostalismus. Das Engagement erstreckt sich dabei nicht nur auf
direkte politische Betätigung, sondern zielt auch auf gesellschaftliche
Transformation durch Einflussnahme auf Bereiche wie Kultur,
Bildung, Sport, Kommunikation und Ökonomie.
In
der Konferenz wurde deutlich, dass es in der Beurteilung des
pfingstkirchlichen politischen Engagements durch die katholischen
Ortskirchen und hinsichtlich der Qualität
der ökumenischen Beziehungen ein breites Spektrum gibt. Die Reaktionen
reichen von Skepsis und Abgrenzung über eine geräuschlose Koexistenz bis
hin zu gutem ökumenischem Miteinander. Dabei ist zu beachten, dass die
pfingstkirchlichen Gemeinschaften aufgrund
ihrer stark dezentralen Organisationsform sehr heterogen sind. Diese
Uneinheitlichkeit erklärt nicht allein die verschiedenen inhaltlichen
Ausprägungen des öffentlichen Engagements, sondern auch die
divergierenden katholischen Reaktionen darauf.
Bischof
Meier dankte den Bischöfen und Kirchenvertretern für ihre Berichte, die
die Vielfalt und Differenziertheit des Phänomens und auch die
Herausforderung deutlich
gemacht hätten, vor denen die Ortskirchen stünden. Er zeigte sich
überzeugt, dass das Thema weiterhin eine große Herausforderung für die
katholische Kirche bleiben werde.
Hintergrund
Weltweit
werden Gemeinden mit pfingstkirchlicher Tradition (klassisch und
neo-pentekostal) ca. 615 Millionen Mitglieder zugerechnet. In
Deutschland vertritt der Bund
freikirchlicher Pfingstgemeinden rund 900 Gemeinden vor Ort mit 64.807
Mitgliedern (2022). Als Gastmitglied wirkt er in der Arbeitsgemeinschaft
Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK) mit. Auf vatikanischer und
auf ortskirchlicher Ebene gibt es in der katholischen
Kirche vielfältige ökumenische Beziehungen und einen theologischen
Dialog, der kritische Anfragen, etwa zu dem in Pfingstkirchen
gepredigten „Wohlstandsevangelium“, einem fundamentalistischen
Bibelverständnis und Proselytismus einschließt.
Die
Deutsche Bischofskonferenz beobachtet seit 30 Jahren die weltweite
Entwicklung des pentekostalen Christentums. Sie hat mehrere Studien zu
dem Thema in Auftrag gegeben
und zusammen mit den Ortskirchen internationale Konferenzen in Rom,
Abuja und Guatemala durchgeführt, in denen die pastorale Bedeutung der
Entwicklung für die katholische Kirche diskutiert wurde. Studien und
Konferenzberichte sind unter
www.dbk-shop.de verfügbar und können als Broschüre bestellt werden.
Die jüngste Literaturstudie über pentekostales politisches Engagement ist als „open access“-Publikation erschienen:
Leandro Fontana, Markus Luber SJ
[Eds.], Political Pentecostalism. Four Synoptic Surveys
from Asia, Africa and Latin America = Weltkirche und Mission, Bd. 17, Regensburg 2021:
PDF-Datei der Studie.
Die Deutsche Bischofskonferenz
ist
ein Zusammenschluss der katholischen Bischöfe aller (Erz-)Bistümer in
Deutschland. Derzeit gehören ihr 67 Mitglieder (Stand: Januar 2023) aus
den 27 deutschen (Erz-)Bistümern
an. Sie wurde eingerichtet zur Förderung gemeinsamer pastoraler
Aufgaben, zur Koordinierung der kirchlichen Arbeit, zum gemeinsamen
Erlass von Entscheidungen sowie zur Kontaktpflege zu anderen
Bischofskonferenzen. Oberstes Gremium der Deutschen Bischofskonferenz
ist die Vollversammlung aller Bischöfe, die regelmäßig im Frühjahr und
Herbst für mehrere Tage zusammentrifft.
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