Unter dem Vorsitz von Bundesfamilienministerin Christine Lambrecht und Johannes-Wilhelm Rörig, dem Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, kamen
gestern erneut über 40 staatliche und nicht-staatliche Spitzenakteure
zum Nationalen Rat gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen
zusammen. Anderthalb Jahre nach seiner konstituierenden Sitzung legt das
Forum nun eine „Gemeinsame Verständigung“ vor. Darin sind konkrete
Maßnahmen in fünf Themenkomplexen enthalten. Ziel ist es Schutz und
Hilfen bei sexualisierter Gewalt und Ausbeutung zu verbessern,
kindgerechte Gerichtsverfahren zu gewährleisten und die Forschung zum
Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt weiter
voranzubringen. Bundesfamilienministerin Christine Lambrecht: „Kindern
wird mit sexueller Gewalt unfassbares Leid angetan. Um sexueller Gewalt
entschieden entgegenzutreten, braucht es uns alle in der Gesellschaft. Gerade
deswegen ist der Nationale Rat so wichtig. In dem Forum vereinen alle
staatlichen Ebenen, Verantwortungsträger, Zivilgesellschaft, Fachpraxis,
Wissenschaft und Betroffene ihr Know-how und ihre Wirkungskraft.
Ergebnis ist unsere „Gemeinsame Verständigung“. Darin sind klare
Schritte für ein entschlosseneres Handeln zum Schutz von Kindern und
Jugendlichen enthalten. Konkret geht es beispielsweise darum,
gerichtliche Verfahren kindgerecht zu gestalten, damit Kinder und
Jugendliche so wenig wie nötig erneut belastet werden. Und es geht darum
Schutzkonzepte in Einrichtungen und auch digital konsequent zu
entwickeln und umzusetzen. Ich danke allen Mitgliedern des Nationalen
Rates für ihren starken Einsatz und ihr wertvolles Engagement. Jetzt
kommt es darauf an, dass die Umsetzung in der nächsten Legislatur
fortgeführt wird.“ Johannes-Wilhelm Rörig, Unabhängiger Beauftragter für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM): „Im
Dezember 2019 haben wir den Nationalen Rat einberufen, um eine
Verständigung auf konkrete Verbesserungen bei Prävention, Intervention,
Hilfen und Forschung zu erreichen. Diese Zielsetzung haben wir dank des
beeindruckenden Engagements aller Mitwirkenden erreicht. Die „Gemeinsame
Verständigung“ des Nationalen Rates zeigt uns aber auch, was noch alles
unternommen werden muss, um im Kampf gegen sexuellen Missbrauch künftig
erfolgreicher zu sein. Die „Gemeinsame Verständigung“ ist eine
hervorragende Basis für konsequenteres Handeln. Die künftige
Bundesregierung sollte den Nationalen Rat als ständigen ‘Think Tank‘, in
dem sich auch die Politik selbst verpflichtet, etablieren und stärken.“ Mit
Blick auf den ausufernden Anstieg von sexueller Gewalt gegen Kinder und
Jugendliche im Netz betonte Rörig, dass der nächste Deutsche Bundestag
und die nächste Bundesregierung zudem die Einsetzung einer starken
Enquete-Kommission zur Erarbeitung einer Grundsatzstrategie gegen
sexuelle Gewalt im Netz beschließen sollte, sowie eine gesetzlich
verankerte umfassende Berichtspflicht des Amtes einer/eines
Missbrauchsbeauftragten gegenüber Bundestag, Bundesregierung und
Bundesrat. Betroffenenrat beim Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs: „Für
den Betroffenenrat sind die Zwischenergebnisse des Nationalen Rates
eine wichtige Bestandsaufnahme und Bündelung von konkreten nächsten
Schritten. Über 35 Jahre ehrenamtliches und professionelles Engagement,
insbesondere in Fachberatungsstellen, aber auch die vergangenen elf
Jahre haben gezeigt, dass der Kampf gegen sexualisierte Gewalt und ihre
Folgen nur gelingen kann, wenn klare und kontinuierlich finanzierte
Rahmenbedingungen geschaffen werden. Im Mittelpunkt des Handelns müssen
zwingend die Beteiligung und die Bedarfe von Betroffenen stehen.
Notwendig sind der konsequente Ausbau von spezialisierten
Fachberatungsstellen, die umfassende Implementierung von Kinderrechten
sowie die inhaltliche Verankerung spezifischer Aspekte des Kinder- und
Jugendschutzes - in allen Bereichen der Gesellschaft. Alle Bundesländer
sind gefordert, spezielle Strukturen gegen sexualisierte Gewalt zu
schaffen. Unser gemeinsames Ziel ist die längst überfällige
gesamtgesellschaftliche Verantwortungsübernahme, denn alle Betroffenen
haben unabhängig vom Tatkontext das Recht auf Schutz und Aufarbeitung,
Unterstützung und Hilfen." Bundespräsident würdigt Nationalen Rat Eine
besondere Würdigung erhält der Nationale Rat heute durch
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Dieser hat
Bundesfamilienministerin Lambrecht und den Unabhängigen Beauftragten
Rörig gemeinsam mit Mitgliedern des Nationalen Rates, darunter auch
mitwirkende Betroffene, zu einem Gespräch ins Schloss Bellevue
eingeladen. Lambrecht und Rörig bewerten diese Würdigung als sehr
starkes Signal für Politik und Gesellschaft. Beide betonen: „Ein
erfolgreicher Kampf gegen sexuellen Missbrauch braucht das Interesse und
die Unterstützung der gesamten Gesellschaft, der gesamten Politik, auch
der politischen Spitzen unseres Landes.“ Kernpunkte der Gemeinsamen Verständigung im Überblick: 1. Weiterer Ausbau von Schutzkonzepten und deren konsequente Anwendung Schutzkonzepte
sind für Einrichtungen und Organisationen, die Kinder und Jugendliche
betreuen, zentral, um sie vor sexueller Gewalt zu schützen und
Aufdeckung von Gewalttaten zu fördern. Daher hat der Nationale Rat über
die Gelingensbedingungen (insbes. gute Rahmenbedingungen,
Qualifizierung, Partizipation und Vernetzung) beraten. Die Länder
bekräftigen diese Anstrengungen mit einem Beschluss zur Umsetzung von
Schutzkonzepten in Schulen. 2. Vernetzte Hilfen für Unterstützung von Betroffenen Die
Kompetenzen unterschiedlicher Berufsgruppen spielen bei Aufdeckung
sexualisierter Gewalt und zur wirksamen Hilfe eine wichtige Rolle. Die
Systeme der Kinder- und Jugendhilfe sowie des Gesundheitswesens und der
Sozialen Entschädigung müssen gut zusammenarbeiten und Kinder und
mögliche Gewaltkontexte mit geschultem Blick betrachten. Die verbesserte
Qualifizierung und Vernetzung dieser Akteure sollen dazu dienen,
Gefahren für Kinder schneller zu erkennen und entsprechend zu helfen. 3. Kindgerechte gerichtliche Verfahren qualifizieren Entscheidungen Der
Nationale Rat möchte die Rahmenbedingungen für Vernehmungen und
Anhörungen im familiengerichtlichen und im Strafverfahren verbessern.
Dazu wurden Praxishilfen für kindgerechte Verfahren entwickelt. Die
Länder bekräftigen diese Anstrengungen mit einem Beschluss zur besseren
Umsetzung der Videovernehmung. 4. Schutz vor Ausbeutung und internationale Kooperation Der
Nationale Rat verfolgt das Ziel, die Identifizierung von minderjährigen
Betroffenen des Menschenhandels strukturell zu befördern. Außerdem
sollen spezifische Hilfen, wie bedarfsgerechte Unterbringungsangebote,
verbessert und die Zusammenarbeit von Fachkräften gestärkt werden. Die
neue Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz soll mit dem
Nationalen Rat Schutzkonzepte für den digitalen Raum erarbeiten, um
Kinder und Jugendliche besser vor sexueller Ausbeutung zu schützen. Zur
organisierten und rituellen Gewalt sollen Maßnahmen zur Aufklärung und
Sensibilisierung vorangebracht werden. 5. Leitlinien für die Konzeption von Häufigkeitsforschung zu (sexueller) Gewalt Der
Nationale Rat hat den Bedarf für eine verbesserte Datengrundlage zu
Ausmaß und Erscheinungsformen sexueller Gewalt gegen Kinder und
Jugendliche identifiziert und sich auf konkrete Leitlinien für die
Konzeption von Häufigkeitsforschung verständigt. Sie sollen helfen, mehr
Wissen über sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche zu generieren.
Das ist die Grundlage guter politischer Entscheidungen. Über den Nationalen Rat Dem
Nationalen Rat gehören Vertreterinnen und Vertreter aus Politik und
Wissenschaft, Betroffene sowie Verantwortliche aus der Zivilgesellschaft
und der Fachpraxis an. Das Gremium auf Spitzenebene und fünf
thematische Arbeitsgruppen umfassen insgesamt etwa 300 Mitwirkende. Sie
alle wollen das bestehende Ausmaß an sexueller Gewalt gegen Kinder und
Jugendliche nicht hinnehmen und haben sich zum gemeinsamen Ziel gesetzt,
sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche und deren Folgen
dauerhaft entgegenzuwirken. Seit der Konstituierung des Nationalen Rates
am 2. Dezember 2019 durch das Bundesfamilienministerium und den
Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs hat
der Nationale Rat in fünf thematischen Arbeitsgruppen getagt: Schutz,
Hilfen, Kindgerechte Justiz, Schutz vor Ausbeutung und internationale
Kooperation sowie Forschung und Wissenschaft. Weitere Informationen unter: www.nationaler-rat.de Die „Gemeinsame Verständigung“ des Nationalen Rates finden Sie unter: www.nationaler-rat.de/Ergebnisse.de www.bmfsfj.de www.beauftragter-missbrauch.de |
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