Am
vergangenen Sonntag (23.04.) fand in der Nordhäuser St.
Blasii-Kirche mit der Uraufführung des Luther-Musicals „Hier stehe
ich. Ich kann nicht anders“ ein erster großer Beitrag des Theaters
Nordhausen zum Lutherjubiläum statt, Was ich als Besucher dieser
Aufführung zu sehen und zu hören bekam, führte zu der eingangs
erwähnten Überlegung. Eine hervorragende Aufführung, wie ich fand.
Umso mehr, angesichts der Tatsache, dass Intendant Daniel Klayner für
dieses Projekt in Zusammenarbeit mit zwei Pfarrern, dem Landrat,
einem Kantor, der Nordhäuser Kantorei, vielen jungen
Theatertreibenden und Laien ein
sowohl geschichtlich als auch theatralisch homogenes
Theaterstück imAltarraum von St. Blasii zur Aufführung brachte. Und
das gelang sichtlich auch deshalb
ausgezeichnet , weil die
Laienspieler an ihrer Seite die Profis wußten: Schauspieler, Sänger,
Tänzer und natürlich die Musiker des Loh-Orchesters Sondershausen.
Eine herausragende Leistung Klayners, der das Stück komponierte und
auch die musikalische Leitung hat. Ich bin tief beeindruckt von dem,
was da als Gesamtleistung geboten wurde.
Die eingangs gestellte Frage wird man
natürlich erst am Ende
dieses Jahres beantworten können, hat das
Lutherjahr mit seinen vielen kleineren und größeren Veranstaltungen
doch erst wirklich begonnen. Vorerst aber bin ich schon mal sicher,
dass noch nie so erfolgreich ein „Kirchenasyl“ geboten wurde, wie
es hier von St. Blasii dem Theater Nordhausen geboten, und von
diesem für das Luther-Musical in Anspruch genommen wird. Klayner
dankte denn auch schon mal im Programmflyer den Verantwortlichen von
St. Blasii für dieses Entgegenkommen.
Was ich also am vergangenen Sonntag in
St. Blasii erlebte, entwickelte sich zu einer religiös- oder auch
kirchen-historischen Demonstration eines voll überzeugenden Martin
Luther (Thomas Kohl) in seiner wohl dramatischsten Lebensphase,
nämlich dem Wandel von einem papsttreuen Mönch und
Theologieprofessor zu einem „Mann Gottes, der seine damalige Welt
in Frage stellte, der sie umformte, das Leben als Ganzes begriff, und
dessen Wirken und Werke massiv nachwirken ließ.“ Diese Definition
Klayners im Flyer setzt Kohl als Martin Luther mit gehörigen,
beeindruckenden Gewissenszweifeln in überzeugender Weise um. Damit
aber begann auch seine Entwicklung zum Kirchenreformator.
Eigene
negative Erfahrungen mit den kirchlichen Gnadenmitteln bewirkten bei
Luther neben wachsender Kritik an kirchlichen Missständen vor allem
eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit der mittelalterlichen
Theologie. Der Ablasshandel – für den gern der
Dominikanerpater Johann Tetzel (Marian Kalus) mit dem Spruch:
„Wenn
das Geld im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt“,
zitiert wird, war
für ihn nur der äußere Anlass, eine grundlegende Reform der ganzen
Kirche „an Haupt und Gliedern“ zu fordern. Dabei griff er den
Papst noch
nicht direkt an, sah dessen Aufgabe aber in der Fürbitte
für alle Gläubigen. Für die breitere Bevölkerung verfasste er
1518 das in einfacher, verständlicher Weise abgefasste Traktat von
dem Ablass und der Gnade.nachhaltigem Bruch, der mit der Verhängung des Kirchenbannes und der Reichsacht im Jahre 1521 seinen Abschluss fand. Um Luthers Leben zu schützen, veranlasste Kurfürst Friedrich einen vorgetäuschten Überfall und ließ ihn auf die Wartburg bringen. Dort lebte Luther als Junker Jörg fast ein Jahr Das Hinzukommen Melanchtons (Andreas Schwarze) und dessen Anregung zur Bibel-Übersetzung bestimmte den weiteren Weg Luthers. Tatsächlich übersetzte er dort das Neue
Testament in die deutsche Sprache.
Was danach folgt, entwickelt sich zum
Affront gegenüber der als korrupt empfundenen katholischen Kirche,
führte zum endgültigen Bruch mit ihr und zu deren Spaltung. Die
öffentliche Kritik am Ablassmissbrauch im Jahre 1517 und die 95 Thesen, die Luther an die Tür der Wittenberger Schlosskirche
nagelte, fanden großen öffentlichen Widerhall, der schließlich die
Reformation auslöste.
Es ist – wie erwähnt – die
entscheidenste Zeit- und Lebensphase Luthers. Mit
der Übersetzung des Neuen Testamentes ins Deutsche erwarb sich
Luther bleibenden Ruhm um die Einigung der deutschen Sprache. Etwa 70
Millionen Gläubige auf allen fünf Kontinenten zählen sich heute
zur lutherischen Kirchen. Daniel Klayner erklärt im
Programm-Flyer: „Da mir wichtig war, das Leben Luthers
chronologisch zu erzählen, entstand zunächst eine Aneinanderreihung
von
Lebenssituationen, die zwar seine Biographie in ihrer
Einzigartigkeit zeigen, aber noch lange nicht die dramaturgische
Stringenz besitzen, um den Anforderungen an ein Musical gerecht zu
werden. So habe ich mir auch die Freiheit genommen, mit Papst Leo X.
eine durchgehende weibliche Frauenfigur (Anja Eisner) als Antipoden
zu Luther zu erfinden . Das Stück endet versöhnlich und bejahend,
obwohl Luther in seiner sozialen und religiösen Grundhaltung
Andersdenkender gegenüber unnachgiebig blieb.
Den
sichtbarsten Bruch im persönlichen Leben mit dem Mönchsdasein hatte
Luther allerdings mit seiner Hochzeit mit der ehemaligen Nonne
Katharina von Bora (Anja Daniela Wagner) im Juni 1525 vollzogen,mit
der er sechs Kinder hatte. Somit war die Keimzelle des evangelischen
Pfarrhauses geboren. Nach dem von Luther abgelehnten Bauernaufstand
1525 förderte der Reformator mit Visitationen und Kirchenordnungen
die Herausbildung evangelischer Landeskirchen.
Hier
schließlich räume ich ein, dass mich der inhaltliche Verlauf
dieser Aufführung, gerade weil ich sie einschließlich seiner
musikalischen Begleitung hervorragend fand, zu der Einsicht brachte,
dass ich doch beträchtliche Wissenslücken in Bezug auf Martin
Luther, die Reformation und dem Protestantismus habe. Und von der
Handlung angeregt wurde, diese Lücken zu schließen. Das
beeinflusste allerdings etwas meine Konzentration auf deren Verlauf.
Die Lücken aber kann ich immerhin mit neuerer Literatur über die
Zeit Luthers schließen. Und aktualisieren.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen