Montag, 1. Mai 2017

War es schon „der“ Höhepunkt im Lutherjahr?

Am vergangenen Sonntag (23.04.) fand in der Nordhäuser St. Blasii-Kirche mit der Uraufführung des Luther-Musicals „Hier stehe ich. Ich kann nicht anders“ ein erster großer Beitrag des Theaters Nordhausen zum Lutherjubiläum statt, Was ich als Besucher dieser Aufführung zu sehen und zu hören bekam, führte zu der eingangs erwähnten Überlegung. Eine hervorragende Aufführung, wie ich fand. Umso mehr, angesichts der Tatsache, dass Intendant Daniel Klayner für dieses Projekt in Zusammenarbeit mit zwei Pfarrern, dem Landrat, einem Kantor, der Nordhäuser Kantorei, vielen jungen Theatertreibenden und Laien ein sowohl geschichtlich als auch theatralisch homogenes Theaterstück imAltarraum von St. Blasii zur Aufführung brachte. Und das gelang sichtlich auch deshalb
ausgezeichnet , weil die Laienspieler an ihrer Seite die Profis wußten: Schauspieler, Sänger, Tänzer und natürlich die Musiker des Loh-Orchesters Sondershausen. Eine herausragende Leistung Klayners, der das Stück komponierte und auch die musikalische Leitung hat. Ich bin tief beeindruckt von dem, was da als Gesamtleistung geboten wurde.

Die eingangs gestellte Frage wird man natürlich erst am Ende
dieses Jahres beantworten können, hat das Lutherjahr mit seinen vielen kleineren und größeren Veranstaltungen doch erst wirklich begonnen. Vorerst aber bin ich schon mal sicher, dass noch nie so erfolgreich ein „Kirchenasyl“ geboten wurde, wie es hier von St. Blasii dem Theater Nordhausen geboten, und von diesem für das Luther-Musical in Anspruch genommen wird. Klayner dankte denn auch schon mal im Programmflyer den Verantwortlichen von St. Blasii für dieses Entgegenkommen.

Was ich also am vergangenen Sonntag in St. Blasii erlebte, entwickelte sich zu einer religiös- oder auch kirchen-historischen Demonstration eines voll überzeugenden Martin Luther (Thomas Kohl) in seiner wohl dramatischsten Lebensphase, nämlich dem Wandel von einem papsttreuen Mönch und Theologieprofessor zu einem „Mann Gottes, der seine damalige Welt in Frage stellte, der sie umformte, das Leben als Ganzes begriff, und dessen Wirken und Werke massiv nachwirken ließ.“ Diese Definition Klayners im Flyer setzt Kohl als Martin Luther mit gehörigen, beeindruckenden Gewissenszweifeln in überzeugender Weise um. Damit aber begann auch seine Entwicklung zum Kirchenreformator.

Eigene negative Erfahrungen mit den kirchlichen Gnadenmitteln bewirkten bei Luther neben wachsender Kritik an kirchlichen Missständen vor allem eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit der mittelalterlichen Theologie. Der Ablasshandel – für den gern der Dominikanerpater Johann Tetzel (Marian Kalus) mit dem Spruch: „Wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt“, zitiert wird, war für ihn nur der äußere Anlass, eine grundlegende Reform der ganzen Kirche „an Haupt und Gliedern“ zu fordern. Dabei griff er den Papst noch
nicht direkt an, sah dessen Aufgabe aber in der Fürbitte für alle Gläubigen. Für die breitere Bevölkerung verfasste er 1518 das in einfacher, verständlicher Weise abgefasste Traktat von dem Ablass und der Gnade.

Die öffentliche Kritik am Ablassmissbrauch im Jahre 1517 führte allerdings statt zum erhofften, klärenden Gespräch mit dem hohen Klerus zur Eröffnung des Ketzerprozesses und zum
nachhaltigem Bruch, der mit der Verhängung des Kirchenbannes und der Reichsacht im Jahre 1521 seinen Abschluss fand. Um Luthers Leben zu schützen, veranlasste Kurfürst Friedrich einen vorgetäuschten Überfall und ließ ihn auf die Wartburg bringen. Dort lebte Luther als Junker Jörg fast ein Jahr Das Hinzukommen Melanchtons (Andreas Schwarze) und dessen Anregung zur Bibel-Übersetzung bestimmte den weiteren Weg Luthers. Tatsächlich übersetzte er dort das Neue
Testament in die deutsche Sprache.
Was danach folgt, entwickelt sich zum Affront gegenüber der als korrupt empfundenen katholischen Kirche, führte zum endgültigen Bruch mit ihr und zu deren Spaltung. Die öffentliche Kritik am Ablassmissbrauch im Jahre 1517 und die 95 Thesen, die Luther an die Tür der Wittenberger Schlosskirche nagelte, fanden großen öffentlichen Widerhall, der schließlich die Reformation auslöste.

Es ist – wie erwähnt – die entscheidenste Zeit- und Lebensphase Luthers. Mit der Übersetzung des Neuen Testamentes ins Deutsche erwarb sich Luther bleibenden Ruhm um die Einigung der deutschen Sprache. Etwa 70 Millionen Gläubige auf allen fünf Kontinenten zählen sich heute zur lutherischen Kirchen. Daniel Klayner erklärt im Programm-Flyer: „Da mir wichtig war, das Leben Luthers chronologisch zu erzählen, entstand zunächst eine Aneinanderreihung von
Lebenssituationen, die zwar seine Biographie in ihrer Einzigartigkeit zeigen, aber noch lange nicht die dramaturgische Stringenz besitzen, um den Anforderungen an ein Musical gerecht zu werden. So habe ich mir auch die Freiheit genommen, mit Papst Leo X. eine durchgehende weibliche Frauenfigur (Anja Eisner) als Antipoden zu Luther zu erfinden . Das Stück endet versöhnlich und bejahend, obwohl Luther in seiner sozialen und religiösen Grundhaltung Andersdenkender gegenüber unnachgiebig blieb.

Den sichtbarsten Bruch im persönlichen Leben mit dem Mönchsdasein hatte Luther allerdings mit seiner Hochzeit mit der ehemaligen Nonne Katharina von Bora (Anja Daniela Wagner) im Juni 1525 vollzogen,mit der er sechs Kinder hatte. Somit war die Keimzelle des evangelischen Pfarrhauses geboren. Nach dem von Luther abgelehnten Bauernaufstand 1525 förderte der Reformator mit Visitationen und Kirchenordnungen die Herausbildung evangelischer Landeskirchen.

Hier schließlich räume ich ein, dass mich der inhaltliche Verlauf dieser Aufführung, gerade weil ich sie einschließlich seiner musikalischen Begleitung hervorragend fand, zu der Einsicht brachte, dass ich doch beträchtliche Wissenslücken in Bezug auf Martin Luther, die Reformation und dem Protestantismus habe. Und von der Handlung angeregt wurde, diese Lücken zu schließen. Das beeinflusste allerdings etwas meine Konzentration auf deren Verlauf. Die Lücken aber kann ich immerhin mit neuerer Literatur über die Zeit Luthers schließen. Und aktualisieren.


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