Dienstag, 26. Dezember 2017

Wo nur sind die Zeiten der „Fakten, Fakten, Fakten“ geblieben

In meinem voraufgegangenen Eintrag zur Krise der Medien beschäftigte mich – wieder einmal – die Broschüre des Süddeutschen Verlages (Vandenhoeck & Ruprecht) zur Zukunft des Journalismus in Zeiten des damals einziehenden Internets. Heribert Prantl (Süddeutsche Zeitung) hatte damals in einem Geleitwort geschrieben: „Journalismus verändert seinen Aggregatzustand, aber er löst sich nicht auf. Er muss die digitale Welt nicht fürchten, im Gegenteil. Denn guter Journalismus geht immer in die Tiefe.“

Das ist nun ein gutes Jahrzehnt her. Nachdem sich die Medien – und es geht vornehmlich um die tagesaktuellen – mit dem Internet mehr oder auch weniger gut arragierten, erschlossen sie sich diese neue Informations-Plattform sogar mit ihren zunächst kostenlosen Newslettern. Und schafften sich damit selbst eine Konkurrenz. Aktuell bieten Verlage noch in eingeschränktem Maße kostenlos Newsletter an, während sie die wichtiger scheinenden Informationen zwar anklingen lassen, ihren Gesamtinhalt aber nur gegen Bezahlung offerieren.

Was nun den von Heribert Prantl behaupteten „in die Tiefe“ gehenden guten Journalismus betrifft, entging dem kritischen Leser nicht, dass dieser allmählich an Tiefe verlor zugunsten zunehmender Schnelligkeit des Informationsflusses und dem Streben nach guten Quoten, Auflagen und Klickzahlen (Sonia Seymour Mikich).

Und nun kann ich mich – wieder – der jüngsten Ausgabe des „Cicero“ zuwenden, in dem sich Michael Haller (emeritierter Professor für Journalistik an der Universität Leipzig), sehr ausführlich mit dem derzeitigen Erscheinungsbild der Medien befasst: Da heißt es einführend (Auszug): Spätestens seit der Berichterstattung über die sogenannte Flüchtlingskrise stellt sich die Frage, ob der Journalismus in Deutschland seinen Aufgaben gerecht wird. Dabei sollte klar sein: Wenn Nachrichten zu moralischen Durchhalteparolen werden, stärkt das vor allem die politischen Ränder.“(Ende des Auszugs).
Ich muss hier nicht noch einmal darauf eingehen, was Haller über die Aufgabe der tagesaktuellen Medien sagt (siehe meinen Eintrag von 24.12.)
Fairerweise stellt Haller aber auch fest (weiterer Auszug): „Um Missverständnissen zuvorzukommen: Wir haben in Deutschland exzellente Journalisten, die auch im internationalen Vergleich herausragend sind.“ (Ende des Auszugs). Und er nennt Beispiele. Das wird sicher auch niemand ernstlich bezweifeln, Nur: ist die Elite der Journalisten so zusammengeschmolzen, dass man sie einzeln aufzählen kann? Und wo findet man sie? In den tagesaktuellen Medien? In Wochen- oder Sonntagszeitungen? Oder den Newslettern?
Ich gehöre heute und in meinem Alter jedenfalls zu den zwei Dritteln aller Erwachsenen, die sich nach Haller von den Medien „umfassende Informationen“, also nicht nur einseitige Berichte, sondern auch Nachrichten über abweichende Positionen und Akteure wünschen. Rund drei Viertel fordern die Trennung von Tatsachen und Meinung, knapp drei Viertel wollen, dass aus neutraler Sicht, also frei von Parteilichkeit berichtet wird, gut die Hälfte erwartet Kritik und Kontrolle. Und wenn sich die Newsjournalisten daran halten, werden sie von ihrem Publikum sicher auch mit der Qualitätsmarke „glaubwürdig“ belohnt. Diese Marke stehe ich jedenfalls den Nachrichten-Magazinen „Tichys Einblick“ und „Cicero“ zu, die ich mir jeden Monat etwas kosten lasse.

Das Resumee? Dem Haller-Bericht in „Cicero“ folgt ein sehr viel älterer von G.K.Chesterton: ein mehr als 100 Jahre altes Pamphlet zur Misere der Medien, aktuell allerdings wie nie: „Das Hauptmerkmal des „neuen Journalismus“ besteht schlicht darin, dass er schlechter Journalismus ist. Als die formloseste, nachlässigste und farbloseste Art von Arbeit, die heutzutage getan wird, entzieht er sich jedem Vergleich. Schlimmer kann es kaum noch kommen, wie ich meine. 

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