2010
erschien im Verlag Vandenhoeck & Ruprecht eine Broschüre mit dem
Titel: „Wozu noch Journalismus?“ Damals ging es um Überlegungen,
wie das Internet den Beruf des Journalisten verändert. Eine ganze
Anzahl von JournalistInnen äußerten sich in der Broschüre zu dem
Thema zwar recht unterschiedlich, aber im Ergebnis doch recht
zuversichtlich über die veränderten Rahmenbedingungen. Heribert
Prantl (Süddeutsche Zeitung) äußerte in einen Geleitwort:
„Journalismus verändert seinen Aggregatzustand, aber er löst sich
nicht auf. Er muss die digitale Welt nicht fürchten, im Gegenteil.
Denn guter Journalismus geht immer in die Tiefe.“
Ich
zitierte damals wiederholt in einigen Einträgen die Chefredakteurin
des WDR, Sonia Seymour Mikich, die sich in besagter Broschüre zum
seinerzeitigen Stand des Journalismus wie folgt äußerte (Auszug): „
Die Untergangsstimmung im Printbereich, die wohl Motor dieser
SZ-Selbsfindungsreihe ist, erzeugt ein Echo in den Nischen des
politischen Fernsehjournalismus, mag unsereins – noch – nicht um
Geschäftsmodelle bangen müssen. Seien wir doch ehrlich,
Journalisten stehen nicht mehr oben auf der Hit-Liste geschätzter
und vorbildhafter Zeitgenossen. Außerhalb des Medien-Biotops,
nämlich in der Wirklichkeit, ist der Blick auf unseren Berufsstand
eher unfreundlich und es wird nicht feinfühlig unterschieden
zwischen den Genres. Wir alle sind >die Medien<. Betrüblich
aber wahr: Die Mitmenschen unterstellen, wir seien allesamt nur noch
getrieben von guten Quoten, Auflagen, Klickzahlen. Dass wir Fehler
schönreden, gern hart austeilen, aber ein gläsernes Kinn haben,
wenn es um Kritik an uns selber geht. Dass wir Weltmeister im Ätzen
und Besserwissen sind. Ob Print, Radio, Fernsehen oder Online: Viele
Nutzer bekriteln – nicht grundlos – den Mangel an Tiefgang, an
Persönlichkeiten, an Meinungsfreude. Sie erleben Intellektuelles
Versagen beim Deuten großer Zusammenhänge und geringe Lust am
Einmischen. Und merken an, dass Feuerwehrleute , Lehrer, Briefträger
oder Ärzte höhere Vertrauenswerte vorweisen können als >die
Journalisten<. Nebenbei: Jeder telegene Kleiderständer, jedes
Model darf sich inzwischen Moderatorin nennen, jeder Handyschwenker
Reporter. Das kann nicht gut sein für das Ansehen der Branche.“
(Ende des Auszugs).
In der
Folgezeit arrangierte sich der Journalismus immerhin mehr oder auch
weniger mit dem Internet, der Flut der Nachrichten aus Deutschland
und allen Teilen der Welt und versuchte, so gut wie nach den
Umständen möglich seiner Aufgabe gerecht zu werden. Wobei sich die
Medien – ob Print, Fernsehen oder auch digital – in ihrer
Berichterstattung und Zuverlässigkeit nicht viel unterschieden, wie
ich meine.
Und dann
kam im September die Bundestagswahl und die Jamaika-Verhandlungen,
mit denen in den Medien eine wesentliche Veränderung eintrat.
Darüber liest man in „Cicero“ (Auszug): „ Die tagesaktuellen
Medien sind dazu da, uns über das Geschehen ins Bild zu setzen,
Nicht über die Vorurteile der Journalisten, sondern über das, was
sich in der Welt ereignet hat, soweit es für uns, die Bürger dieser
Gesellschaft, wissenswert ist. Das ist so trivial, dass ich mir blöd
vorkomme, dies zu erwähnen. Und doch muss man diese simple Funktion
der Informationsmedien ins Gedächtnis rufen, denn viele Journalisten
scheinen sie vergessen zu haben.“(Ende des Auszugs). Der Autor
(Michael Haller) erläutert diese
Feststellung
vornehmlich mit den Ereignissen ab der zweiten Novemberhälfte im
politischen Berlin und argumentiert im weiteren Verlauf (weiterer
Auszug): „Wie die DSDS-Jury des Dieter Bohlen, so fallen
Nachrichtenmacher frei von Sachkenntnis ihre Urteile: Lindner der
böse Bube, Merkel die verzagte Versagerin, Schulz der Naivling,
Göring-Eckardt die (klammheimliche) Siegerin, Seehofer der Zombie.
Man mag solche Rollenzuschreibungen witzig finden – dem
Politikverständnis dienen sie nicht, weil den Bürgern die
Informationen fehlen. Welche Positionen blieben wo genau bei wem
strittig? Welche Unterhändler haben den Kompromiss gesucht, wer
wurde wann wortbrüchig, wer blieb stur? 20 Stunden nach dem
Jamaika-Ende kommentiert ein „Spiegel“-Journalist: „Woran es
wirklich lag, wer die Verantwortung für das Scheitern trägt,
darüber kann und muss geredet werden.“ (Ende des Auszugs).
Und last
but not least als weiteres Beispiel: die Glyphosat-Debatte, über die
man bei Meedia Anfang des Monats las (Auszug): „Aber
wie helfen mir die Medien eigentlich dabei, mir eine Meinung über
das Zeug zu bilden? Da ist zum Beispiel ein Twitter-Filmchen der
“Tagesschau”-Redaktion, das den “Unkrautkiller” (!) Glyphosat
in den schrecklichsten Farben ausmalt, “vernichtet alles Grün und
den Lebensraum von Tieren”, heißt es da. “Belastet die Gewässer”
und kommt vor in Bier, Urin und Wasser. Das Ganze unterlegt mit
bedrohlicher Wummer-Musik.“ (Ende des Auszugs).
Ohne
weitere Beispiele anzuführen – deren es fast beliebig viele gibt –
zitiere ich noch einmal „Cicero“, wo es schließlich heißt:
„Die
Leser und Zuschauer erwarten
journalistisches
Handwerk. Doch statt
Recherchen
wurden Prophetien feilgeboten
die dem Realitätsbegriff der Kaffeesatzleser folgen.“
die dem Realitätsbegriff der Kaffeesatzleser folgen.“
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen