Samstag, 23. Dezember 2017

Medien in der Krise!?

2010 erschien im Verlag Vandenhoeck & Ruprecht eine Broschüre mit dem Titel: „Wozu noch Journalismus?“ Damals ging es um Überlegungen, wie das Internet den Beruf des Journalisten verändert. Eine ganze Anzahl von JournalistInnen äußerten sich in der Broschüre zu dem Thema zwar recht unterschiedlich, aber im Ergebnis doch recht zuversichtlich über die veränderten Rahmenbedingungen. Heribert Prantl (Süddeutsche Zeitung) äußerte in einen Geleitwort: „Journalismus verändert seinen Aggregatzustand, aber er löst sich nicht auf. Er muss die digitale Welt nicht fürchten, im Gegenteil. Denn guter Journalismus geht immer in die Tiefe.“

Ich zitierte damals wiederholt in einigen Einträgen die Chefredakteurin des WDR, Sonia Seymour Mikich, die sich in besagter Broschüre zum seinerzeitigen Stand des Journalismus wie folgt äußerte (Auszug): „ Die Untergangsstimmung im Printbereich, die wohl Motor dieser SZ-Selbsfindungsreihe ist, erzeugt ein Echo in den Nischen des politischen Fernsehjournalismus, mag unsereins – noch – nicht um Geschäftsmodelle bangen müssen. Seien wir doch ehrlich, Journalisten stehen nicht mehr oben auf der Hit-Liste geschätzter und vorbildhafter Zeitgenossen. Außerhalb des Medien-Biotops, nämlich in der Wirklichkeit, ist der Blick auf unseren Berufsstand eher unfreundlich und es wird nicht feinfühlig unterschieden zwischen den Genres. Wir alle sind >die Medien<. Betrüblich aber wahr: Die Mitmenschen unterstellen, wir seien allesamt nur noch getrieben von guten Quoten, Auflagen, Klickzahlen. Dass wir Fehler schönreden, gern hart austeilen, aber ein gläsernes Kinn haben, wenn es um Kritik an uns selber geht. Dass wir Weltmeister im Ätzen und Besserwissen sind. Ob Print, Radio, Fernsehen oder Online: Viele Nutzer bekriteln – nicht grundlos – den Mangel an Tiefgang, an Persönlichkeiten, an Meinungsfreude. Sie erleben Intellektuelles Versagen beim Deuten großer Zusammenhänge und geringe Lust am Einmischen. Und merken an, dass Feuerwehrleute , Lehrer, Briefträger oder Ärzte höhere Vertrauenswerte vorweisen können als >die Journalisten<. Nebenbei: Jeder telegene Kleiderständer, jedes Model darf sich inzwischen Moderatorin nennen, jeder Handyschwenker Reporter. Das kann nicht gut sein für das Ansehen der Branche.“ (Ende des Auszugs).

In der Folgezeit arrangierte sich der Journalismus immerhin mehr oder auch weniger mit dem Internet, der Flut der Nachrichten aus Deutschland und allen Teilen der Welt und versuchte, so gut wie nach den Umständen möglich seiner Aufgabe gerecht zu werden. Wobei sich die Medien – ob Print, Fernsehen oder auch digital – in ihrer Berichterstattung und Zuverlässigkeit nicht viel unterschieden, wie ich meine.

Und dann kam im September die Bundestagswahl und die Jamaika-Verhandlungen, mit denen in den Medien eine wesentliche Veränderung eintrat. Darüber liest man in „Cicero“ (Auszug): „ Die tagesaktuellen Medien sind dazu da, uns über das Geschehen ins Bild zu setzen, Nicht über die Vorurteile der Journalisten, sondern über das, was sich in der Welt ereignet hat, soweit es für uns, die Bürger dieser Gesellschaft, wissenswert ist. Das ist so trivial, dass ich mir blöd vorkomme, dies zu erwähnen. Und doch muss man diese simple Funktion der Informationsmedien ins Gedächtnis rufen, denn viele Journalisten scheinen sie vergessen zu haben.“(Ende des Auszugs). Der Autor (Michael Haller) erläutert diese
Feststellung vornehmlich mit den Ereignissen ab der zweiten Novemberhälfte im politischen Berlin und argumentiert im weiteren Verlauf (weiterer Auszug): „Wie die DSDS-Jury des Dieter Bohlen, so fallen Nachrichtenmacher frei von Sachkenntnis ihre Urteile: Lindner der böse Bube, Merkel die verzagte Versagerin, Schulz der Naivling, Göring-Eckardt die (klammheimliche) Siegerin, Seehofer der Zombie. Man mag solche Rollenzuschreibungen witzig finden – dem Politikverständnis dienen sie nicht, weil den Bürgern die Informationen fehlen. Welche Positionen blieben wo genau bei wem strittig? Welche Unterhändler haben den Kompromiss gesucht, wer wurde wann wortbrüchig, wer blieb stur? 20 Stunden nach dem Jamaika-Ende kommentiert ein „Spiegel“-Journalist: „Woran es wirklich lag, wer die Verantwortung für das Scheitern trägt, darüber kann und muss geredet werden.“ (Ende des Auszugs).

Und last but not least als weiteres Beispiel: die Glyphosat-Debatte, über die man bei Meedia Anfang des Monats las (Auszug): „Aber wie helfen mir die Medien eigentlich dabei, mir eine Meinung über das Zeug zu bilden? Da ist zum Beispiel ein Twitter-Filmchen der “Tagesschau”-Redaktion, das den “Unkrautkiller” (!) Glyphosat in den schrecklichsten Farben ausmalt, “vernichtet alles Grün und den Lebensraum von Tieren”, heißt es da. “Belastet die Gewässer” und kommt vor in Bier, Urin und Wasser. Das Ganze unterlegt mit bedrohlicher Wummer-Musik.“ (Ende des Auszugs).

Ohne weitere Beispiele anzuführen – deren es fast beliebig viele gibt – zitiere ich noch einmal „Cicero“, wo es schließlich heißt:

                                             „Die Leser und Zuschauer erwarten
                                          journalistisches Handwerk. Doch statt
                                          Recherchen wurden Prophetien feilgeboten                  
                                         die dem Realitätsbegriff der Kaffeesatzleser folgen.“

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