Migrantinnen und Migranten gründen vermehrt innovativ und in
wissensintensiven Branchen, das ist eines der neuesten Ergebnisse einer
Studie des Instituts für Mittelstandsforschung an der Universität
Mannheim. Doch ihr Gründungspotenzial ist noch nicht ausgeschöpft.
Die Zahl neuer Unternehmen in Deutschland sinkt, doch dafür gründen
Zugewanderte immer häufiger: Laut Mikrozensus 2016 hat inzwischen jeder
fünfte bis sechste Selbständige in Deutschland ausländische Wurzeln.
Denn während die Zahl herkunftsdeutscher Selbständiger seit 2005 um
128.000 abgenommen hat, ist die Zahl der Selbständigen mit
Migrationshintergrund um 189.000 gestiegen. Das Institut für
Mittelstandsforschung (ifm) an der Universität Mannheim hat diese
Entwicklung näher beleuchtet und eine Studie für das
Bundeswirtschaftsministerium mit neuen Zahlen untermauert. Dabei haben
die Forscherinnen und Forscher sowohl die Stärken als auch die Schwächen
von Migrantengründungen untersucht.
Innovative Gründungen, schneller in die Selbständigkeit
Als Triebkraft für Unternehmensgründungen erweist sich die wachsende
Zahl an höher gebildeten Migrantinnen und Migranten. Sie beleben nicht
nur die Gründungsszene, sondern verändern zunehmend auch ihr
wirtschaftliches Profil. „Während Migranten früher oft Pizzerien,
Dönerläden oder Gemüsegeschäfte eröffneten, spielen nun wissensbasierte
Dienstleistungen eine immer größere Rolle. Das zeigt sich an der
wachsenden Anzahl an selbständigen Ärzten, Anwälten,
Unternehmensberatern und Ingenieuren“, sagt Projektleiter René Leicht
vom Institut für Mittelstandsforschung. Das hänge auch damit zusammen,
dass Zuwanderinnen und Zuwanderer seltener aus ehemaligen
Anwerbeländern, sondern vermehrt aus anderen Regionen der Welt nach
Deutschland kämen – wie Asien, West- oder Osteuropa.
Auch an innovativen Gründungen – Unternehmen, die Forschung und
Entwicklungen betreiben oder Marktneuheiten auf den Weg bringen – sind
Migranten häufiger beteiligt als herkunftsdeutsche Selbständige.
Vorteile hätten Zugewanderte hier oft durch geschäftliche Netzwerke, die
sie aus ihren Herkunftsländern mitbringen.
Zudem beobachtete das Forschungsteam, dass immer mehr Migrantinnen und
Migranten schon direkt nach der Einwanderung ein Unternehmen gründen
oder bereits als Selbständige nach Deutschland kommen: Rund ein Viertel
aller Neugründungen von Migranten erfolgt „adhoc“. Es sind auch seltener
Notgründungen, denn nur 8 Prozent der Zugewanderten gründen aus der
Arbeitslosigkeit heraus. Das sei in früheren Zuwanderergruppen nicht der
Fall gewesen.
Wenig Nachhaltigkeit
Gleichzeitig deckt die Studie aber auch ungenutzte Gründungspotenziale
auf: Als bedenklich schätzen die Autoren ein, dass der Gründungsboom
auch unter Zugewanderten langsam nachlässt. Zwar steige die absolute
Zahl der Selbständigen mit ausländischen Wurzeln nach wie vor, doch ihr
Anteil an allen Erwerbstätigen mit Migrationshintergrund sinke. „Das
hängt mit dem attraktiven deutschen Arbeitsmarkt zusammen, der nicht nur
Deutsche, sondern vermehrt auch hochqualifizierte Migrantinnen und
Migranten in Arbeitnehmerverhältnisse lockt“, so Leicht. Sollte sich
diese Entwicklung fortsetzen, schlussfolgert die Studie, würde dies das
Gründungspotenzial von Migrantinnen und Migranten mittelfristig
schwächen.
Die wachsende Zahl an selbständigen Migranten werde zudem durch die
Kurzlebigkeit vieler Gründungen gebremst. Das sei dadurch bedingt, dass
Zugewanderte oft über weniger Ressourcen verfügten und höhere Hürden
überwinden müssten als Herkunftsdeutsche. Auch die Chancen auf eine
Unternehmensübernahme bietet sich Migranten weitaus seltener.
Wie die Gründungspotenziale von Migrantinnen und Migranten stärker
genutzt und institutionelle Hürden verringert werden könnten, dafür gibt
die Studie konkrete Handlungsvorschläge. Beispielsweise könnten, so die
Autoren, mehr ausscheidende Unternehmensgründer dazu motiviert werden,
ihr Unternehmen an Migranten zu übergeben.
Weitere Informationen finden Sie unter http://www.institut-fuer-mittelstandsforschung.de/kos/WNetz?art=News.show&id....
Katja Bär Pressestelle: Kommunikation und Fundraising, Universität Mannheim
Mitteilung des idw - Informationsdienst Wissenschaft am 13.Dez.2017
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