Wer Zeitung liest, liest sie auf Papier. Online-Angebote der Medienhäuser spielen noch eine marginale Rolle – gemessen an der Zeit, die Konsumenten damit verbringen. Das zeigt LMU-Kommunikationsforscher Neil Thurman an britischen Blättern.
Die Zeit der Zeitung sei abgelaufen, heißt es gerne. Die Zukunft gehöre den digitalen Medien. Tatsächlich aber bekommen die guten alten Printprodukte weit mehr Aufmerksamkeit als gemeinhin angenommen: Von der Zeit, die Leser mit einer Medienmarke verbringen, entfallen etwa 89 Prozent auf die gedruckte Zeitung, der Rest verteilt sich auf Online-Angebote (vier Prozent) und mobile Applikationen (sieben Prozent).Zwar haben die digitalen Medien die Reichweite der Presseorgane deutlich erhöht, teilweise sogar vervielfacht, argumentiert der Autor der Studie, Neil Thurman, Professor am Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung der LMU. Doch lesen die Nutzer im Schnitt 40 Minuten am Tag die Version auf Papier, die Medienprodukte derselben Marke jedoch nur rund 30 Sekunden pro Tag online oder auf dem Handy. „Wenn man diese Zahlen auf die Gesamtheit der Leser hochrechnet“, sagt Thurman, „kann man leicht ermessen, warum Zeitungen, wenn es um die Aufmerksamkeit geht, immer noch vorrangig auf die Printversion setzen.“ Die Untersuchung ist jetzt im Fachblatt Journalism Studies erschienen.
Für seine Untersuchung hat Thurman Daten des UK National Readership Surveys und des Marktforschungsunternehmens comScore für elf große Blätter in Großbritannien ausgewertet, darunter The Guardian und The Times sowie die Boulevardmedien von The Mail, The Sun und Mirror. Die Erhebung deckt den Zeitraum zwischen April 2015 und März 2016 ab.
Die Befunde der Studie könnten durchaus auch für die deutsche Medienlandschaft gelten, sagt Thurman. Die Daten etwa des aktuellen Reuters Institute Digital News Reports zeigten sogar, dass deutsche Konsumenten über die Woche gedruckte Zeitungen zu 38 Prozent häufiger als Nachrichtenquelle nutzen als den Online-Auftritt. Für Großbritannien lautet der Wert lediglich 13 Prozent. „Rechnet man die vergleichsweise große Popularität der gedruckten Zeitung in Deutschland mit ein, könnte man erwarten, dass die Leser hierzulande sogar noch mehr Zeit mit der Printversion verbringen als die in Großbritannien“, sagt Thurman.
Journalism Studies 2017
Luise Dirscherl Stabsstelle Kommunikation und Presse, Ludwig-Maximilians-Universität München
Mitteilung des idw – Informationsdienst Wissenschaft am 07.02.2017
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