Der Wasserverband
Nordhausen (WVN) wird die abgelegene Fünf-Häuser-Siedlung Schern in
Großwechsungen nicht an ihr öffentliches Trinkwassernetz
anschließen. Das haben die Verbandsräte in ihrer Sitzung am 6.
Dezember entschieden. Das Gremium lehnte mehrheitlich einen
entsprechenden Antrag der Gemeinde Werther ab, die den Anschluss der
Siedlung an das Trinkwassernetz gefordert hat. Die Verbandsräte
führten gleich mehrere Gründe für ihre Entscheidung ins Feld:
Neben der fehlenden rechtlichen Grundlage sind es technologische und
hygienische Bedenken sowie eine hohe finanzielle Belastung der
Solidargemeinschaft.
Die betroffenen fünf
Grundstücke mit 16 Anwohnern versorgen sich seit den 1950er Jahren
über Hausbrunnen, die allerdings über keine Trinkwasserqualität
verfügen. Das Nordhäuser Gesundheitsamt hat 2016 für vier der fünf
Brunnen die Nutzung eingeschränkt, so dass das Brunnenwasser nur
noch als Brauchwasser dienen darf. Das Brunnenwasser ist
mikrobiologisch belastet und die Grenzwerte für Nitrat sind
überschritten.
Der Bürgermeister der
Gemeinde Werther hat sich an den Vorstand des Wasserverbands gewandt
und um Unterstützung gebeten. Der Wasserverband hat daraufhin
geprüft, ob die Grundstücke an das zentrale Trinkwassernetz
angeschlossen werden können. Mit folgendem Ergebnis:
Keine rechtliche
Grundlage
Ein vom Verband
beauftragter Rechtsanwalt hat überprüft, ob ein Anschlussrecht der
Grundstückseigentümer besteht. In seinem Gutachten kommt er zu dem
Schluss, dass laut Paragraph 4 der Wasserbenutzungssatzung des WVN
weder ein Anschluss- und Benutzungsrecht noch eine Versorgungspflicht
des Wasserverbandes Nordhausen besteht. Dieses ist nur auf solche
Grundstücke anzuwenden, die bereits durch eine Versorgungsleitung
erschlossen sind. Die fünf betroffenen Grundstücke befinden sich
aber zirka drei Kilometer entfernt von Versorgungsleitungen des WVN
und damit im sogenannten Außenbereich.
Aus eben genannten
Gründen sieht auch die Kommunalaufsicht des Landkreises den
Wasserverband nicht in der Pflicht. Damit widerspricht die
Aufsichtsbehörde der Ansicht des Thüringer Petitionsausschusses,
der den Wasserverband in der Pflicht sieht.
Möglich ist lediglich
eine Sondervereinbarung, die mit den Eigentümern der fünf
Grundstücke zustande kommen könnte. Im Rahmen dieser müssten die
Eigentümer allerdings die Kosten für den Bau der Versorgungsleitung
und die Grundstücksanschlüsse übernehmen. Das wird aber von den
Bewohnern ob der hohen Kosten abgelehnt.
Technologische und
hygienische Bedenken beim Leitungsbau
Der
Wasserverband lehnt es aus hygienischen Gründen ab, eine drei
Kilometer lange neue Wasserleitung mit Druckerhöhungsanlage zu
bauen. Beim Anschluss der Siedlung an das zentrale Trinkwassernetz
ist nach Berechnungen des Verbandes anzunehmen, dass das Trinkwasser
aufgrund der wenigen Abnehmer zwischen elf und 13 Tagen in der
Leitung verweilt.
Hohe
Investitionskosten für Trinkwasseranschluss
Ein vom Wasserverband
hinzugezogenes Ingenieurbüro hat zwei technische Varianten
berechnet: Demnach ist bei einem Anschluss ans Trinkwassernetz mit
geschätzten Kosten von rund 504 000 Euro netto zu rechnen. Bezogen
auf die 16 Menschen, die über die Leitung versorgt werden, sind das
immense Kosten. Pro Person würde das allein eine Investitionssumme
von rund 31 000 Euro bedeuten. Im WVN-Durchschnitt werden 72 Euro pro
Person und Jahr investiert. Eine solche Investition kann der
Solidargemeinschaft nicht auferlegt werden.
Dezentrale
Trinkwasserversorgung verursacht hohe Betriebskosten
Auch die zweite Variante,
eine sogenannte dezentrale Trinkwasserversorgung, lehnt der Verband
aufgrund der unverhältnismäßig hohen Kosten ab. Schätzungsweise
415 000 Euro würde der Bau eines neuen Brunnens mit
Wasseraufbereitungsanlage mit 900 Meter langem Verteilungsnetz
innerhalb der Siedlung kosten. Hinzu kommen bei dieser Variante
jährliche Betriebskosten (Wartung, Strom, Wasseranalysen) im
fünfstelligen Euro-Bereich. Das ist unverhältnismäßig zu den
erwarteten jährlichen Gebühreneinnahmen in Höhe von etwa 1 600
Euro für die gesamte Siedlung.
Langfristig müssten
Trinkwassergebühren steigen
Geschätzte weitere rund
150 Grundstücke mit Hausbrunnen gibt es laut Wasserverband im
Landkreis Nordhausen, die nicht am Trinkwassernetz des WVN
angeschlossen sind.
Es ist überhaupt nicht
abschätzbar, welche Ansprüche die Eigentümer im Falle schlechter
Grundwasserqualität an den WVN stellen könnten. Für den Verband
und seine Mitglieder ist es jedenfalls finanziell nicht leistbar, all
diese Grundstücke auf Verbandskosten an das Trinkwassernetz
anzuschließen. Langfristig müssten die Trinkwassergebühren
deutlich steigen.
Grundstückseigentümer
könnten eigene Brunnen ertüchtigen
Die kostengünstigste
Variante scheint die Ertüchtigung der vier Hausbrunnen und der
Einbau von Aufbereitungsanlagen zu sein. Um dies zu verifizieren,
sollten die Grundstückseigentümer zeitnah Fachunternehmen damit
beauftragen, den Zustand ihrer Brunnen untersuchen zu lassen, um so
eine jeweils geeignete Aufbereitungsanlage konzipieren zu lassen.
Erst so lassen sich Investitions- und Betriebskosten seriös
benennen. Kostenschätzungen der Grundstücksbesitzer dazu liegen dem
Wasserverband noch nicht vor. Bereits im April hatte der
Wasserverband den Anwohnern des Schern ein entsprechendes Unternehmen
vermitteln wollen. Das Angebot war allerdings nicht angenommen
worden.
Verursacherprinzip
beachten
Seit Juni dieses Jahres
werden die fünf Brunnen auf Kosten des Wasserverbandes regelmäßig
von dem unabhängigen Institut für Wasser- und Umweltanalytik (IWU)
in Luisenthal beprobt. Mit dem Ergebnis, dass die Nitratwerte und die
Anzahl von Coliformen Bakterien sehr unterschiedlich an den fünf
Brunnen ausfallen.
Deshalb ist zum einen zu
prüfen, welchen Anteil die Kleinkläranlagen in der Siedlung an der
Verunreinigung des Brunnenwassers haben.
Zum anderen ist das Land
Thüringen in der Pflicht, in diesem stark landwirtschaftlich
genutzten Einzugsgebiet eine Trinkwasserschutzzone einzurichten, um
die Belastung des Grundwassers mit Nitrat so gering wie möglich zu
halten.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen