Dienstag, 9. April 2013

Und da war doch noch dieser Jörg Schönenborn . . .


.. .der im Vorfeld der Hannover-Messe nach Moskau gefahren war, um Russlands Präsidenten Wladimir Putin zu interviewen. Und nach Medien-Meinung mit einem blauen Auge zurückkam. Hatte doch der „Münchner Merkur“ in seiner Online-Ausgabe geschrieben: „Hätte es sich nicht um ein Interview gehandelt, sondern um einen Boxkampf, dann hätte Putin den zaghaften Schönenborn ohne Probleme K.o. gehauen.“ (Ende des Zitats).

In einem anderen Pressebericht wird getitelt: „Putin zerlegt ARD-Reporter“. Tatsächlich handelt es sich bei Jörg Schönenborn aber nicht einfach um einen beliebigen ARD-Reporter, sondern um den WDR-Chefredakteur. Den man als normaler TV-Nutzer wohl am besten vom sonntäglichen Presseclub her kennt, in denen er des öfteren Regie führt. Und das allein gibt schon einigen Aufschluss über das Geschehen in Moskau.

Einfach deshalb, weil sich bei den Gesprächen unter Journalisten offenbart, dass es bei diesen Gesprächen und Diskussionen nie wirklich „zur Sache“ geht. Man tauscht Meinungen aus, aber man hat noch kaum erlebt, dass es wirklich zu harten Diskussionen oder Auseinandersetzungen kommt, es sind im wesentlichen immer nur „Scheingespräche“. Das war nicht immer so, aber das ist lange her. Journalisten sind zu einer selbstgefälligen, teils sogar überhebliche Clique geworden, die sich untereinander nichts tut, sonst aber austeilt ohne auch einstecken zu können. Letzteres zeigt sich besonders bei Journalisten wie Deppendorf und Co. und Bettina Schausten bei ihren Berichten aus Berlin. Bei ihren Gesprächen mit Politikern befleißigen sie sich einer Überheblichkeit, die manchmal schon penetrant auf mich wirkt. Man hat sich ganz allgemein eine Position gegenüber seinen jeweiligen Gesprächspartnern (Politikern) geschaffen, die durch redaktionelle Überlegenheit gekennzeichnet ist: fügt sich der Gesprächspartner nicht in das Schema der Moderation, wird er im folgenden Bericht „fertig gemacht“. Es fehlt die Fairneß und sachliche Ausgewogenheit: man schneidet dem Gesprächspartner das Wort ab, lässt ihn nicht aussprechen und bevormundet ihn. Das zeigt sich auch in vielen Interviews, in denen es Moderatoren oft sogar an den elementarsten Anstandsregeln fehlen lassen. Fügt sich dann ein(e) Gesprächspartner(in) nicht in dieses Schema – siehe Katja Riemann im NDR-Interview – gerät dieses ganze Schema durcheinander.

Und nun also gerät ein Jörg Schönenborn mit Wladimir Putin an einen Gesprächspartner, der von einem Schema wie es hierzulande praktiziert wird, rein gar nichts hält. Mit diesem Gespräch wurde schnell offenkundig, dass es dem Reporter an jeglicher Anpassungfähigkeit und Cleverness fehlte, er geriet ins Schwimmen und konte schließlich nur noch versuchen, sich einen erträglichen Abgang zu verschaffen. Für Putin muss dieser Gesprächsverlauf wie ein „innerer Parteitag“ gewirkt haben.
Wenn sich aber die deutsche Presse überwiegend einig ist in der negativen Beurteilung der Verhaltensweise Jörg Schönenborns, dann kann ich dazu eigentlich nur sagen, dass deren Kritik auf sie selbst zurückfällt: Wladimir Putin hat im Gespräch mit dem WDR-Chefredakteur nur das Grundübel im gegenwärtigen deutschen Journalismus deutlich werden lassen: den Mangel an sachlicher und rhetorischer Kompetenz und den Respekt vor einem „wirklichen“ Gesprächspartner. Man sollte nicht an einem Einzelnen Kritik üben, sondern zurückfinden zu einem wirklichen Qualitätsjournalismus, bei dem jeder Gesprächspartner eine Herausforderung sein darf, und kein Opfer.  

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