In einer Abhandlung zu Twitter, Facebook und anderen sozialen Netzwerken lese ich, dass sie dazu einladen, „mal eben schnell und unüberlegt das eigene Befinden in die Welt hinauszuposaunen.“ Und wenn ich als Außenstehender in Begleitberichten lese, was man dort alles von sich gibt, kommt mir die Vorstellung eines in die Millionen gehenden Posaunenchores, in dem jede und jeder sein eigener Komponist ist. Und viele von ihnen dabei noch nicht einmal die Noten kennen, um wenigstens ein Minimum an Harmonie (ich meine intellektuelles Niveau) in dieses Orchester zu bringen. Es scheint ein Spiegelbild der Intelligenz der Massen zu sein.
In
einem Wirtschaftsmagazin war neulich zu lesen, dass Wirtschaft und
Wissenschaft mit der Intelligenz der Massen experimentieren: „Mit
>Schwarmintelligenz< können danach Unternehmen besser Ideen
generieren – wenn sie das Crowdsourcing im Web richtig managen. Ich
weiß zwar nicht genau, was damit gemeint ist, aber immerhin scheint
Wirtschaft und Wissenschaft jenen vielmillionenenfachen Posaunenchor
doch etwas Nutzbringendes für ihre Interessen abgewinnen zu können.
Inzwischen wird der Sog, den zum Beispiel dieser Moloch Facebook auf
(Noch-) Außenstehende ausübt derart groß, dass man sich ihm kaum
mehr entziehen kann. Umso mehr, als ja nahezu alle Medien und wer
weiß schon wie viele Institutionen sonst noch, diesem Sog Nachdruck
verleihen.
Warum
eigentlich? Ich habe aus meiner Sicht nicht den Eindruck, dass mir
wesentliches fehlt oder entgeht, wenn und so lange ich kein Nutzer
eines dieser zahlreichen Netzwerke bin. Und nachdem ja gerade
gegenwärtig so viel von der Hitler- und Nazizeit gesprochen und
geschrieben wird: Der Sog, den 1933 der Nationalsozialismus auf die
Massen ausübte, scheint mir, unter den damaligen Verhältnissen,
ähnlich beschaffen gewesen zu sein. Und schließlich machte sich
damals auch jeder verdächtig, der nicht Mitglied der NSDAP wurde.
Mit katastrophalen Folgen. Ich kenne sie noch in ihren Verläufen und
Ergebnissen. Und war damals auf bestem Wege, meinen Teil dazu
beizutragen (wenn ich zwei- drei Jahr älter gewesen wäre) Und ich
kenne die 68-Bewegung als meinen letzten Versuch, Massen in ihrem
Denken und Wollen zu verstehen. Schon deshalb ist mir seitdem jede
Massenbewegung suspekt, die von jener „Schwarmintelligenz“
dominiert wird. Und staune, wie Alle sich instrumentalisieren lassen.
Man weiß doch inzwischen aus den verschiedensten Anlässen, wie
leicht sich etwa Massen über Facebook mobilisieren lassen. Und wie
leicht es demzufolge Demagogen fallen dürfte, sich dieses Mediums zu
bedienen (oder gar zu bemächtigen). Wobei ich bezeichnend finde,
dass solche Einflüsse meist ins Negative tendieren. Warum
mobilisiert niemand die Massen – etwa bei Facebook – um den
Kriegsdrohungen aus Nordkorea in demonstrativer Weise zu begegnen?
Ich bin neugierig, wohin sich diese Netzwerke – ob Twitter,
Facebook oder auch Google – weiter entwickeln. Und wer sich ihrer
zukünftig noch bedienen wird. Aber auch, wie lange ich jenen Sog
noch zu widerstehen vermag.
Nun
bin ich doch wieder ins Sinnieren gekommen. Und wollte doch
eigentlich beklagen, dass die Medien in ihrer Berichterstattung immer
vordergründiger und flüchtiger zu werden drohen. Und selbst die
Texte in ähnlicher Weise daherkommen, nämlich mit einer Häufung
orthographischer und flüchtiger Satzfehler. Und alles – und vor
allem im Internet – tendiert zur Schnelligkeit, vielfach auf Kosten
der Sorgfalt. Umso mehr, als man noch immer darüber Betrachtungen
anstellt, was heute eigentlich Intention des Journalisten ist. Oder
sein soll. Und wo seine redaktionelle Schwerpunktarbeit liegen
sollte.
Ich
bin schon altermäßig nicht genötigt – vielleicht auch nicht mehr
in der Lage - meine Auffassung von Qualitätsjournalismus zu ändern.
Noch gehöre ich einer Redaktion an, die mich animieren oder gar
nötigen könnte, Schwerpunktarbeit zu leisten. Ich habe mich hier ja
schon öfter mit dieser Thematik beschäftigt. Und ich finde aktuell
dieses Thema in einem Interview erörtert, das der Co-Geschäftsführer
der ehemaligen WAZ-Gruppe - nunmehr Funke Medien-Gruppe - Manfred
Braun, der Zeitschrift „Medien-Wirtschaft“ gegeben hat. Darin
fordert er von den Journalisten Nähe statt Anspruch, also vor allem
lokale Bezogenheit. Für den Leser seien „lebendige und lesernahe
Lokalität sowie die Berechenbarkeit der Inhalte-Platzierung“
wichtig.
Das
gilt für Print-Zeitungen, in übertragenem Sinne aber natürlich
auch für Internet-Zeitungen. Und es ist meines Erachtens Sache des
verantwortlichen Redakteurs, diese Berechenbarkeit zu steuern.
Darüber will ich mir noch weitere Gedanken machen.
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