| Sehr geehrte Leserinnen und Leser,
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| Im
Hochsommer überbieten sich die Wetterberichte wieder mit neuen
Hitzerekorden und Katastrophen wie Waldbränden, Dürren und
Ernteausfällen. Die Klimakrise fordert die gesamte Menschheit
heraus. Fabian Moos SJ tritt in seinem Editorial (s.u.) für eine
sozial-ökologische Transformation ein, die insbesondere die Ärmsten mehr
in den Blick nimmt: „Die Größe dieser Herausforderung kann kaum
überschätzt werden, denn strukturell sind die Weichen derzeit noch auf
ein ‚Weiter so‘ eingestellt, das uns in die weltweite Katastrophe
treibt.“ Eine christliche Antwort sollte vor allem von „Hoffnung und
Umkehr“ bestimmt sein.
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| Die Themen im Juli: Das C in der CDU:
Die Christlich Demokratische Union diskutiert wieder über ihr
christliches Erbe, auch beim Erarbeiten eines neuen Grundsatzprogramms:
Wie christlich soll die Politik der Partei sein – und was heißt dabei
eigentlich „christlich“? Klaus Mertes SJ über die Geschichte des „C“ in
der CDU und markante Konflikte. Felix Körner SJ sucht abseits der biografischen Daten des Märtyrers Alfred Delp SJ
nach dessen „anderer Seite“. Weniger bekannte Briefe und Erinnerungen
werfen ein neues Licht auf den Widerstandskämpfer des Kreisauer Kreises. Axel Smend, Sohn eines hingerichteten Widerstandskämpfers sowie langjähriger Vorsitzender des Kuratoriums der „Stiftung 20. Juli 1944“
erinnert an die „Stillen Helden“, die konfessionsübergreifend aus
christlicher Überzeugung ein Deutschland ohne den Nationalsozialismus
ersehnten. Liebe
auf Augenhöhe? Kerstin Schlögl-Flierl und Alexander Flierl kritisieren
die vielbeachteten Schriften des Gründers des Augsburger Gebetshauses,
Johannes Hartl, als theologisch unhaltbar, fundamentalistisch-literal, reaktionär und sexistisch. Pionier der Vererbungslehre: Gregor Mendel (*20. Juli 1822)
war Augustinermönch und einer der ersten Genetiker. Markus Kunze
schildert, wie Mendel geforscht hat und erklärt dessen Bedeutung für die
moderne Biologie bis heute. Die
Mystik konnte immer wieder institutionelle Verkrustungen in der Kirche
lösen, in der Frühen Neuzeit aber gibt es eine „tiefdüstere Nachtseite“.
Mathias Moosbrugger beschreibt seltsame Auffassungen über Hexen, Dämonen und Besessene in der frühneuzeitlichen Mystik der Jesuiten. Außerdem lesen Sie im Juli zwei Essays von Stefan Kiechle SJ (Gefragte Seelsorge) und Alexander Weihs (Genesis im Untergrund) sowie Rezensionen aus Kunst & Kultur. Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre Ihr
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| P. Stefan Kiechle SJ, Chefredakteur
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| Inhalt | |
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| | • | Fabian Moos SJ: Christsein in der Zeitenwende |
| • | Klaus Mertes SJ: Das C in der CDU. Kulturelle Identität oder universales Ethos? |
| • | Felix Körner SJ: Zeuge für Christus. Alfred Delps andere Hälfte |
| • | Axel Smend: Trost des Gedenkens. Erinnerung an die Stillen Helden |
| • | Kerstin Schlögl-Flierl / Alexander Flierl: Liebe auf Augenhöhe? Zu reaktionären Rollenbildern |
| • | Markus Kunze: Gregor Mendel. Pionier der Vererbungslehre |
| • | Mathias Moosbrugger: Gute und böse Mystik. Jesuiten zwischen Gotteserfahrung und Hexenverfolgung |
| • | Stefan Kiechle SJ: Gefragte Seelsorge. Das Herz der Kirche |
| • | Alexander Weihs: Genesis im Untergrund. Die öffentliche Debatte um Markus Lüpertz‘ Kunstwerk |
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| Christsein in der Zeitenwende | |
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| Editorial: Fabian Moos SJ
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| Papst
Franziskus spricht immer wieder davon, dass wir mitten in einer
„Zeitenwende“ leben. Ich glaube, das ist nicht übertrieben. Die Erde ist
vom Holozän, in dem eine relativ große Stabilität die Entwicklung
menschlicher Zivilisationen ermöglicht hat, ins Anthropozän
übergegangen, ins Zeitalter des Menschen. Das kollektive menschliche
Handeln ist heute der entscheidende geologische Faktor, der
tiefgreifende Umwälzungen der biologischen, chemischen und
physikalischen Systeme der Erde in Gang gesetzt hat. Folglich müssen
sich die menschlichen Gesellschaften an stark veränderte Bedingungen
anpassen. Das zu tun, und zwar ohne Demokratie, Menschenrechte und
Rechtsstaatlichkeit einzubüßen, was angesichts steigender
Konfliktpotenziale eine reale Möglichkeit ist, sondern den Wandel als
deren wesentliche Weiterentwicklung zu gestalten – das ist die zentrale
politische Herausforderung demokratischer Gesellschaften des 21.
Jahrhunderts. Gleichzeitig ist die Gerechtigkeitsfrage neu zu stellen,
denn die Ärmsten sind am wenigsten für die Umwälzungen verantwortlich,
leiden aber am meisten darunter. Man spricht von „sozial-ökologischer“
oder „Großer Transformation“, hin zu einer Lebensweise und Zivilisation,
die innerhalb der planetarischen Grenzen gutes Leben für alle möglich
macht. Die
Größe dieser Herausforderung kann kaum überschätzt werden, denn
strukturell sind die Weichen derzeit noch auf ein „Weiter so“
eingestellt, das uns in die weltweite Katastrophe treibt. Viele
Expertinnen und Experten halten die Dekade bis 2030 für das
entscheidende Zeitfenster, in dem das Steuer noch herumgerissen werden
kann. Danach ist die Wahrscheinlichkeit, Kipppunkte des Klimasystems und
in anderen Bereichen zu überschreiten, bereits so hoch, dass ein
menschliches Umsteuern ab diesem Zeitpunkt womöglich kaum noch Einfluss
auf die weitere Entwicklung haben wird. Viele Aktive stellen sich
angesichts dessen tiefe Sinn-Fragen, etwa: Wie kann ich gut in diesen
komplexen Veränderungsprozessen leben und mich sinnvoll darin
einbringen? Die beiden Schlüsselbegriffe einer christlichen Antwort
darauf sind für mich Umkehr und Hoffnung. Umkehr
schließt eine deutliche Abkehr ein – etwa von der Illusion, dass unsere
vermeintlich friedliche Lebensweise in Deutschland ethisch
unproblematisch ist und ewig so weitergehen kann; aber auch von
Hoffnungslosigkeit, die sich etwa in Angst vor Veränderungen ausdrückt
und im Extremfall in Gewalttätigkeit ausartet. In einem umfassenderen
Sinn ist es eine Abkehr vom „technokratischen Paradigma“ (Laudato Si‘),
das uns weismachen will, dass wir alle isolierte Egoisten sind, die
durch materiellen Besitz, durch Konsum, Konkurrenz und Statusvergleich
glücklich werden, und dass außerdem die Technologie all unsere Probleme
lösen wird. In Wahrheit sind wir Beziehungswesen und leben auf, wo wir
mit anderen an sinnstiftendem Handeln beteiligt sind. Christliche Umkehr
ist auch eine Hinkehr: Hin zu Jesus Christus, der gekommen ist, unsere
gebrochenen Beziehungen (zu Gott, zu uns selbst, zu anderen und zur
Schöpfung) zu heilen und zu erneuern; das macht uns frei, Unsicherheit
anzunehmen und als Wachstumschancen zu begreifen. Hin zur Gemeinschaft
und hin zu Vertrauen und Hoffnung, denn Gott ist bereits dabei, die Welt
zu retten, und will unsere Mitarbeit. Hin zur Perspektive der Ärmsten,
denn sie sind die bevorzugten Empfänger und zugleich Experten des
Evangeliums. Die Enzyklika Laudato Si‘ ist ein beherzter und
freudig-poetischer Appell, in diese Beziehungs-Dynamik einzusteigen. Sehr
vieles wird sich verändern – die Frage ist, an welchen Veränderungen
wir uns bewusst beteiligen wollen und was uns hilft, die ungewollten
Veränderungen zu erleiden. Gott verlangt keinen moralischen
Perfektionismus von uns, sondern ein kreatives Einbringen in Prozesse,
die zugleich radikal und realistisch sind – alle Lösungsansätze werden
ohnehin bis auf Weiteres unvollkommene Kompromisse sein. Die
Hoffnung, zu der wir aufgefordert sind, ist gerade keine Flucht ins
Jenseits, sondern ein „Tiefer-Sehen“ des Diesseits. Sie nimmt die
Inkarnation und das Ostergeschehen radikal ernst: Der Heils-Weg, den
Jesus Christus uns aufzeigt, ist der Weg des liebevollen Dienstes, der
Weg des Einsatzes für Gerechtigkeit an der Seite der Armen. Der
Auferstandene ist der Beweis, dass Gott das Unmögliche möglich macht und
dass das Leiden und der Tod durchlitten werden können. Das Leben und
die Liebe haben das letzte Wort. Wirkliche Hoffnung entsteht, wo wir als
„Auferstehungsdetektive“ trotz Angst nach Gottes Heils-Handeln in der
Welt Ausschau halten und selbst zu Auferstandenen werden, uns mit andren
auf den Weg machen, um in Gottes Handeln einzuschwingen, und dabei
unser Kreuz tragen. Die Kennzeichen der Auferstehung sind Freude und
Freiheit. Umkehr
zur Hoffnung: Der Glaube gibt uns keine Garantie dafür, dass es nicht
zu dramatischen Situationen kommen wird. Doch er zeigt in Christus einen
Weg, wie wir mitten in der Zeitenwende die Berufung des Menschseins
leben können.
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