Unlängst, nämlich am 06. November, überlegte ich in einem Eintrag, wann wohl die Piraten zur Gemeinsamkeit finden würden. Nachdem sie sich nach den Medienberichten gerade zu jener Zeit heftig stritten, wobei besonders personelle Fragen im Vordergrund standen. Wundern konnte man sich darüber eigentlich nicht, denn über was sollten sie wohl sonst streiten, nachdem sie bis dahin ja noch kein wirkliches Parteiprogramm hatten. Was ihnen ja auch von und in den Medien immer wieder zum Vorwurf gemacht wurde. Und obwohl sie ja auch in der Wählergunst abstürzten, hielten sie als Partei (die sie ja eigentlich nicht sein wollten) zusammen. Man hat in den vergangenen Jahren auch schon anderes erlebt
Inzwischen haben sie ein Programm. Ich archivierte einige der Berichte über die Vorbereitungen zu ihren Bundesparteitag am 25./26. November in Bochum in denen es hieß, es würde endlich einmal um politische Inhalte gehen, nachdem in den vergangenen Monaten interne Querelen den im Frühjahr gewählten Bundesvorstand nahezu lahmgelegt hatten. Und da ich ja im wesentlichen auf Berichte der Onlinezeitungen angewiesen bin, hielt ich natürlich auch das fest, was die im Anschluss dieses Parteitages zu berichten hatten.
Wie die Partei dieses und andere strukturelle Probleme – immer wieder wurde gerade von führenden Piraten am Rand des Parteitags die rüde Diskussionskultur im Netz beklagt – in den Griff bekommen kann, darauf gab die Versammlung keine Antwort. Der politische Geschäftsführer, Johannes Ponader rief zu einem fairen Umgang auf. „Es gewinnt nicht der, der am lautesten schreit oder am heftigsten beleidigt.“ (Nach massiven Personalquerelen hatten bekanntlich im Oktober zwei Mitglieder des Bundesvorstands ihren Rücktritt erklärt.) Davon abgesehen aber scheint derzeit nur eines sicher: Auch wenn die Umfragewerte schwächeln, das Interesse der Parteimitglieder an ihrem gemeinsamen Projekt ist ungebrochen groß.
Am sachlichsten berichtete meines Erachtens die „Süddeutsche“ von der Programmfindung der Piraten (zumindest von wirtschaftspolitischen Teil), deren Vorschläge zur Tagesordnung nur digital vorlagen, Papier gab es keines. Dadurch erklärt sich auch, dass nahezu jedes Mitglied ein Notebook vor sich hatte. Im Antrag ist viel von Freiheit die Rede, von Transparenz und auch von der Digitalisierung der Gesellschaft. Das gehört offenbar zum Standardvokabular der Partei.
Die Piraten zeigten jedenfalls laut SZ im ersten Teil, dass ihnen zu Sozial- und Arbeitsmarktpolitik am meisten einfiel. Die Partei führt den Gedanken des bedingungslosen Grundeinkommens in ihrem neuen Grundsatzprogramm fort. Sie spricht sich für eine "echte soziale Marktwirtschaft" aus sowie für einen Mindestlohn – ohne sich dabei auf eine bestimmte Höhe festzulegen - als "Brückentechnologie" zum bedingungslosen Grundeinkommen.
Die Vollbeschäftigung als arbeitsmarktpolitisches Ziel lehnen die Piraten hingegen ab. In ihrem Verständnis soll jeder Mensch frei entscheiden dürfen, was er arbeitet: Kunst, Kindererziehung, Ehrenamt - alles ist möglich. Arbeiten um der Arbeit willen ist für sie ein Grundsatz von gestern. In Zukunft, so argumentieren viele, könnten immer mehr unangenehme Jobs von Maschinen erledigt werden. Wozu also Menschen zu etwas zwingen, was sie nicht wollen?
Rentner sollen nach dem Willen der Piraten eine Mindestrente erhalten. Das bisherige Rentensystem müsse so umgestaltet werden, dass „die Stärkeren sich angemessen mit Beiträgen an der Rentenversicherung beteiligen“. Unter anderem sprechen sich die Piraten dafür aus, alle Rentensysteme, auch die Pensionen im öffentlichen Dienst, zu einer Rentenkasse zusammenzuführen.
Auch zur Außenpolitik gab sich die Partei erstmals Grundsätze. „Leitmotiv des globalen Handelns der Piratenpartei ist das Engagement für Menschenrechte und eine gerechte Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung“, heißt es darin. „Wir treten weltweit für die Förderung der Zivilgesellschaft und die Lösung von Konflikten mit friedlichen Mitteln ein.“ Ebenso sprechen sich die Piraten für eine stärkere Förderung der Friedens- und Konfliktforschung aus, für „geeignete Rahmenbedingungen für offene Märkte und freien Informationsaustausch“, sowie für Transparenz bei internationalen Verhandlungen und Verträgen. Eine ihrer außenpolitischen Forderungen ist dabei besonders mutig, wenn auch absolut unrealistisch. Die Piraten fordern, dass jeder Bürger Einsicht "in alle Unterlagen" bekommt. Man stelle sich einmal vor, dass alle Lage- und Strategiepläne der Bundeswehr und Ermittlungsunterlagen der Geheimdienste online sind. Terroristen hätten mit den Piraten auf jeden Fall ihre Freude.
Bei der Umwelt- und Energiepolitik sind die Piraten für den Ausstieg aus der Kernenergie binnen drei Jahren. Grundsätzlich treten sie ein für einen „verantwortungsvollen und generationengerechten Umgang mit den zum allgemeinen Wohlergehen notwendigen Ressourcen immaterieller oder materieller Art“ Hier beschlossen sie allerdings bei näherer Betrachtung eine wilde Mischung aus Floskeln und illusorischem Wünsch-Dir-Was. Sie wollen "preisgünstige und umweltfreundliche Energie" und "familienfreundliche Städte und Gemeinden". Wer könnte da auch was dagegen haben? Überambitioniert sind dagegen die Forderungen nach einem Verbot jeglicher „industriellen Massentierhaltung“.
Der Schwarm beschließt vor allem, was schön klingt. Darüber, wie und ob das Programm umgesetzt werden kann, redet kaum einer. So disziplinieren sich die Piraten zwar, sie keifen sich weniger an, sie beschließen wenigstens irgendwelche Inhalte. Sie wollen noch ein bisschen mitspielen. Ernsthaft politische Themen umsetzen wollen sie nicht, heißt es in einem der Online-Berichte.
Ein vollständiges Programm mit Konzepten für alle wesentlichen Politikbereiche wollen die Piraten nicht unbedingt zur Bundestagswahl im kommenden Herbst vorlegen. "Wir dürfen auch Lücken lassen", kündigte Schlömer an. In Bochum konnten die Mitglieder nur einen Bruchteil der 700 Anträge debattieren, kommenden Mai soll ein weiterer Parteitag die Programmarbeit fortsetzen. Der Parteichef sagte zu Reuters, die Menschen würden die Piraten wählen, weil sie für bestimmte Themen stünden. Als Beispiele nannte er das Urheberrecht, Bürgerbeteiligung und freien Zugang zu Internet-Inhalten. Der 41-Jährige erklärte im übrigen, die meisten inhaltlichen Überschneidungen sehe er mit den Grünen.
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