Donnerstag, 13. Dezember 2012

Glückwunsch zum bibliophilen Schatz?


Gemeint ist erneut die Himmelgarten-Bibliothek, die ja seit Unterzeichnung des Verwahrvertrages zwischen der Stadt Nordhausen und der Kirchengemeinde St. Blasii-Altendorf im Februar 2011 öfter schon Thema von Vorträgen und Zeitungsberichten war. Gestern nun ging es in der Galerie der Kreissparkasse Nordhausen in einem weiteren Vortrag um den aktuellen Zustand dieses wertvollen Buchbestandes.

Bisher überwog in den Vorträgen und Berichten die historische und bibliophile Bedeutung dieser Bibliothek, ihr bisheriges Schicksal und die bevorstehende endliche und endgültige Rückkehr nach Nordhausen, die im kommenden Jahr stattfinden wird. Vorträge übrigens, die jeweils vor einer beachtlich großem Zuhörerschaft stattfanden, die damit ihr Interesse an diesem wertvollen Bücherbestand bekundeten. Sei demgegenüber gleich hier bemerkt, dass das Interesse an der gestrigen Veranstaltung sehr viel geringer war.

Die Öffentlichkeit weiß also – so sie interessiert ist - um die Geschichte dieser Bibliothek, ihre Inhalte, Autoren, und ebenso um ihren derzeit noch vorhandenen Bestand. Vom aktuellen Zustand dieses Buchbestandes aber hatte man bisher nur ungenaue Kenntnis und Vorstellungen. Seit gestern weiß man zumindest, dass dieser Zustand sehr genau erfasst wurde und demzufolge bekannt ist. Dafür sorgte mit einem Sachvortrag der Geschäftsführer der Buchrestaurierung Leipzig GmbH, Christoph Roth.

Eingeladen zu diesem Vortrag hatte die Kreissparkasse Nordhausen gemeinsam mit dem Stadtarchiv Nordhausen. Während ja die Kreissparkasse mit ihrer Kulturförderung involviert ist und schon wiederholt zu Vorträgen zum Thema Himmelgartenbibliothek einlud, wird dem Stadtarchiv die Aufgabe zukommen, nach der Überführung der Bibliothek von Wittenberg nach Nordhausen für eine sachgerechte Unterbringung, Bereitstellung und Betreuung des Buchbestandes in der noch im Bau befindlichen Kulturbibliothek Sorge zu tragen.

Entsprechend ihrer Beteiligung begrüßte zunächst Sebastian Gräser, Leiter des Vorstandssekretariats des Geldinstituts, und Stadtarchivar Dr. Wolfram G. Theilemann den Referenten und die gekommenen Gäste, um dann gemeinsam in das vorgegebene Thema einzuführen und danach dem Fachmann für Buchrestaurierungen das Terrain zu überlassen.

Der zunächst einen stoisch zwischen Beamer und Leinwand sitzenden Teilnehmer einen anderen Platz empfehlen musste, um dann in einem ausführlichen, beamergestützten Vortrag über den Zustand dieser Bücher Vorstellungen zu vermitteln. Dessen Motto „Schimmel, Mäuse, Tintenfraß – Eine Schadenserhebung an der Himmelgartenbibliothek und ihre Ergebnisse“ schon im Vorfeld im wesentlichen erkennen ließ, um welche Art Schäden es sich bei den Büchern im wesentlichen handelt und wodurch sie entstanden. Was das Motto nicht erkennbar werden ließ, ist die unsachgemäße Lagerung und Behandlung der Bücher nach ihrer Rettung aus dem einstigen Servitenkloster Himmelgarten, das im Bauernkrieg geplündert und schließlich auch zerstört wurde. 1552 gelangte die Bibliothek in die St.Blasii-Kirche in Nordhausen, wo sie 1879 vom Heimatforscher Richard Rackwitz in einem „kläglichem Zustand“ gefunden wurde. Obwohl doch schon 1717 nach der Überlieferung ein Pastor namens Johannes Kindervater gemahnt hatte, die Nachfahren sollten sich pfleglich dieser außergewöhnlichen Bibliothek annehmen. Rackwitz jedenfalls sorgte sich in der Folgezeit um die Restaurierung der beschädigten Ledereinbände, die teilweise durch Leineneinbände ersetzt wurden. Wodurch allerdings beträchtliche bibliotheksgeschichtliche Spuren undokumentiert verloren gingen.

Roth vermittelte zunächst eine Vorstellung der Bibliothek, die insgesamt 714 Titel umfasst. Davon sind 230 Inkunabeln, also Druckwerke, die seit der Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern (um 1450) durch Johannes Gutenberg bis zum Jahre 1500 hergestellt wurden. 384 Titel stammen aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, 44 aus der zweiten Hälfte des 16 Jhs., 39 aus dem 17.Jh, sowie 17 aus dem 18. Jh. Vier Bände enthalten lateinische Handschriften vom Ende des 15. Jhs. Dokumentiert sind 51 Druckorte sowie 103 Drucker und Verleger Druckorte sind beispielsweise Leipzig, Straßburg und Basel. Buchgeschichtlich bedeutungsvoll sind auch neben den Inkunabeln und Erfurter und Wittenberger Frühdrucke 8 Einblattdrucke, größtenteils Unikate.
In diesem Zusammenhang soll hier auch an den spektakulären Fund eines Flugblattes aus dem Jahre 1517 durch den Historiker Dr. Hans Losche im Februar diesen Jahres erinnert werden, den er in der Himmelgarten-Bibliothek machte. Das illustrierte Flugblatt beschreibt eine Himmelserscheinung, die damals über Leipzig gesehen wurde. Der Berliner Kirchenhistoriker Hartmut Kühne meinte dazu, dass das weltweit der allererste Druck ist, in dem eine Himmelserscheinung als interessante Neuigkeit mitgeteilt wird. Bislang galt ein Wiener Flugblatt von 1520 als ältestes Dokument dieser Art.

Nach der von Christoph Roth vermittelten Übersicht wandte er sich den Schäden zu, die er nach Entstehung und Schwere schilderte. Danach sind etwa 64 Prozent des Bestandes mehr oder auch weniger durch Insekten (Ungeziefer), durch Wasserschäden, Schimmelbefall und ähnlichem betroffen. Roth beließ es im wesentlichen bei dieser Beschreibung, streifte Herstellung, Bestandteile und Verhaltensweise des verwendeten Papieres der Druckwerke vor 1850 und beschrieb dann die Art der (digitalen) Schadenserfassung, die inzwischen in einer Datenbank erfasst ist. Er vermittelte weiter die möglichen oder auch notwendigen konservatorischen Maßnahmen, bei denen auch die zukünftige Zuordnung der Bibliothek (repräsentativer Charakter, also Schauobjekt, oder Gebrauchsbibliothek) eine Rolle spielen dürfte. Aber auch die zukünftigen räumlichen und raumklimatischen Verhältnisse bedürften der Berücksichtigung. Der Experte in Sachen Buchrestaurierung konnte demzufolge keine Antworten auf Fragen nach dem finanziellen Aufwand geben, den die Behebung der Schäden erfordern würde. Wesentlich dürfte zunächst sein, nach Eintreffen der Bibliothek in Nordhausen, Schadensbegrenzung – zum Beispiel beim Schimmelbefall - einzuleiten.

Dem sehr anschaulichen, durch die gebaemten Bilder illustrierten Vortrag folgte ein Statement von Dr. Hans Losche, der (wohl auch vorsorglich) erneut die Bedeutung dieser Bibliothek für Nordhausen hervorhob (die ja auch kürzlich Oberbürgermeister Klaus Zeh als historisches Juwel unserer Stadt bezeichnete.) Das folgende Diskussionsangebot wurde vereinzelt und recht unterschiedlich genutzt. Dafür waren die Unterhaltungen danach umso lebhafter. Was sich auch auf das Interesse mancher Teilnehmer auf ähnlich alte Druckwerke bezog, die aus dem Bestand des Stadtarchivs zur Veranschaulichung ausgelegt waren. Die Überführung der Bibliothek rückt jedenfalls näher, und könnte dann ihrer Heimatstadt noch einige Probleme bereiten.

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