Freitag, 13. Dezember 2019

Fit im Alter: Es kommt auf die kognitive Reserve an

Wie bleiben wir im Alter geistig fit? Diese Frage beschäftigt Forschende seit langem. Die Anforderungen des demografischen Wandels verlangen nach mehr Wissen. Eine Studie vom Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund (IfADo) gibt nun Hinweise, wer im Alter geistig fit bleibt. Eine Schlüsselrolle spielt dabei unter anderem das Bildungsniveau. Die Studie ist aktuell im Journal „NeuroImage“ erschienen.

Während Kinder zu relativ ähnlichen Zeitpunkten laufen, sprechen oder rechnen lernen, gibt es im hohen Alter enorme Unterschiede: Vergisst die eine mit 70 Jahren bereits ihre Adresse, ist der andere noch zu kognitiven Höchstleistungen fähig. Eine aktuelle IfADo-Studie von Dr. Patrick Gajewski und seinen Kollegen geht diesem Rätsel der Alternsforschung nach.

Insgesamt 246 Personen aus drei Altersgruppen nahmen teil: jung (19-33 Jahre), mittelalt (40-53 Jahre) und älter (65-88 Jahre). Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mussten drei Aufgaben mit steigendem Schwierigkeitsgrad bearbeiten. Es handelte sich um den sogenannten Stroop-Test: Dabei werden Farbworte in gleichen oder anderen Farben präsentiert – beispielsweise erscheint das Wort „grün“ in roter Farbe (s. Foto). Die getesteten Personen müssen darauf hin je nach Aufgabenstellung das Wort lesen oder, was deutlich schwieriger ist, die abweichende Farbe des Wortes benennen, ohne es zu lesen. In der schwierigsten Variante musste zwischen Wortlesen und Farbe benennen schnell gewechselt werden. Der Stroop-Test erfasst also die Fähigkeit, störende Reize auszublenden und zielgerichtet zu handeln. Während der Tests wurden die Hirnströme mittels Elektroenzephalografie (EEG) gemessen.

Einfluss von Bildung und Familie

Erwartungsgemäß zeigte sich eine geringere Leistung, je älter die Versuchspersonen und je schwieriger die Aufgaben waren. Allerdings gab es innerhalb der Gruppe der Älteren sehr große Leistungsunterschiede. Die Ergebnisse zeigen, dass die Besten unter den Älteren eine signifikant höhere Bildung und einen höheren IQ haben sowie häufiger im Alltag Fremdsprachen nutzen. Auch das Zusammenleben mit Familie oder Lebenspartner hatte einen positiven Einfluss. Die Besten unter den Älteren schnitten insgesamt ähnlich gut ab wie die Gruppe der mittelalten Personen, welche im Schnitt 20 Jahre jünger waren.

Laut Autoren bestätigen die Ergebnisse die „Theorie der kognitiven Reserve“. Dieser Theorie nach wird im Laufe des Lebens durch Bildung und neue Herausforderungen ein anpassungs- und leistungsfähiges neuronales Netzwerk ausgebildet, das vor vorzeitigem Abbau kognitiver Funktionen im Alter schützt. Dass die Älteren bei den Tests auf eine kognitive Reserve zurückgreifen konnten, zeigte sich auch anhand der Hirnaktivität. Spezielle EEG-Maße der Handlungsvorbereitung und Aufmerksamkeitszuwendung waren bei den Besten der Älteren deutlich stärker ausgeprägt als bei den anderen Älteren und überdies vergleichbar mit mittelalten und sogar jungen Personen.

Kognitives Training im Alltag: Schon früh übt sich

Diese Unterschiede können zum Teil genetische Ursachen haben. Nichtsdestotrotz rät Erstautor Patrick Gajewski: „Wer im Alter geistig fit bleiben will, sollte rechtzeitig für seine kognitive Reserve Sorge tragen und Herausforderungen nicht aus dem Weg gehen, die das Gehirn trainieren. Dazu gehört z.B. Kopfrechen oder sich Einkaufslisten merken, genauso wie sich Routen aus der Karte einprägen, statt sich auf das Navi zu verlassen. Damit sollte man bereits in jungen Jahren starten. Allgemeinbildung ist auch ein ganz wichtiger Faktor.“

Doch auch im späteren Leben lässt sich das Gehirn durch kognitives Training positiv beeinflussen. „Tanzen ist ein gutes Koordinationstraining, das das Gehirn vielseitig fordert. Ebenso hilft es, ein neues Musikinstrument oder eine neue Sprache zu lernen und sie anzuwenden. Das Gehirn braucht ebenso Training wie jeder Muskel“, so IfADo-Forscher Gajewski.

Probandinnen und Probanden für weitere Forschung gesucht

Warum es bei der Leistungsfähigkeit älterer Menschen so große Unterschiede gibt, wird derzeit in der "Dortmunder Vital-Studie" detailliert untersucht. Für die Langzeitstudie sucht das IfADo noch für das ganze Jahr 2020 möglichst berufstätige Teilnehmer zwischen 35-44 Jahren und 60-70 Jahren. Infos und Anmeldung unter: https://www.ifado.de/vital-studie

Eva Mühle Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen