Geld ist kein Problem – Unterrichtsgarantie kann mit Nachtragshaushalt 2019 in Ansätzen erfüllt werden
In
einer gemeinsamen Erklärung haben die GEW Thüringen, tbb thüringen,
thüringer lehrerverband, Landesschülervertretung Thüringen und
Landeselternvertretung Thüringen heute einen Appell an die Thüringer
Landesregierung gerichtet, mit einem Nachtragshaushalt dringend
benötigte zusätzliche Stellen für Lehrerinnen und Lehrer an staatlichen
Schulen einzurichten. Dazu sind statt unattraktiver befristeter Stellen
zwingend unbefristete Stellen anzubieten. Nur dadurch kann der
Unterrichtsausfall wirksam bekämpft werden und die versprochene
Unterrichtsgarantie in Ansätzen umgesetzt werden. Der
Unterrichtsausfall hat sich gegenüber der gleichen Erhebungswoche im
September des vergangenen Jahres auf einen Wert von nunmehr
durchschnittlich 5,2 Prozent deutlich verschlechtert. Aus Sicht des
Bildungsministeriums, der Bildungsgewerkschaften sowie der Eltern- und
Schülervertretung zeigen die statistischen Zahlen, dass
Lehrereinstellungen weiterhin oberste Priorität haben müssen.
Die
Interessenvertreter der Pädagoginnen und Pädagogen, der Schülerinnen
und Schüler und der Eltern sind sich darin einig, dass
Steuerrekordeinnahmen und Rekordüberschüsse im Thüringer Landeshaushalt
eine Finanzierung der zusätzlich dringend benötigten Lehrkräfte möglich
machen. Rekordüberschüsse von 583 Millionen Euro im Jahr 2016, von 897
Millionen Euro im Jahr 2017 und ein für 2018 erwarteter Rekordüberschuss
von ca. 1 Milliarde Euro müssen auch dafür eingesetzt werden, den vom
Bildungsministerium und Gewerkschaften gemeinsam herausgearbeiteten und
erkannten Bedarf einer Personalvertretungsreserve (Lehrerinnen und
Lehrer, Erzieherinnen und Erzieher, Sonderpädagogische Fachkräfte) in
Höhe von 10 % in Einstellungen umzusetzen. Nur so lässt sich die
Unterrichtsgarantie wenigstens teilweise einlösen. Der Eintritt einer
Vielzahl an Lehrerinnen und Lehrern in den Ruhestand ist eine Tatsache
und erfordert sowohl von Landesregierung als auch Opposition die
unbedingte Bereitschaft, die in der Vergangenheit aufgewachsenen als
auch perspektivisch zu erwartenden gravierenden Personallücken
konsequent und zügig zu schließen. GEW Thüringen,
tbb, tlv, LSV und LEV fordern die Landesregierung deshalb zu einem
Nachtragshaushalt 2019 auf, der unbefristete Stellen zusätzlich in den
Haushaltsplan aufnimmt.
Im Wettbewerb der Bundesländer
um Lehrerinnen und Lehrer sind befristete Stellenangebote wahre
Ladenhüter und kaum nachgefragt. Von den im Jahr 2018 ausgeschriebenen
300 befristeten Stellen konnten bis jetzt nur knapp 185 Stellen besetzt
werden. Absolventinnen und Absolventen der zweistufigen Lehrerausbildung
bekommen in vielen Bundesländern unbefristete Stellen, meist inklusive
einer Verbeamtung angeboten. In einer Vielzahl von Fällen reagiert
Thüringen darauf noch immer mit unattraktiven befristeten Angeboten. Der
Misserfolg an dieser Stelle ist vorprogrammiert, doch leider hat sich
bisher die Sparpolitik des Finanzministeriums gegenüber dem
tatsächlichen Bedarf und den notwendigen Maßnahmen durchgesetzt. Das
muss durch die Schaffung zusätzlicher unbefristeter Stellen im Thüringer
Landeshaushalt 2019 unbedingt geändert werden.
Dazu Kathrin
Vitzthum, Landesvorsitzende der GEW Thüringen: „Diese Landesregierung
hat die Mittel zur Einlösung der Unterrichtsgarantie und nutzt sie
nicht. Die Folge sind Lehrermangel und damit Unterrichtsausfall. Das
Diktat des Sparens scheint wichtiger als die Ermöglichung von gleichen
Bildungschancen für alle Kinder.“ Der
tbb-Vorsitzende Helmut Liebermann fordert die Landesregierung auf, sich
anderen Landesregierungen anzuschließen und das Vorhaben weiteren
Personalabbaus nicht nur zu verschieben, sondern ad acta zu legen. Gute
Bildung lässt sich nun mal nicht mit immer weniger Personal gestalten.
Dazu
Frank Fritze, stellvertretender Landesvorsitzender des tlv: „Der tlv
thüringer lehrerverband warnt bereits seit 2011 vor dem Lehrerkollaps.
Inzwischen hat sich die amtierende Regierung die Unterrichtsgarantie auf
die Fahnen geschrieben – jedoch leider viel zu spät. Jahrelang haben
verschiedene Landesregierungen konsequent am Personalabbaupfad
festgehalten. Die Folgen sind bekannt: Unterrichtsausfall, fachfremder
Einsatz von Lehrpersonal und in Extremfällen Notenlücken auf den
Zeugnissen. Von einer Unterrichtsgarantie sind wir heute weiter entfernt
denn je.“ „Die Eltern erwarten von der
gesamten Landesregierung, endlich und sofort ausreichende Mittel für die
Unterrichtsgewährleistung zur Verfügung zu stellen. Jede fehlende
Stunde gefährdet die Zukunft unserer Kinder! Sie sind jetzt in der
Schule!“ macht Roul Rommeiß, gemeinsamer Landeselternsprecher,
deutlich. Dazu Benjamin Lewin Mann,
Landesschülersprecher: ,,Der Unterrichtsausfall an Thüringer Schulen
gefährdet zunehmend unseren Ausbildungserfolg, was zu einer generellen
Unzufriedenheit innerhalb der Thüringer Schülerschaft führt. Aus diesem
Grund fordern auch wir Schüler eine zukunftsorientierte
Einstellungspolitik, damit der Unterrichtsausfall auf ein Minimum
begrenzt wird und unsere Ausbildung auch in kommender Zeit gesichert
stattfinden kann."
Fallbeispiel 1 - Gymnasium 10 in ErfurtSilvia Mittmann und Astrid Radefeld, Elternsprecherinnen, über die Situation an ihrer Schule: „Die
Schülerinnen und Schüler der jetzigen 9. Klasse hatten in Klasse 7
keinerlei Chemieunterricht, da noch kein Chemielehrer am Gymnasium war.
Der fehlende Chemieunterricht sollte in Klasse 8 nachgeholt werden, was
nicht vollständig geschah. Statt der angestrebten 120 Stunden sind nur
40 Stunden erteilt worden. Die Chemielehrerin wurde schwanger und ging
im März 2018 in Beschäftigungsverbot, so dass im Schuljahr 2017/2018
kein Chemieunterricht mehr erteilt wurde. Im jetzigen Schuljahr
unterrichtet eine abgeordnete Lehrerin 1 Stunde pro Woche. Wir als
Eltern fragen uns, wie der Stoff der fehlenden 80 Stunden aufgeholt
werden soll und die Schüler auf die Besondere Leistungsfeststellung in
Klasse 10 vorbereitet werden sollen. Wir sehen unsere Kinder im Nachteil
zu anderen Schülern, besonders auch in Vorbereitung auf das Abitur, die
spätere Studienplatzwahl und den beruflichen Werdegang. Auch
unsere jetzige 7. Klasse erhält wiederum keinen Chemieunterricht, was
für das nächste Schuljahr Lücken aufreißt. Schlussendlich gibt es große
Defizite in den Fächern Ethik, Sport und Englisch an unserem Gymnasium
aufgrund von Lehrerausfällen. Wir Eltern fordern vom
Finanzministerium, umgehend finanzielle Mittel bereitzustellen, die eine
Lösung unserer Situation herbeiführen bzw. beschleunigen können.
Thüringen hat große Finanzüberschüsse, die unbedingt in die Bildung
unserer Kinder investiert werden müssen. Wir appellieren an die
Landesregierung, ihren Teil der Verpflichtungen in Schule und Bildung
wahrzunehmen.“
Fallbeispiel 2 – Regelschule EllrichRobert Hoffmann, Elternsprecher, über die Situation an seiner Schule:
„An
unsere Schule herrscht seit Jahren ein massiver Lehrermangel, gerade in
den naturwissenschaftlichen Fächern. Seit Oktober 2016 findet kein
geregelter Chemieunterricht mehr statt. Zurzeit findet in keiner
Klassenstufe Chemieunterricht statt. Die Fachlehrer sind dauererkrankt.
Eine Nachholung des versäumten Unterrichtsstoffes ist nicht mehr
möglich.
Massive Einschnitte gibt es in den Fächern Wirtschaft /
Recht / Technik, Biologie und Mathematik. Die Fachlehrer sind auch
dauererkrankt. WRT ist ein Profilfach und die Schüler der Klassenstufe 9
benötigen dieses Fach für ihren Abschluss. Dadurch wäre im Moment keine
Prüfung möglich.
Für Mathematik steht der Schule eine Lehrerin
zur Verfügung. In den Klassenstufen 5, 6 und 7 wird diese Woche zum
Beispiel keine Mathematik unterrichtet. Vertretung für diese Stunden
erfolgt teilweise fachfremd oder fällt ganz aus. In Fach Physik ist
akuter Stundenausfall da sich nur ein Fachlehrer seit 01.11.2018 in
Wiedereingliederung befindet.
Durch massiven Ausfall in den
naturwissenschaftlichen Fächern ist ein Besuch einerweiterführenden
Schule ab Klasse 10 nicht mehr möglich. Damit ist die Chancengleichheit
auf Bildung für unsere Schüler nicht mehr gegeben. Wir Eltern sind seit
nunmehr zwei Jahren mit der Problematik beschäftigt und haben weder vom
Schulamt, Ministerium oder Bildungsminister Hilfe erfahren. Wir fordern
dringend alle Verantwortlichen dazu auf, schnellst möglichst Abhilfe zu
schaffen, zu handeln und ihrer Verpflichtung zur Beschulung der Kinder,
laut Paragraph 1 Thüringer Schulgesetz nach zu kommen.“
Fallbeispiel 3 – Ernst-Abbe-Gymnasium in Jena Silviana Günther und Petra Wyrowski, Elternsprecherinnen, über die Situation an ihrer Schule:
„Wir
sind mit einem Stundenausfall für die gesamte Schule von mehr als 10
Prozent in das Schuljahr 2018/19 gestartet. Hochgerechnet auf die
Schullaufbahn unserer Kinder bedeutet das ein komplett ausgefallenes
Schuljahr. Zum Beispiel droht den Lateinschülern der Klasse 6b nach
Dezember entweder der zweite Lateinlehrerwechsel für die zweite
Fremdsprache in 1,5 Jahren oder aber ein kompletter Ausfall der
Lateinstunden ab Januar 2019. Grund ist die befristete Einstellung einer
Lateinlehrerin nur bis Ende Dezember 2018, obwohl diese langfristig an
der Schule benötigt wird. Es droht mit im Zeitraum Januar bis April 2019
eine unbesetzte Lateinlehrerstelle direkt vor den Abschlussprüfungen in
diesem Schuljahr, falls die befristet eingestellte Lateinlehrerin
irgendwo anders eine unbefristete Stelle bekommt. Schon jetzt ist
bekannt, dass die aus Elternzeit zurückkommende Kollegin nur zu 50
Prozent arbeiten möchte, aber zu mehr als 100 Prozent gebraucht würde.
Auch
andere Lehrer zum Beispiel in Musik oder Wirtschaft-Recht fallen in
diesem Schuljahr bereits jetzt geplant mehrere Wochen aus. Eine
Vertretungsreserve für den Stundenausfall ist nicht in Sicht.“
Für Rückfragen stehen Ihnen zur Verfügung: GEW Thüringen: Dr. Michael Kummer Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Heinrich-Mann-Straße 22 / 99096 Erfurt Telefon: 0361 590 95 22 Mobil: 0151 1063 2902 E-Mail: michael.kummer@gew-thueringen.de tbb: Helmut Liebermann Landesvorsitzender Schmidtstedter Straße 9 / 99084 Erfurt Telefon: 0361 654 75 21 E-Mail: liebermann@dbbth.de
tlv: Frank Fritze stellv. Landesvorsitzender Tschaikowskistraße 22 / 99096 Erfurt Telefon: 0361 302 526 30 Mobil: 0170 605 5913 E-Mail: f.fritze@tlv.de
LEV: Roul Rommeiß Landeselternsprecher Werner-Seelenbinder-Str. 7 / 99096 Erfurt Telefon: 0361 573 432 060 Mobil: 0171 672 1351 E-Mail: info@lev-thueringen.de
LSV: Benjamin Mann Landesschülersprecher Werner-Seelenbinder-Str. 7 / 99096b Erfurt Telefon: 0361 3794 895 Mobil: 0176 601 467 68 E-Mail: benjamin.lewin.mann@lsv-thueringen.org
Gymnasium 10: Silvia Mittmann Elternsprecherin E-Mail: elternsprecher@gym10-erfurt.de Mobil: 0177 671 14 39
Regelschule Ellrich: Robert Hoffmann Elternsprecher E-Mail: robert-katja@t-online.de Mobil: 0160 624 51 13
Ernst-Abbe-Gymnasium Jena: Petra Wyrowski Elternsprecherin E-Mail: Elternsprecher@eag-jena.de Mobil: 0170 480 08 07
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