Es war wohl Zufall,
dass die Premiere der Oper „Dialogues des Carmélites“ im Theater
Nordhausen zu einem Zeitpunkt stattfand, zu dem in Deutschland der
Verfolgten und Opfer des Nationalsozialismusses gedacht wurde. Die
Erinnerungen, die sich mir während der Aufführung dieser
Problemoper aufdrängten und schon ihren Ursprung nahmen in der
Einführung am 14. Januar im Gro0en Haus des Theaters, begleiten mich
auch heute noch. Dort ging es doch zunächst kurz und u.a. um das
Thema Angst im Zusammenhang mit dem
Schicksal der Karmeliterinnen zu
Zeiten der französischen Revolution. Als immer deutlicher werdende
Begleiterscheinung ihres klösterlichen Lebens, bedroht vom Hass der
Jakobiner und der nach Freiheit und Ungezwungenheit strebenden Bürger
von Paris.
Was in dieser
Einführung nur jeweils kurz angesprochen wurde, findet in der Oper
selbst nachvollziehbaren Ausdruck und wird
im Programmheft von Anja
Eisner ausführlich erläutert. Und gerade diese unmittelbar vor der
Aufführung gelesene Erläuterung brachte mir eine Begebenheit aus
dem Jahre 1944 in Erinnerung, als eines Morgens wahr wurde, was
zunächst schon länger vorher nur unbestimmt befürchtet worden war:
die Gestapo holte die in unserer unmittelbaren Nachbarschaft wohnende
jüdische Familie des Schneidermeisters Sollman
ab. Wohin sie
gebracht wurde blieb unbekannt. Die Aktion sollte wohl möglichst
unbemerkt ablaufen, wurde aber doch von mehreren anderen Nachbarn
beobachtet. Und von mir, der ich mich damals als Ministrant gerade
zur Morgenmesse aufmachte. Und plötzlich war wieder die Beklemmung
da, die diese Abholung damals bei den Nachbarn auslöste: niemand
sprach offen darüber, obwohl sich doch die Kunde rasch verbreitete.
Man scheute sich,mißtraute sich wohl gegenseitig, hatte Sorge, man
könne mißverstanden werden und Angst, es könne einen dann selbst
treffen.
Und während ich nun
in der Premiere der Handlung mit ihren nicht immer ganz leicht zu
verstehenden Übertiteln folgte, drängte sich mir eine Beklemmung
ähnlich wie damals als Bub auf, die schließlich stärker war als
die Eindrücke, die die schauspielerischen Leistungen der Akteure
hervorriefen. Und über die Schlussbilder, dem Weg der Schwestern
auf's Schafott anhielten. Ich war danach außerstande, Beifall zu
zollen für das, was mir da ins Gedächtnis gerufen worden war. Und
meine, dass der teilweise frenetische Schlussbeifall nur bei
Teilnehmern an der Premiere möglich war, die weder zur eigentlichen
inhaltlichen Handlung, noch zu dem Gedenken dieser Tage an Holocaust
und Judenhass eine innere Beziehung haben.
(Wenn dieser Eintrag
von der üblichen Art einer Premierewürdigung abweicht, mag man mir
das nachsehen, so eben waren meine Eindrücke)
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