Sonntag, 28. Januar 2018

„Dialogues des Carmélites“:Die Angst war gegenwärtig

Es war wohl Zufall, dass die Premiere der Oper „Dialogues des Carmélites“ im Theater Nordhausen zu einem Zeitpunkt stattfand, zu dem in Deutschland der Verfolgten und Opfer des Nationalsozialismusses gedacht wurde. Die Erinnerungen, die sich mir während der Aufführung dieser Problemoper aufdrängten und schon ihren Ursprung nahmen in der Einführung am 14. Januar im Gro0en Haus des Theaters, begleiten mich auch heute noch. Dort ging es doch zunächst kurz und u.a. um das Thema Angst im Zusammenhang mit dem
Schicksal der Karmeliterinnen zu Zeiten der französischen Revolution. Als immer deutlicher werdende Begleiterscheinung ihres klösterlichen Lebens, bedroht vom Hass der Jakobiner und der nach Freiheit und Ungezwungenheit strebenden Bürger von Paris.
Was in dieser Einführung nur jeweils kurz angesprochen wurde, findet in der Oper selbst nachvollziehbaren Ausdruck und wird
im Programmheft von Anja Eisner ausführlich erläutert. Und gerade diese unmittelbar vor der Aufführung gelesene Erläuterung brachte mir eine Begebenheit aus dem Jahre 1944 in Erinnerung, als eines Morgens wahr wurde, was zunächst schon länger vorher nur unbestimmt befürchtet worden war: die Gestapo holte die in unserer unmittelbaren Nachbarschaft wohnende jüdische Familie des Schneidermeisters Sollman
ab. Wohin sie gebracht wurde blieb unbekannt. Die Aktion sollte wohl möglichst unbemerkt ablaufen, wurde aber doch von mehreren anderen Nachbarn beobachtet. Und von mir, der ich mich damals als Ministrant gerade zur Morgenmesse aufmachte. Und plötzlich war wieder die Beklemmung da, die diese Abholung damals bei den Nachbarn auslöste: niemand sprach offen darüber, obwohl sich doch die Kunde rasch verbreitete. Man scheute sich,mißtraute sich wohl gegenseitig, hatte Sorge, man könne mißverstanden werden und Angst, es könne einen dann selbst treffen.
Und während ich nun in der Premiere der Handlung mit ihren nicht immer ganz leicht zu verstehenden Übertiteln folgte, drängte sich mir eine Beklemmung ähnlich wie damals als Bub auf, die schließlich stärker war als die Eindrücke, die die schauspielerischen Leistungen der Akteure hervorriefen. Und über die Schlussbilder, dem Weg der Schwestern auf's Schafott anhielten. Ich war danach außerstande, Beifall zu zollen für das, was mir da ins Gedächtnis gerufen worden war. Und meine, dass der teilweise frenetische Schlussbeifall nur bei Teilnehmern an der Premiere möglich war, die weder zur eigentlichen inhaltlichen Handlung, noch zu dem Gedenken dieser Tage an Holocaust und Judenhass eine innere Beziehung haben.

(Wenn dieser Eintrag von der üblichen Art einer Premierewürdigung abweicht, mag man mir das nachsehen, so eben waren meine Eindrücke)

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