Sonntag, 26. August 2012

Besuchseindrücke aus der Welfenstadt Braunschweig



Als Besuchsort hatte die Nordhäuser Gästeführergilde für ihre diesjährige Reiseexcursion am gestrigen Samstag die Stadt Braunschweig auch wegen ihrer einstigen geschichtlichen Verquickung zu Nordhausen gewählt. Eine gute Wahl, wie sich zeigte und zu berichten ist.

Wer das Glück hat, neben den Gildemitgliedern an einer solchen Besuchsreise teilzunehmen, sollte schon ein gehöriges Maß an geschichtlichem und kulturellem Interesse mitbringen, um nicht überfordert zu werden. Schon weil der jeweilige Einführungsvortrag auf der Fahrt zum Zielort in der Regel doch geschichtlich recht sachspezifisch und anspruchsvoll ausgelegt ist. (Nachdem ich schon mehrere dieser Touren begleiten konnte, weiß ich um diese Begleitumstände. Und werde den gestern von Dorothee Schwarz gehaltenen Vortrag später noch im Entwurf einstellen) Und die jeweils folgende Stadtführung in der besuchten Stadt sich doch im wesentlichen auf die zuvor vermittelte Einführung stützt. Demzufolge auch entsprechende Schwerpunkte aufweist. Was auch notwendig erscheint, denn in einer Großstadt wie Braunschweig mit seiner territorialen Ausdehnung und seinem weit zurückreichenden geschichtlichen Hintergrund ist einfach eine Beschränkung auf Schwerpunkte unerlässlich. Wobei ja erstaunlich ist, in welch vielgestalteter Weise sich diese Stadt aus den Trümmern des Zweiten Weltkrieges entwickelte. Und seiner Geschichte Rechnung getragen hat. Immerhin war Braunschweigs Innenstadt durch Bombenangriffe zu 90 Prozent zerstört. Und weist gerade unter Berücksichtigung dessen doch einen Anteil an alten Bauwerken (Kirchen, Schlösser, Fachwerk, Denkmale) – vielfach gekonnt restauriert – aus der Vergangenheit auf, der erstaunlich ist.

Um also diese Stadt von Nordhausen aus zu erreichen, versammelten sich die Teilnehmer dieser Excursion erst einmal am Bahnhofsplatz, suchten sich einen geeigneten Platz im bereitgestellten Keitel-Omnibus, worauf die Fahrt mitten durch den Harz - mit Zwischenstop am Torfhaus – ins nördliche Harzvorland führte und schließlich nach Braunschweig, das nach zwei Stunden erreicht wurde.

Die ausgezeichnet organisierten Besuchsveranstaltung begann mit einer Stadtrundfahrt, während der den Teilnehmern sehr sachkundig ein geraffter Überblick über die Stadt an der Oker vermittelt wurde. Mit Rückblenden auf die politische, wirtschaftliche und wissenschaftliche Vergangenheit und die Entwicklung, die sich daraus ergab. Bauliche Relikte aus jener Zeit – etwa aus der Zeit des Dritten Reiches – sind noch vorhanden.
Es wurde bei dieser Rundfahrt aber auch das pulsierende Leben erkennbar, das in dieser Stadt herrscht. Eben Großstadtflair.

Nach dieser Rundfahrt mit ersten Eindrücken dieser Stadt versammelte man sich auf dem Burgplatz im Herzen der Stadt. Und informierte sich an der Säule mit dem Braunschweiger Löwen und zahlreichen Tafeln mit Aufschlüssen über 2000 Jahre Christentum über die frühe geschichtliche Entwicklung dieser Stadt. Einer Replik des Löwen übrigens, dessen Original sich zum Schutz vor Umweltschäden in der Burg Dankwarderode befindet. (Man kennt Vergleichbares vom Original des Nordhäuser Roland.) Dieser Burgplatz als zentraler Ort für jede Art größerer Veranstaltungen (einschließlich Weihnachtsmärkte) wird umgeben von einigen der markantesten Bauwerken des Mittelalters – Dom St. Blasii, Burg Dankwarderode – dem Landesmuseum und mittelbar vom Rathaus der Stadt.

Nachdem sich die Besucher aus Nordhausen in zwei Gruppen geteilt hatten, begann die eigentliche Stadtführung mit Erklärungen zu den gerade genannten Bauwerken, sowie einem Kurzbesuch der eben genannten Burg. Bezeichnend dabei ist die Tatsache, dass städtische StdtführerInnen keine Führungen im Dom durchführen dürfen, weil es dafür eigene FührerInnen und Bestimmungen gibt. Die Führung setzte sich nun fort zum Schlossplatz, dem Residenzschloss mit Europas größter Quadriga. Weiter ging es dann zum Altstadtmarkt und dem dortigen Alten Rathaus, dem Gewandhaus und Erläuterungen zu den zahlreichen Kirchen (jeder Stadtteil hat ihre eigene Kirche) und Bauten im Zentrum der Stadt.
Die Teilnehmer erhielten so neben diesen unmittelbaren Vorstellungen und Eindrücke urbaner – auch stadtkundlicher, architektonischer und geschichtlicher - Gegebenheiten auch weitergehende Hinweise zur Bedeutung Braunschweigs als Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort hohen Ranges. Schon die Verleihung des Titels "Stadt der Wissenschaft 2007" dokumentiert eindrucksvoll, dass die Braunschweiger Region führend bei zukunftsweisenden Entwicklungen ist: 27 international renommierte Forschungseinrichtungen (darunter Europas einziger Forschungsflughafen) und 250 Firmen des Hochtechnologie-Sektors sind hier ansässig. Und mit dem höchsten Anteil von Forschungs- und Entwicklungsausgaben an der Wirtschaftsleistung belegt die Region in punkto Forschungsintensität sogar Platz eins im gesamten europäischen Wirtschaftsraum.
Die Stadtführerin erklärte anschaulich, allerdings nur ansatzweise – z.B. zum Luftfahrt-Bundesamt oder die Physikalisch-Technische Bundesanstalt, die ihre Zeitsignale jetzt auch übers Internet sendet. Und sie gibt Tips als Anregungen für eigene Erkundungen. Weil ja der geführte Stadtrundgang am Vormittag sein Ende fand, während der Nachmittag der individuellen Gestaltung vorbehalten war.

Und der wurde dann nach dem Mittag im Ratskeller auch reichlich und entsprechend der Interessen der einzelner Teilnehmer oder Gruppen genutzt: stiegen manche im Stadtschloss hinauf bis zur Quadriga, besuchten andere das Staatstheater, den Dom oder eine der anderen zahlreichen Kirchen. Während die geschichtsinteressierten Besucher meist noch einmal die Dankwarderoder Burg besuchten. Und sich dabei von der Nordhäuser Stadtführerin Dorothee Schwarz nach deren einführendem Vortrag während der Hinfahrt die Verstrickung des Welfenherzogs Heinrich des Löwen, des Vetters und Kaisers Friedrich Barbarossas, mit Nordhausen näher erklären ließen. Die kurz gesagt darin bestand, dass Herzog Heinrich (der Braunschweig um 1150 zu seiner Residenzstadt gemacht hatte und Dankwarderode als seine Burg ausbauen ließ) 1180 neben Mühlhausen auch Nordhausen zerstörte. Weil der damalige Landgraf von Thüringen zu jener Zeit kaisertreu war. Und Heinrich mit dem Kaiser – seinem Vetter - zerstritten war.

Und noch einmal spielte Nordhausen danach eine Rolle, allerdings in ganz gegensätzlichem Sinne. Als nämlich Otto IV, Sohn des Welfenherzogs Heinrich des Löwen, 1212 die Tochter seines Feindes Philipp des Staufers, in Nordhausen heiratete. Dabei gehen über das Gotteshaus, in dem die Trauung stattfand, die Meinungen auseinander. Vermutlich war es die Kirche St. Blasii, denn der Dom zu Nordhausen lag zu jener Zeit nach dessen Zerstörung noch in Trümmern. Die Ehe soll der Aussöhnung der beiden Geschlechter gedient haben.

Damit mag es sein Bewenden haben. Die Besucher aus Nordhausen nutzten also die Zeit ganz nach Gutdünken und fanden sich schließlich zur Heimfahrt am Spätnachmittag wieder zusammen. Von dieser Fahrt dürfte manchen im Gedächtnis bleiben die ausgezeichnete Aussicht aus dem Vorland des Harzes auf die vor ihnen liegenden Berge mit dem Brocken. Die das wunderschöne Wetter dieses Tages zumindest in jenem Landstrich ermöglichte. Nachdem man noch einmal am Torfhaus pausiert hatte, ging es zügig weiter, wobei Gildemeister Winfried Werhahn neben einigen vereinsinternen Bekanntmachungen vor allem der Schatzmeisterin des Vereins, Dorothee Schwarz, für deren hervorragende Organisation dieser Besuchsexcursion danke. Der Beifall darüber zeigte, dass diese Meinung der allgemeinen Überzeugung entsprach. Es war eine außerordentlich erlebnisreiche Tagesreise.

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