Als interessierter Mediennutzer erachte ich die überregionale Berichterstattung der Medien derzeit als nicht vornehmlich informierend, sondern beträchtlich unausgewogen oder sogar aufdringlich und störend in Bezug auf die eigene Meinungsbildung. Gegen die die eigene Abwägung mitunter nicht leicht fällt.
Während also die Berichterstattung etwa zur Euro- oder Schuldenkrise innerhalb der Eurozone mit ihren Auswirkungen durchaus informierend wirkt, ohne wirklich klare Vorstellungen zu liefern – siehe dazu die nnz-Umfrage zum Vertrauen in den Euro - nehme ich derartige Berichte ebenso zur Kenntnis wie etwa die dramatischen Vorgänge in Syrien. Und bin gespannt auf die weitere Entwicklung
Wesentlich anders verhält es sich mit der Berichterstattung zu Vorgängen in Russland, derzeit vor allem zu dem Gerichtsverfahren und der Verurteilung der Punkband
Pussy Riot, das beherrschendes Thema der vergangenen Woche war. Und daneben den Vorgängen um den Wikileak-Mann Julian Assange. Wenn meiner Ansicht gemäss auch beide Probleme nichts miteinander zu tun haben, hat Assange selbst in einer Verlautbarung (WELT vom 19.08.) versucht, eine Parallele zu ziehen. Und deshalb kann ich darauf auch eingehen
Nun halte ich mich nicht für sachkundig genug, um das alles substantiell beurteilen zu können.Und Spekulationen gehören nicht zu meinem gängigen Argumentationsrepertoire. Deshalb hier eine Beschränkung auf die bekannte Vorgeschichte zu der Skandalband Pussy Riad, von der ich bis zu den Vorgängen in der Moskauer Kathedrale nie etwas hörte. Und die also im Februar in der Erlöserkathedrale in Moskau den Altarraum stürmten. Bilder zeigen, wie die Frauen in dem eigentlich nur für Würdenträger zugänglichen Altarraum maskiert herumspringen, sich bekreuzigen.und mit dem Lied "Mutter Gottes, du Jungfrau, vertreibe Putin!" gegen dessen Wahl protestierten. Die Kirche gilt immerhin als das Herz des russisch-orthodoxen Christentums. Warum man zu diesem Protest auch noch maskiert sein musste und warum man mit ihrem Tun bewusst die Gefühle der Gläubigen grob verletzte, wird nirgendwo erklärt. Ohne diese Maskerade hätte ich den Protest immerhin als mutig erachtet. Es gab allerdings zu jener Zeit auch wiederholt Demonstrationen tausender Russen gegen (und für) Putin, die Drei hätten also leicht ein passenderes Forum für ihren Protest gefunden. Und mit meinem religiösem Verständnis halte ich allein die Wahl dieses Gotteshauses für deren Provokation für ein Sakrileg, das zu Konsequenzen Anlass gibt. Über Art und Ausmaß haben andere zu entscheiden. Was sie inzwischen ja auch getan haben.
Nun wird dieses Urteil weltweit als unangemessen und politisch motiviert bezeichnet. Und sich der Kreml vorgeblich eisern an seinem behaupteten obersten Credo festhält, sich internationalem Druck in keinem Fall zu beugen. Und sich Wladimir Putin von einem Weg zu Rechtsstaat und Demokratie endgültig verabschiedet hat. Und sich auch kaum noch bemüht, das zu verbergen. Wenn man dafür allerdings keine anderen konkreten Beweise anzuführen vermag, als diesen Prozess gegen Pussy Riad, ist das meines Erachtens recht dürftig. Und die ganze Problematik in meinen Augen vorgeschoben.
Man kann diesen Problemkomplex für sich betrachten. Nur versuchte ja gerade gestern Julian Assange, ihn für sich zu nutzen und eine Art Parallele herzustellen, die es meines Erachtens aber schon vom Ansatz her nicht gibt.
Schon weil Assange im Zusammenhang mit dem Haft- und Auslieferungsersuchen der schwedischen Justiz von dessen unmittelbarer Ursache abzulenken versucht und eine „Hexenjagd“ unter Berücksichtigung seiner Wikileak-(Mit)Gründung und der Beschaffung und Veröffentlichung geheimer Papiere vor allem in den USA zu konstruieren. Dabei ist es ihm offenbar gelungen, Ecuador von dieser, seiner konstruierten Problematik zu überzeugen und politisches Asyl in der Botschaft dieses Landes in Großbritannien zu erhalten.
Richtig ist demgegenüber, dass in Schweden gegen Assange allein wegen sexueller Delikte ermittelt wird. Wenn er deshalb in Richtung USA appelliert: „Ich fordere Präsident Obama auf, das Richtige zu tun. Die Vereinigten Staaten müssen ihre Hexenjagd auf Wikileaks aufgeben“, ist das wohl der Versuch, von der unmittelbaren Problematik abzulenken. Korrekt und der Sache angemessen wäre es, sich der schwedischen Justiz zu stellen, und mitzuwirken, das dort laufende Verfahren zu einem Ende (einer Klärung) zu bringen. Statt Umstände vorzuschieben, die rein spekulativ sind. Richtig scheint jedenfalls zu sein, dass es in beiden hier behandelten Fällen um Menschen-rechte geht. Wenn jeweils auch in einem völlig anderem Sinne.
Aktueller Zusatz: Wie der „Rheinischen Post“ zu entnehmen ist, haben drei Nachahmer der Punk-Band Pussy Riot gestern einen Gottesdienst im Dom zu Köln in ähnlicher Weise gestört. Sie wurden umgehend von Kirchenordnungskräften des Gotteshauses verwiesen und erhielten eine Anzeige wegen Störung der Religionsausübung, Hausfriedensbruch und Verstoßes gegen das Versammlungsrecht.
Dompropst Norbert Feldhoff hatte schon vorsorglich zu Beginn des Prozesses in Russland darauf hingewiesen, dass ein derartiger Auftritt auch im Kölner Dom mit der Würde des Gotteshauses nicht vereinbar sei und nicht toleriert würde.