Sonntag, 12. Mai 2013

Viel Anerkennung für Schillers „Die Räuber“


Neugierig war ich schon, als ich am Samstag das „Theater unterm Dach“ in Nordhausen besuchte, um mitzuerleben, was der Theaterjugendclub des Theaters Nordhausen aus Friedrich Schillers „Die Räuber“ gemacht hat. Hieß es doch in der Vorschau, Bianca Sue Henne, Leiterin des Jungen Theaters, habe den Jugendlichen mehr als bisher bei der Erarbeitung der Szenen freien Lauf gegeben. „Das ist das eigenständigste Projekt des Theaterjugendclubs, seit ich am Theater Nordhausen bin“, hatte sie geäußert.
Alle Räuber-Szenen sind aus Improvisationen entstanden, die später fixiert wurden. Die Szenen hingegen, in denen präzise Sprache eine Rolle spielt, wurden von Beginn an genau gelernt. Dabei lag es den Jugendlichen selbst am Herzen, so viel Originaltext wie möglich zu erhalten. Herausgekommen sei eine Produktion, die ihnen sehr nah ist, „eine echte Ensemblearbeit“ so Bianca Sue Henne. „Neue Jugendclubber und ‚alte Hasen‘ agieren sehr gleichberechtigt.“
Und mit zunehmender Dauer des Schauspiels bestätigte sich diese Vorschau. Und da, wo sich zeitweise abzeichnete, wer neuer Jugendclubber ist, wer also der „präzisen Sprache“ mehr Beachtung schenkte, als der Verbindung und damit Identifizierung mit der ihm übertragenen Rolle, verschmolz das in der Gesamtleistung der Akteure. Und die beeindruckte durch die emotionale, leidenschaftliche Intensität zumindest derer, die das Geschehen bestimmten.
Und das sind zunächst einmal Franz von Moor, zweitgeborener Sohn des regierenden Grafen Maximilian von Moor, der mit seinem alten Vater zusammen lebt und zeitlebens missgünstig auf seinen älteren Bruder Karl ist. Der vom Vater über alles geliebt und bevorzugt wird. Dazu kommt Amalia, die mit Karl verlobt ist und mit im Schloss lebt. Karl indessen beginnt ein Philosophie-Studium, das er aber abbricht und ein zunehmend lockeres Studentenleben führt. Mit seinen Freunden gründet er schließlich sogar eine Räuberbande, die alsbald schlimme Taten verübt. Franz erfährt und nützt dies und intrigiert mit gefälschten Briefen gegen ihn beim Vater. Amalia will ohne ihn aber nicht mehr weiterleben und bittet ihn, sie zu töten. Schweren Herzens tut ihr Karl diesen letzten Gefallen und tötet sie, um sich danach der Justiz auszuliefern.
Den er schließlich dazu bringt, Karl zu enterben und zu verstoßen. Lediglich Amalia hält in ihrer Liebe weiter zu Karl, muss sich aber zunehmend den Annäherungsversuchen von Franz erwehren. Der inzwischen weiter seine egoistischen Pläne verfolgt, die auf Beseitigung des Vaters gerichtet sind, um selbst die Macht zu übernehmen. In Herrmann, einem zunächst mit Maximilian von Moor befreundeten, dann aber mit ihm zerstrittenen Adligen, findet er umso leichter einen willfährigen Helfer, weil Amalia Karl statt ihm den Vorzug gab. Mit ihm zusammen lassen sie Vater Moor verschwinden, erklären ihn für tot, und Franz wähnt sich am Ziel. Lediglich Amalia wehrt sich weiter gegen seine Zudringlichkeiten. Karl, im Grunde ein Idealist, will mit seiner Bande gegen das Unrecht in der Welt und für die Freiheit kämpfen.
Die aber radikalisiert sich unter dem Einfluss von Spielberg, dem es vornehmlich um Raubzüge geht. Und um die Führungsrolle der Bande. Karl kommt unerkannt ins Schloss, nachdem er die Hintergründe erfährt, die zu seiner Enterbung durch den Vater führten. Franz ahnt aber seine wahre Identität und befielt dem Diener Daniel, den vermeintlichen Grafen zu vergiften. Der dies allerdings verweigert. Franz philosophiert nun über das Dasein als Mensch und hofft, von Pater Moser, dem Hausgeistlichen, Rat zu erhalten. Nachdem sich auch herausstellt, dass Vater Moor noch lebt. Als atheistischen Zyniker prallt Paters Zuspruch aber von ihm ab. Karl dagegen will Amalia noch ein letztes Mal sehen und dann das Schloss wieder verlassen.
Diese stark verkürzt und komprimiert wiedergegebene Handlung wird in der gestrigen Premiere-Aufführung von den Akteuren modifiziert und nicht weniger zusammengefasst umgesetzt. Teils hinter einer großen Leinwand als Schattenspiel, teils davor in höchst anschaulicher Weise verleihen sie der Handlung mitunter dramatisch – vereinzelt sogar vulgär – Leben und Ausdruck . Die Video-Selbstaufnahmen erhöhen diese Dramatik zusätzlich, wirken allerdings bei zu naher Einstellung verschwommen, monströs und eher bedrohlich auf der Leinwand.
Die musikalische Begleitung unterstreicht noch diesen zeitweiligen Pathos. Recht und Gerechtigkeit – dargestellt durch die Handlungen der beiden Brüder – gewinnen damit jedenfalls beredten Ausdruck. Beide sind sich bewusst, dass sie Unrecht getan haben und müssen mit diesem Wissen umgehen. Und sühnen jeder für sich.
Die meist weiblichen Darsteller wirken durchaus überzeugend und beeindrucken durch Ausdruckstärke und Emotionalität. Das überwiegend junge Publikum, unter dem Intendant Lars Tietje, Theaterdirektorin Angela Kalms, Superintendent Michael Bornschein und Literaturexperte Dietrich Rose umso mehr auffielen, hielt sich mit Szenenablaus zurück, der mitunter verständlich gewesen wäre, bedachte aber nach Ende der Aufführung die Darsteller mit umso heftigeren, lang anhaltenden Beifall.
Für mich darf ich bemerken, dass ich Schillers „Die Räuber“ erstmals 1957 bei der Wiedereröffnung des Mannheimer Nationaltheaters (im Kleinen Haus) und danach an verschiedenen Bühnen Süddeutschlands erlebte. Und unterschiedlich stark beeindruckt wurde. Und diese gestrige Aufführung durch das „junge“ Theater Nordhausen gehört nun zu den besten – weil unbeschwert gebotenen - Eindrücken dieses Erstlingswerkes Friedrich Schillers, das er1781 mit 22 Jahren schrieb. Also etwa so alt wie die gestern wirkenden DarstellerInnen. (Fotos von Wolfgang Kurima Rauschning)
Die nächsten Vorstellungen finden statt am 27.05. und 02.06. jeweils um 19.30 Uhr ebenfalls im Theater unterm Dach. Karten gibt es an der Theaterkasse (Tel. 0 36 32/98 34 52) und an den Vorverkaufsstellen der Theater Nordhausen/Loh-Orchester Sondershausen GmbH.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen