Freitag, 10. Mai 2013

Das (verbliebene) Gesicht des NSU ist weiblich


Nun also hat der Prozess gegen Beate Tschäpe nach Überwindung zahlreicher Hindernisse begonnen. Glaubt man der „Thüringer Allgemeine“, wird im Saal 101 des Münchner Oberlandesgerichts allerdings über die zehn NSU-Morde verhandelt. Wenn dem wirklich so ist, müsste eigentlich nicht nur gegen Beate Tschäpe und vier Mitangeklagte verhandelt werden, sondern auch über die Versäumnisse der deutschen Geheimdienste, die – wie es den Anschein hat – überhaupt erst möglich machten, dass es zu zehn Morden kam. Und gerade Thüringen hat mit seinen Geheimdiensten zu dieser Problematik einiges zu erklären. Zu dem auch der investigative Journalismus der „Thüringer Allgemeine“ bisher nicht viel beigetragen hat. Möglich, dass man deshalb mit einer ganzen Mannschaft in München vertreten ist.

Und schon nach dem ersten Tag seitenlang berichtet, wie ich gerade den Ausgaben der vergangenen Tage (aus zweiter Hand nämlich) entnehmen kann. Obwohl es am ersten Verhandlungstag am Montag außer einigen Befangenheitsanträgen nicht viel Sachdienliches zu berichten gab. Zuschauer, die sich teilweise schon um Mitternacht vor dem Gerichtsgebäude einfanden, um einen Platz im Zuschauerraum zu ergattern, dürften über die Kürze des Auftaktes recht enttäuscht gewesen sein. Immerhin konnten sie mit einen ersten persönlichen Eindruck von der angeklagten Beate Tschäpe wieder nachhause gehen. Wie unterschiedlich ihr Erscheinen dabei auf die akkreditierten Journalisten wirkte, konnte ich zunächst den Berichten in den Zeitungen im Internet entnehmen, die diesen Auftritt von den Plätzen aus beobachteten, die für sie reserviert waren. Um die es ja im Vorfeld viel Trubel gab. Und diese professionellen Beobachter bemühen sich ja seitdem, wie eben die der „Thüringer Allgemeine“, ihrer Rolle als Berichterstatter von Beginn an vollauf gerecht zu werden. Und obwohl es – wie bemerkt - über diesen ersten Auftritt der Angeklagten – neben Tschäpe noch vier weitere - noch nicht viel zu berichten gab, was sich im Gerichtssaal des Münchner Oberlandesgerichtes zutrug, wissen clevere Journalisten auch aus dem wenigen beliebig lange und ausführliche Berichte zu machen. Und entsprechend ausführlich sind also die Berichte und Kommentare, die es nach dem kurzen Auftakt gibt. Von denen ich ja immer erst einige kenne. Obwohl ich das Internet durchforstete.

Und diese Berichte bewegen sich zwischen emotional und recht sachlich, wobei sich die Aufmerksamkeit fast ausschließlich auf Beate Tschäpe konzentrierte. Und wenn ich aus dem, was mir da an Berichten und Kommentaren vor die Augen kam, Resumee ziehe, sind da Journalisten jeden Kalibers am Werk. Während einige ihr Augenmerk vornehmlich auf Beate Tschäpe richteten, von provokanten Posen, demonstrativ verschränkten Armen, freundlich lächelnd und selbtbewusster Haltung berichteten, die „verstörte“, verzichteten andere Medien auf eine subjektive Betrachtung zur Hauptangeklagten zugunsten der Erwartung eines ganz normalen Prozesses „gegen eine Mörderbande“, deren Schuld durch das Gericht auch erst noch bewiesen werden muss.

Und selbst der versammelte „Kameramob“ wird in einigen Zeitungen, z.B. der „Rheinischen Post“ auf's Korn genommen, der sich im weiteren Verlaufe einer angemessenen Zurückhaltung befleißigen sollte. Ein Rat, der nach allen Erfahrungen mit dieser Klientel, wohl am wenigsten beherzigt werden dürfte. „Daran“, so schreibt die „Rheinische Post“ weiter, „sollten sich im Übrigen auch Wir, die prozessbegleitenden Medien, halten.“ Man wird sehen.

Interessant jedenfalls auch die Bemerkung, dass auf den Vorsitzenden Richter Götzl ein enormer Druck laste, nachdem er bisher ob seines Verhaltens in der Vorbereitung dieses Prozesses viel Kritik einstecken musste. Das von ihm gezeichnete Zerrbild sollte er widerlegen, wonach ihm für ein derartiges Verfahren die nötige Sensibilität fehle. Jedenfalls aber würde man den Prozess selbst vor allem im Ausland, insbesondere in den Herkunftsländern der Opfer – Türkei und Griechenland – sehr genau verfolgen. „In Ländern also, für die wir Deutsche ansonsten gern den Schulmeister abgeben (Rheinische Post). Und nach den beschämenden Versäumnissen bei der Aufklärung der rechtsextremistischen Mordserie muss jetzt wenigstens die strafrechtliche Aufarbeitung gelingen. Das sei die Bundesrepublik nicht nur ihrem eigenen Ansehen in der Welt schuldig, sondern vor allem den Opfern und ihren Angehörigen, heißt es in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Es bleibt also abzuwarten, welchen Verlauf dieser Prozess nehmen wird. Ob er wirklich zu einem „Jahrhundertprozess“ mutiert, wie vielfach vermutet wird, oder es gelingt, ihn zu einen „normalen“ Strafprozess mit umfassender Sachaufklärung werden zu lassen.Jedenfalls aber dürfte es einer der längsten und teuersten Prozesse der deutschen Geschichte werden.
Wie gerade die Medien melden, sind die Befangenheitsanträge – außer jener der Hauptangeklagten – inzwischen abgelehnt worden. Am kommenden Dienstag wird jedenfalls weiter verhandelt.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen