Mittwoch, 1. Mai 2013

Autismus hat viele Aspekte


„Die Welt anders gesehen“. . . mit den Augen von Menschen mit Autismus, ist der Titel der Ausstellung, die gestern in der Galerie der Kreissparkasse Nordhausen eröffnet wurde. Ich gehörte zu den Teilnehmern der Vernissage, ohne bis dahin klare Vorstellungen von dieser menschlichen Entwicklungsstörung und deren Auswirkungen gehabt zu haben. Ich war also vor allem neugierig.

Und ich kam in der Galerie der Kreissparkasse in eine Ausstellung, angesichts deren Gestaltung ich erst einmal nach Orientierung suchte. Da waren auffällig große Texttafeln an den Wänden zu sehen, die bei näheren Hinschauen durchweg bittere Geschichten mit Erfahrungen von Eltern autistischer Kinder enthielten. Es waren daneben die unterschiedlichsten, durchweg gerahmten Bilder platziert, mit Zeichnungen, Malereien, aber auch mit Texten, vornehmlich lyrische Gedichte, Collagen und vielen anderen – z.B. Puzzles – ausgehängt, eine bunte Mischung unterschiedlichster Art also, dazu Holzschnitzereien und in Vitrinen gebastelte und zusammengefügte Figuren in reicher Zahl. Manches simpel und einfach gemalt und gestaltet, anderes aber zeugte von unterschiedlich hoher Qualität. 
Es ist also keine Ausstellung, wie man sie vom sonstigen Galeriegeschehen der Kreissparkasse her kennt, es ist eine eigene Welt, die sich vor denen öffnet, die unvoreingenommen gekommen waren, um angesichts aller dieser Exponate zu sehen, wie Menschen jeden Alters mit Autismus ihren Leben Inhalt und Sinn geben. Vielleicht sogar ohne sich dessen bewusst zu sein. Mir dagegen wurde zunehmend bewusst, dass Autismus nicht einfach mit Teilnahmslosigkeit und Weltabgewandtheit gleichzusetzen ist, sondern sogar kreatives ebenso wie qualitatives Gestalten beinhalten kann, das teilweise sogar weit über das hinausgeht, was Menschen zuwege bringen, die sich für normal halten. Hier als Beispiel ein Gedicht eines dieser Menschen mit Autismus:

Fantasie

Eine Welt aus Tristesse und Schnee
und viele trübsinnige Gedanken
tun auf Dauer der Seele weh.
die Gefühle stoßen an ihre Schranken.

Ich möchte aus der Eintönigkeit fliehen.
Nach Farben und Freude steht mein Sinn.
Mit der Vorstellungskraft die mir verliehen,
ziehen die Gedanken nach der Ferne hin.

Landschaften, die es nie gegeben,
Gebäude, die man nie gebaut,
du lebst ein ganz anderes Leben
und tust was du dir nie getraut.

Sie kann dir helfen klarzukommen
oder sie ängstigt dich wie nie,
schon oft hat sie mich mitgenommen
doch letztlich bleibt sie Fantasie.

Gedichte dieser Art und Gestaltung finden sich in dieser Ausstellung mehrere. Und sie verleiten nicht nur zum lesen, sondern regen zum Überlegen an über den Menschen, der sie formulierte. Und verleiteten mich ganz allgemein angesichts der ausgestellten Exponate zu entsprechenden Überlegungen. Es gelang mir, mit einigen der betroffenen und dergestalt wirkenden Menschen ins Gespräch zu kommen – es waren einige anwesend. Die dabei zwar einen eher unpersönlichen Eindruck vermittelten, aber sofort von dem schwärmten, was sie gestalteten und von ihnen ausgestellt ist. Ich war zunehmend beeindruckt. Umso mehr, als einzelne das, was sie geschaffen hatten, auch in einer Weise zu beschreiben und zu erklären vermochten, die beachtliche Intelligenz und Sprachgewandtheit erkennen ließ.

Es ist der Kreissparkasse Nordhausen in der Person seines Vorstandsvorsitzenden Wolfgang Asche zu danken, dass er mit dieser Ausstellung interessierten und aufgeschlossenen Menschen, also auch mir, Einblicke in eine Welt menschlichen Verhaltens ermöglicht, das nicht mit normalen Maßstäben gemessen, und auch nicht begriffen werden kann. Es war auch Wolfgang Asche, der die ungewöhnlich vielen Besucher jeden Alters begrüßte, ihnen dabei gleich die beiden Schülerinnen der Kreismusikschule Nordhausen (Annemarie Pohl und Stefanie Töpler) vorstellte, denen nacheinander am Klavier die musikalische Umrahmung der Vernissage übertragen war. Um dann auf den Weltautismustag hinzuweisen, der am 02.04. begangen worden war. In dessen Zusammenhang bundesweit ähnliche Veranstaltungen stattfinden wie diese. Wobei es mir einfach ein Bedürfnis ist, das Engagement der Kreissparkasse Nordhausen ganz allgemein mit ihrer Galerie, und mit dieser Ausstellung ganz besonders hervorzuheben. 
Man merkte Wolfgang Asche sehr wohl an, dass er mitunter nach Formulierungen suchte, die angesichts seiner Zuhörerschaft angemessen und verbindlich waren. Was ihm auch gut gelang. Dabei bestätigte er, dass eben Menschen mit Autismus in machen Bereichen geistigen Vermögens zu Leistungen fähig sind, die ihresgleichen in der Gesellschaft suchen. Weil eben Autismus allgemein mit Defiziten definiert wird, kaum aber von den Stärken der betroffenen Menschen. Und die Kreissparkasse einen Beitrag leisten will, um die öffentliche Meinung menschen- und sachgerechter werden zu lassen. Und Anregungen zu dem Versuch zu geben, wahrzunehmen, sich anzufreunden, vertraut zu machen und zu verstehen, welche Sicht diese Menschen auf die Dinge des Lebens haben.
Dabei zeigte sich der Sparkassenchef selbst sichtlich beeindruckt von dem, was in dieser Ausstellung zu sehen ist. Er dankte gleichzeitig der Vorsitzenden des Regionalverbandes Autismus Südharz, Simone Urban, und den ehrenamtlichen Helfern des Vereins – zu denen übrigens auch der Künstler Kerwitz junior gehört - die sich ganz allgemein aber auch in besonderen dieser Menschen annehmen. Sich aber auch um die Gestaltung dieser Ausstellung verdient machten. Und weil der Verein vielfältiger Unterstützung bedarf, überreichte Asche der Vereinsvorsitzenden schon mal einen „kleinen“ Scheck über 500 Euro, der dazu dienen soll, die Arbeit des Vereins erfolgreich fortzuführen. Gleichzeitig sollte es Anreiz für Gäste und Wohlmeinende sein, sich in ähnlicher Form – oder auch in ehrenamtlicher Funktion durch Mitgliedschaft – anzuschließen. Und natürlich wünschte er der Ausstellung eine große öffentliche Wahrnehmung, möglichst auch von Schulklassen, um das Verständnis für Menschen mit Autismus schon bei jungen Menschen zu wecken. Dass er dazu mit seinem Töchterchen schon mal den Anfang machte, soll hier gern bemerkt und bildlich veranschaulicht sein.

Nach dem Chef der KSK freute sich in einer Ansprache die Vorsitzende des Vereins, Simone Urban über die vielen Besucher, die durch ihr Kommen ihr Interesse an Menschen mit Autismus und deren vielfältige Ausdrucksformen im Rahmen dieser Ausstellung zeigten. Sie nutzte die Gelegenheit, um sich, ihren Verein und deren Arbeit vorzustellen, auf die ich im Verlaufe dieser Ausstellung noch in einen eigenen Beitrag eingehen werde. Sie verwies ausgesprochen ausführlich auf die räumliche und selektive Gestaltung der Ausstellung, machte auf viele Exponate und deren verfasser und Autoren aufmerksam, die sie damit der Aufmerksamkeit der Besucher empfahl. Auch sie warb schließlich um Unterstützung des Vereins in Form von Mitgliedschaften oder auch Sponsoring, die dringend benötigt werden, um den doch recht umfangreichen Aufgaben nachkommen zu können, die sich der Verein gestellt hat. Und ich nehme vorweg, dass ihr Appell im Verlauf des Abends ein erfreuliches, teils spontanes Echo auslöste.

Und dann also, nach einem musikalischen Zwischenspiel, der ungeteilte Blick in die Ausstellung: da sind – wie schon bemerkt - Gedichte vorgestellt, deren lyrische Qualität einfach hervorragend ist, geometrische Zeichnungen in einer Genauigkeit, die durchaus einer fachlichen Prüfung standhalten würden. Holzschnitzereien, die erstaunliches handwerkliches Können beweisen. Ganz abgesehen von Bildern, deren Ausführung und Darstellung teilweise künstlerischen Augen durchaus standzuhalten vermögen. Es mag auch sein, dass es langer und geduldiger sachkundiger Unterweisung bedurfte, um die Fähigkeiten der betreffenden Menschen zu wecken und zu aktivieren. Was sie dadurch aber zuwege brachten und bringen, lässt offenkundig werden, dass die landläufige Meinung über Menschen mit Autismus wenig mit der Realität zu tun hat. Und diese landläufige, vordergründige und vielfach unfaire Meinung und Einstellung lässt sich eben auch an den aushängenden Textbildern ablesen. Dass dies auch Umfrageergebnisse von Studenten der Fachhochschule Nordhausen sind, von denen sich auch einige ehrenamtlich autistischer Menschen im Rahmen dieses Regionalverbandes „Autismus Südharz e.V.“ annehmen, wurde in den Vorträgen betont. Und wie zu erfahren war, hat inzwischen einer von ihnen sogar als Bachelor seine Masterarbeit gefertigt. Die Ausstellung ist also in einer Weise gestaltet, die sowohl die Gefühls-, Denk- und Verhaltensweise von Menschen mit Autismus widerspiegelt, als auch Beispiele öffentlicher, landläufiger Meinung wiedergibt.. Die durch einen Besuch dieser Ausstellung doch ins rechte Licht gerückt werden kann.
Den Abschluss der Ausstellung bildete eine Bildfolge, die erkennen ließ, dass Jugendliche mit Autismus auch in musischer Hinsicht Beachtliches vermögen und anzubieten haben. Die Folge war zwar in französischer Sprache unterlegt, ließ aber entsprechende Vorstellungen zu. Es war eine Vernissage ebenso außergewöhnlich, wie die Ausstellung als solche aufschlussreich und damit sehenswert ist. Sie ließ mir aber bewusst werden, dass die Ausstellung eines weiteren Besuches bedarf, um den ausgestellten Exponaten ungeteilte Betrachtung widmen zu können. Ich werde das also tun und noch einmal darauf zurückkommen.Und weil alle aktiv Beteiligten die Notwendigkeit der Vereinsunterstützung betonten, schließe ich mich mit der Angabe der Bankverbindung dieses Vereins diesem Appell an:

autismus Südharz e.V.
Regionalverband zur Förderung von Menschen mit Autismus
Kontonummer 39007831
Bankleitzahl: 82054052

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