„Die Welt anders gesehen“. . . mit
den Augen von Menschen mit Autismus, ist der Titel der Ausstellung,
die gestern in der Galerie der Kreissparkasse Nordhausen eröffnet
wurde. Ich gehörte zu den Teilnehmern der Vernissage, ohne bis dahin
klare Vorstellungen von dieser menschlichen Entwicklungsstörung und
deren Auswirkungen gehabt zu haben. Ich war also vor allem neugierig.
Und ich kam in der Galerie der
Kreissparkasse in eine Ausstellung, angesichts deren Gestaltung ich
erst einmal nach Orientierung suchte. Da waren auffällig große
Texttafeln an den Wänden zu sehen, die bei näheren Hinschauen
durchweg bittere Geschichten mit Erfahrungen von Eltern autistischer
Kinder enthielten. Es waren daneben die unterschiedlichsten, durchweg
gerahmten Bilder platziert, mit Zeichnungen, Malereien, aber auch mit
Texten, vornehmlich lyrische Gedichte, Collagen und vielen anderen –
z.B. Puzzles – ausgehängt, eine bunte Mischung unterschiedlichster
Art also, dazu Holzschnitzereien und in Vitrinen gebastelte und
zusammengefügte Figuren in reicher Zahl. Manches simpel und einfach
gemalt und gestaltet, anderes aber zeugte von unterschiedlich hoher
Qualität.
Es ist also keine Ausstellung, wie man sie vom sonstigen
Galeriegeschehen der Kreissparkasse her kennt, es ist eine eigene
Welt, die sich vor denen öffnet, die unvoreingenommen gekommen
waren, um angesichts aller dieser Exponate zu sehen, wie Menschen
jeden Alters mit Autismus ihren Leben Inhalt und Sinn geben.
Vielleicht sogar ohne sich dessen bewusst zu sein. Mir dagegen wurde
zunehmend bewusst, dass Autismus nicht einfach mit Teilnahmslosigkeit
und Weltabgewandtheit gleichzusetzen ist, sondern sogar kreatives
ebenso wie qualitatives Gestalten beinhalten kann, das teilweise
sogar weit über das hinausgeht, was Menschen zuwege bringen, die
sich für normal halten. Hier als Beispiel ein Gedicht eines dieser
Menschen mit Autismus:
Fantasie
Eine Welt aus Tristesse und Schnee
und viele trübsinnige Gedanken
tun auf Dauer der Seele weh.
die Gefühle stoßen an ihre Schranken.
Ich möchte aus der Eintönigkeit
fliehen.
Nach Farben und Freude steht mein Sinn.
Mit der Vorstellungskraft die mir
verliehen,
ziehen die Gedanken nach der Ferne hin.
Landschaften, die es nie gegeben,
Gebäude, die man nie gebaut,
du lebst ein ganz anderes Leben
und tust was du dir nie getraut.
Sie kann dir helfen klarzukommen
oder sie ängstigt dich wie nie,
schon oft hat sie mich mitgenommen
doch letztlich bleibt sie Fantasie.
Gedichte dieser Art und Gestaltung
finden sich in dieser Ausstellung mehrere. Und sie verleiten nicht
nur zum lesen, sondern regen zum Überlegen an über den Menschen,
der sie formulierte. Und verleiteten mich ganz allgemein angesichts
der ausgestellten Exponate zu entsprechenden Überlegungen. Es gelang
mir, mit einigen der betroffenen und dergestalt wirkenden Menschen
ins Gespräch zu kommen – es waren einige anwesend. Die dabei zwar
einen eher unpersönlichen Eindruck vermittelten, aber sofort von dem
schwärmten, was sie gestalteten und von ihnen ausgestellt ist. Ich
war zunehmend beeindruckt. Umso mehr, als einzelne das, was sie
geschaffen hatten, auch in einer Weise zu beschreiben und zu erklären
vermochten, die beachtliche Intelligenz und Sprachgewandtheit
erkennen ließ.
Es ist der Kreissparkasse Nordhausen
in der Person seines Vorstandsvorsitzenden Wolfgang Asche zu danken,
dass er mit dieser Ausstellung interessierten und aufgeschlossenen
Menschen, also auch mir, Einblicke in eine Welt menschlichen
Verhaltens ermöglicht, das nicht mit normalen Maßstäben gemessen,
und auch nicht begriffen werden kann. Es war auch Wolfgang Asche, der
die ungewöhnlich vielen Besucher jeden Alters begrüßte, ihnen
dabei gleich die beiden Schülerinnen der Kreismusikschule Nordhausen
(Annemarie Pohl und Stefanie Töpler) vorstellte, denen nacheinander
am Klavier die musikalische Umrahmung der Vernissage übertragen war.
Um dann auf den Weltautismustag hinzuweisen, der am 02.04. begangen
worden war. In dessen Zusammenhang bundesweit ähnliche
Veranstaltungen stattfinden wie diese. Wobei es mir einfach ein
Bedürfnis ist, das Engagement der Kreissparkasse Nordhausen ganz
allgemein mit ihrer Galerie, und mit dieser Ausstellung ganz
besonders hervorzuheben.
Man merkte Wolfgang Asche sehr wohl an, dass
er mitunter nach Formulierungen suchte, die angesichts seiner
Zuhörerschaft angemessen und verbindlich waren. Was ihm auch gut
gelang. Dabei bestätigte er, dass eben Menschen mit Autismus in
machen Bereichen geistigen Vermögens zu Leistungen fähig sind, die
ihresgleichen in der Gesellschaft suchen. Weil eben Autismus
allgemein mit Defiziten definiert wird, kaum aber von den Stärken
der betroffenen Menschen. Und die Kreissparkasse einen Beitrag
leisten will, um die öffentliche Meinung menschen- und sachgerechter
werden zu lassen. Und Anregungen zu dem Versuch zu geben,
wahrzunehmen, sich anzufreunden, vertraut zu machen und zu verstehen,
welche Sicht diese Menschen auf die Dinge des Lebens haben.
Dabei
zeigte sich der Sparkassenchef selbst sichtlich beeindruckt von dem,
was in dieser Ausstellung zu sehen ist. Er dankte gleichzeitig der
Vorsitzenden des Regionalverbandes Autismus Südharz, Simone Urban,
und den ehrenamtlichen Helfern des Vereins – zu denen übrigens
auch der Künstler Kerwitz junior gehört - die sich ganz allgemein
aber auch in besonderen dieser Menschen annehmen. Sich aber auch um
die Gestaltung dieser Ausstellung verdient machten. Und weil der
Verein vielfältiger Unterstützung bedarf, überreichte Asche der
Vereinsvorsitzenden schon mal einen „kleinen“ Scheck über 500
Euro, der dazu dienen soll, die Arbeit des Vereins erfolgreich
fortzuführen. Gleichzeitig sollte es Anreiz für Gäste und
Wohlmeinende sein, sich in ähnlicher Form – oder auch in
ehrenamtlicher Funktion durch Mitgliedschaft – anzuschließen. Und
natürlich wünschte er der Ausstellung eine große öffentliche
Wahrnehmung, möglichst auch von Schulklassen, um das Verständnis
für Menschen mit Autismus schon bei jungen Menschen zu wecken. Dass
er dazu mit seinem Töchterchen schon mal den Anfang machte, soll
hier gern bemerkt und bildlich veranschaulicht sein.
Nach dem Chef der KSK freute sich in
einer Ansprache die Vorsitzende des Vereins, Simone Urban über die
vielen Besucher, die durch ihr Kommen ihr Interesse an Menschen mit
Autismus und deren vielfältige Ausdrucksformen im Rahmen dieser
Ausstellung zeigten. Sie nutzte die Gelegenheit, um sich, ihren
Verein und deren Arbeit vorzustellen, auf die ich im Verlaufe dieser
Ausstellung noch in einen eigenen Beitrag eingehen werde. Sie verwies
ausgesprochen ausführlich auf die räumliche und selektive
Gestaltung der Ausstellung, machte auf viele Exponate und deren
verfasser und Autoren aufmerksam, die sie damit der Aufmerksamkeit
der Besucher empfahl. Auch sie warb schließlich um Unterstützung
des Vereins in Form von Mitgliedschaften oder auch Sponsoring, die
dringend benötigt werden, um den doch recht umfangreichen Aufgaben
nachkommen zu können, die sich der Verein gestellt hat. Und ich
nehme vorweg, dass ihr Appell im Verlauf des Abends ein
erfreuliches, teils spontanes Echo auslöste.
Und dann also, nach einem musikalischen
Zwischenspiel, der ungeteilte Blick in die Ausstellung: da sind –
wie schon bemerkt - Gedichte vorgestellt, deren lyrische Qualität
einfach hervorragend ist, geometrische Zeichnungen in einer
Genauigkeit, die durchaus einer fachlichen Prüfung standhalten
würden. Holzschnitzereien, die erstaunliches handwerkliches Können
beweisen. Ganz abgesehen von Bildern, deren Ausführung und
Darstellung teilweise künstlerischen Augen durchaus standzuhalten
vermögen. Es mag auch sein, dass es langer und geduldiger
sachkundiger Unterweisung bedurfte, um die Fähigkeiten der
betreffenden Menschen zu wecken und zu aktivieren. Was sie dadurch
aber zuwege brachten und bringen, lässt offenkundig werden, dass die
landläufige Meinung über Menschen mit Autismus wenig mit der
Realität zu tun hat. Und diese landläufige, vordergründige und
vielfach unfaire Meinung und Einstellung lässt sich eben auch an den
aushängenden Textbildern ablesen. Dass dies auch Umfrageergebnisse
von Studenten der Fachhochschule Nordhausen sind, von denen sich
auch einige ehrenamtlich autistischer Menschen im Rahmen dieses
Regionalverbandes „Autismus Südharz e.V.“ annehmen, wurde in den
Vorträgen betont. Und wie zu erfahren war, hat inzwischen einer von
ihnen sogar als Bachelor seine Masterarbeit gefertigt. Die
Ausstellung ist also in einer Weise gestaltet, die sowohl die
Gefühls-, Denk- und Verhaltensweise von Menschen mit Autismus
widerspiegelt, als auch Beispiele öffentlicher, landläufiger
Meinung wiedergibt.. Die durch einen Besuch dieser Ausstellung doch
ins rechte Licht gerückt werden kann.
Den Abschluss der Ausstellung bildete
eine Bildfolge, die erkennen ließ, dass Jugendliche mit Autismus
auch in musischer Hinsicht Beachtliches vermögen und anzubieten
haben. Die Folge war zwar in französischer Sprache unterlegt, ließ
aber entsprechende Vorstellungen zu. Es war eine Vernissage ebenso
außergewöhnlich, wie die Ausstellung als solche aufschlussreich und
damit sehenswert ist. Sie ließ mir aber bewusst werden, dass die Ausstellung eines weiteren Besuches bedarf, um den ausgestellten Exponaten ungeteilte Betrachtung widmen zu können. Ich werde das also tun und noch einmal darauf zurückkommen.Und weil alle aktiv Beteiligten die
Notwendigkeit der Vereinsunterstützung betonten, schließe ich mich
mit der Angabe der Bankverbindung dieses Vereins diesem Appell an:
autismus Südharz e.V.
Regionalverband zur Förderung von
Menschen mit Autismus
Kontonummer 39007831
Bankleitzahl: 82054052
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