Freitag, 12. November 2021

 

Pressemitteilung
Steigende Energiepreise: Klaus Ernst (Die Linke) verlangt schnelle Hilfe für Geringverdiener

Vorabmeldung zu einem Interview in der aktuellen Ausgabe der Wochenzeitung „Das Parlament“ (Erscheinungstag: 15. November 2021)

- bei Nennung der Quelle frei zur sofortigen Veröffentlichung -

Berlin. Der Bundestagsabgeordnete Klaus Ernst (Die Linke) fordert angesichts steigender Energiepreise „eine schnelle, eine kurzfristige Lösung“ für Menschen mit geringem Einkommen. Im Interview mit der Zeitung „Das Parlament“ (Erscheinungstag: 15. 11. 2021) sagte der Politiker: „Die Energiewende darf nicht auf Kosten der Menschen gehen, die jetzt schon nicht oder kaum in der Lage sind, ihr Leben ordentlich zu organisieren und zu finanzieren.“ Ernst warnte: „Wenn die Energiepreise jetzt zusätzlich dazu führen, dass man seine Wohnung nicht mehr heizen kann oder das Auto stehen lassen muss, dann fühlen sich die Leute nicht mitgenommen und sperren sich gegen die Energiewende.“ Deshalb müsse man einen Ausgleich schaffen, „der die Einkommen der Menschen stabil hält“. Dafür sei ihm „jedes Mittel recht“.

Vorwurf an Ampel: Angriff auf den Sozialstaat

Ernst, der im vergangenen 19. Bundestag Vorsitzender des Ausschusses für Wirtschaft und Energie war, unterstützt dabei die Forderung der IG Metall nach einem staatlichen Klimafonds. Gegen eine mögliche neue Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP erhob der Linken-Abgeordnete schwere Vorwürfe. Zum sich abzeichnenden Verzicht der Ampel-Partner auf Steuererhöhungen sagte er: „Wenn es ohne steuerliche Mehrbelastung gehen soll, muss man sagen, wo gespart werden soll. Ich habe die Befürchtung, dass das dann im sozialen Bereich sein wird, deshalb ist das Durchsetzen der FDP, was man aus den Koalitionsgesprächen weiß, ein Angriff auf den Sozialstaat!“

Gegen den Import von Atomstrom

Ernst sprach sich zudem strikt dagegen aus, zur Beschleunigung der Energiewende den deutschen Atomausstieg noch einmal auszusetzen. Kernenergie als Übergangslösung komme für ihn „auf keinen Fall in Frage“. Das sei „eine extrem gefährliche Energie und die Technik ist sehr schwer beherrschbar“. Neben den „irrsinnigen Kosten“ für Abbau und Stilllegung der Anlagen sei die Frage der Endlagerung nicht geklärt: „Das können wir nachfolgenden Generationen nicht antun, das verbietet sich.“ Ernst lehnt deshalb auch den Import von Atomstrom ab und bedauert, dass Länder wie Frankreich und Großbritannien weiter auf Atomenergie setzen. An deren Adresse sagte er: „Wir sollten mit unseren Nachbarn im Gespräch bleiben und darauf hinweisen, was passiert, wenn dort ein Atomkraftwerk havariert.“ Auf einem engbesiedelten Gebiet wie Europa hätten solche Unfälle „eine katastrophale Auswirkung, nicht nur für uns, sondern auch für nachfolgende Generationen“.

Verzicht auf Nord Stream 2 „ein politischer Irrsinn“

Vehement setzte sich der Linken-Parlamentarier in dem Interview für die Gas-Pipeline Nord Stream 2 ein: „Ich bin optimistisch und gehe davon aus, dass Nord Stream 2 in Betrieb genommen wird. Es ist ein politischer Irrsinn, diese Leitung nicht zu nutzen! Die politische Seite, die das verhindern will, müsste erklären, warum sie den Gaskunden in Europa zumuten will, teureres Fracking-Gas zu kaufen. Ohne ausreichend Gas ist das Industrieland Deutschland derzeit und in der nahen Zukunft schwer arbeitsfähig.“ Ernst wehrte sich darüber hinaus „gegen die Behauptung, dass die Russen uns mit Gaspreisen erpressen“. Es gelte festzuhalten, dass Russland und vorher die Sowjetunion Deutschland „zu keiner Zeit“ mit Gaslieferungen erpresst habe. Die Energiepartnerschaft mit Russland sei im beiderseitigen Interesse: „Russland benötigt das Geld aus dem Verkauf von Rohstoff, und wir benötigen Gas, um zu heizen und zu produzieren.“

DAS INTERVIEW IM WORTLAUT:

Herr Ernst, angesichts immer weiter steigender Gaspreise wird befürchtet, dass Wohnungen diesen Winter kalt bleiben. Wäre das anders, wenn Deutschland beim Ausbau erneuerbarer Energie weiter wäre?

Dass die Große Koalition nicht mehr Tempo gemacht hat, war ein Fehler, weil der Ausbau der Erneuerbaren nicht so weit vorangekommen ist, wie es notwendig wäre. Aber das wäre in der aktuellen Debatte um die hohen Energiepreise keine Lösung gewesen, weil die erneuerbaren Energien derzeit noch nicht für das Heizen genutzt werden. Der übergroße Teil der deutschen Haushalte heizt noch mit Gas oder Heizöl. Wir müssen genau analysieren, woher die hohen Energiepreise kommen.

Mit dem Ergebnis der Bundestagswahl dürfte der CO2-Preis weiter steigen. Das verteuert Energie weiter, wie könnte ein Ausgleich gelingen?

Die Energiewende darf nicht auf Kosten der Menschen gehen, die jetzt schon nicht oder kaum in der Lage sind, ihr Leben ordentlich zu organisieren und zu finanzieren. Wenn die Energiepreise jetzt zusätzlich dazu führen, dass man seine Wohnung nicht mehr heizen kann oder das Auto stehen lassen muss, dann fühlen sich die Leute nicht mitgenommen und sperren sich gegen die Energiewende. Alleine über den CO2-Preis geht es nicht, deshalb muss man einen Ausgleich schaffen, der die Einkommen der Menschen stabil hält. Und da ist mir jedes Mittel recht.

Fänden Sie es gut, wenn man, wie in Frankreich, die Energiepreise für eine bestimmte Zeit deckelt?

Prinzipiell halte ich es für richtig, dass man über eine Deckelung der Preise nachdenkt, gerade für jene Bevölkerungsgruppen mit geringem Einkommen. Aber ich bin für alle weiteren Vorschläge offen, wenn am Ende eine Lösung steht, die den Menschen hilft. Bei den hohen Energiepreisen brauchen wir jetzt eine schnelle, eine kurzfristige Lösung.

Wie können staatliche Investitionen in den Klimaschutz ohne Steuererhöhungen gelingen? Was halten Sie von der Einrichtung eines Klimafonds?

Ich bin der Meinung, dass die Transformation ohne zusätzliche Steuern nicht funktionieren wird. Wenn es ohne steuerliche Mehrbelastung gehen soll, muss man sagen, wo gespart werden soll. Ich habe die Befürchtung, dass das dann im sozialen Bereich sein wird, deshalb ist das Durchsetzen der FDP, was man aus den Koalitionsgesprächen weiß, ein Angriff auf den Sozialstaat! Alleine die Stahlindustrie benötigt für die Energiewende bis 2030 zehn Milliarden Euro. Wenn da nicht genug Geld kommt, wird eine Umstellung auf CO2-freien Stahl nicht gelingen. Ich unterstützte deshalb die Forderung der IG Metall, die einen staatlichen Fonds fordert.

Nicht wenige hoffen, dass Deutschland mit der Energiewende von russischen Erdgaslieferungen loskommt. Halten Sie das für ratsam?

Ich wehre mich gegen die Behauptung, dass die Russen uns mit Gaspreisen erpressen! Auch die Bundesregierung hat mitgeteilt, dass die aktuellen Energiepreise mit russischen Gaslieferungen nichts zu tun haben. Nach gängiger Meinung hat die Sowjetunion und später Russland ihre Partner in Deutschland zu keiner Zeit mit Gaslieferungen erpresst, das gilt es einmal festzuhalten. Die Energiepartnerschaft mit Russland ist im beiderseitigem Interesse: Russland benötigt das Geld aus dem Verkauf von Rohstoff, und wir benötigen Gas, um zu heizen und um zu produzieren. Deutschland könnte sein Gas auch von anderswo her beziehen, allerdings wäre das LNG-Gas viel teurer und durch das Fracking auch deutlich umweltschädlicher. Wir werden für eine absehbare Zeit von 20 bis 30 Jahren noch Erdgas als Übergangstechnologie brauchen. Zudem könnte Russland später auch unser Wasserstoffpartner werden.

Mehrere Bundesregierungen haben sich für die Gaspipeline Nord Stream 2 eingesetzt. Wird es in Betrieb gehen?

Ich bin optimistisch und gehe davon aus, dass Nord Stream 2 in Betrieb genommen wird. Es ist ein politischer Irrsinn, diese Leitung nicht zu nutzen! Die politische Seite, die das verhindern will, müsste erklären, warum sie den Gaskunden in Europa zumuten will, teureres Fracking-Gas zu kaufen. Ohne ausreichend Gas ist das Industrieland Deutschland derzeit und in der nahen Zukunft schwer arbeitsfähig.

Die sich abzeichnende Ampel-Regierung will, dass zwei Prozent der Fläche Deutschlands für die Windkraft genutzt werden. In welchen Gebieten sollen diese Anlagen stehen?

Ganz klar, wir brauchen den Ausbau erneuerbarer Energien, aber wir müssen uns auch ehrlich machen und weiter Energie importieren. Solardächer kann man relativ problemlos montieren, aber Windräder sind für weite Teile der Bevölkerung – höflich formuliert – nicht immer sehr erfreulich! Das ist eine Tatsache, und wenn man trotzdem weiter den Ausbau von Windrädern betreiben will, muss man die Menschen überzeugen und beteiligen, und das geht am ehesten über finanzielle Mittel. Da muss man über den Strompreis reden, aber auch über Prämien. Allerdings muss auch jedem klar sein, dass der gesamte Energiebedarf dieses Landes nicht alleine über Windräder und über Solaranlagen gedeckt werden kann. Zumal der Strombedarf auch noch ansteigen wird, wenn man, wie geplant, die Elektromobilität massiv ausbaut.

Wasserstoff gilt vielen als Hoffnung für eine klimafreundliche Energieversorgung. Doch die Produktion steckt in den Startlöchern. Stimmen die Rahmenbedingungen?

Der Wasserstoff ist der Schlüssel für eine CO2-freie Energieversorgung, global gesehen wissen wir, dass die Sonneneinstrahlung ausreicht, um den Energiebedarf der gesamten Welt zigfach zu decken. Es muss nur gelingen, dass man die Sonnenstrahlen in Energie umwandelt und sie auch speichern kann. An dieser Stelle muss die Technik massiv vorangetrieben und die Forschung intensiviert werden. Auch in den Ländern, aus denen wir zukünftig Wasserstoff beziehen wollen, in denen die Sonneneinstrahlung besonders intensiv ist, müsste die aktuellste Technik Anwendung finden. Auch hier gilt: Wir werden in Zukunft Energie aus südlichen Regionen importieren, um unsere Waren dorthin exportieren zu können. Ohne dieses Modell, könnten wir unseren Lebensstandard und Wohlstand nicht aufrechterhalten.

Es gibt Stimmen, die meinen, mit Ökostrom alleine sei die Energiewende nicht zu schaffen. Könnte Kernenergie eine Übergangslösung sein?

Nein! Auf keinen Fall! Die Atomenergie ist eine extrem gefährliche Energie und die Technik ist sehr schlecht beherrschbar. Das hat sich in der Vergangenheit immer wieder gezeigt, als Stichworte seien nur Harrisburg/USA 1979, Tschernobyl/UdSSR 1986 oder Fukushima/Japan 2011 genannt. Auch der Abbau und die Stilllegung der Anlagen verursachen irrsinnige Kosten. Dann ist die Frage der Endlagerung nicht geklärt, das können wir nachfolgenden Generationen nicht antun, das verbietet sich! Auch der Import von Atomstrom ist abzulehnen.

Aber unsere Nachbarn Frankreich und Großbritannien, sehen das anders.

Ja, und ich bedauere das zutiefst! Wir sollten mit allen unseren Nachbarn, egal ob EU-Staaten oder nicht in Gesprächen bleiben und darauf hinweisen, was passiert, wenn dort ein Atomkraftwerk havariert. Auf einem engbesiedelten Gebiet wie Europa hätten solche Unfälle eine katastrophale Auswirkung, nicht nur für uns, sondern auch für alle Generationen, die uns nachfolgen.
 


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