Von
der Unterrichtsgarantie weiter entfernt als zuvor: Zusammenlegungen von
Klassen, unbesetzte Lehrer*innenstellen und krankmachende
Arbeitsbedingungen an Thüringer Schulen
Die
zwangsweise Zusammenlegung von Klassen im Landkreis
Schmalkalden-Meiningen aufgrund des Mangels an Lehrer*innen ist für die
GEW Thüringen ein Beispiel für eine verfehlte Personalpolitik der
CDU-geführten Vorgängerregierungen in Thüringen. Die
Bildungsgewerkschaft GEW fordert von der zukünftigen Landesregierung,
dass lange bekannte Lösungen nun endlich angegangen werden: die
Verbesserung der Arbeitsbedingungen und die gleiche Bezahlung von
Grundschullehrer*innen. Wie das Thüringer Ministerium
für Bildung, Jugend und Sport (TMBJS) in der letzten Schulwoche vor den
Winterferien bekannt gab, lag der Unterrichtsausfall im November 2019
bei mittlerweile sieben Prozent. Für den nochmals gestiegenen
Unterrichtsausfall werden vom Bildungsministerium zwei Hauptgründe
genannt.
Die häufigste Ursache ist die hohe Zahl an
Erkrankungen von Lehrer*innen, dabei ist die Langzeitkrankenquote auf
5,8 Prozent gestiegen. Dazu Kathrin Vitzthum: „Dass es aktuell über
1.000 langzeitkranke Lehrkräfte und damit so viele wie nie zuvor gibt,
ist schlichtweg ein Versagen der Landesregierungen. Wer über Jahre den
Bildungsbereich unterfinanziert, darf und kann von dieser Entwicklung
nicht überrascht sein.“
Der Grund für die vielen
Langzeiterkrankungen: Es sind die schlechten und auf Dauer
krankmachenden Arbeitsbedingungen in den Thüringer Schulen: zu große
Klassen, zu hohe Unterrichtsverpflichtungen, zu viel Bürokratie, zu
schlechte räumliche Bedingungen, fehlende Unterstützung durch zu wenige
oder an vielen Schulen gar nicht vorhandene Sozialarbeiter*innen als
wichtigste Aspekte.
Dazu Dirk Rittershaus, Schulleiter der staatlichen Grundschule „Anne Frank“ in Themar und GEW-Mitglied: „Heute
sind wir in vielen unserer Schulen an einem Punkt angekommen, der viele
meiner Schulleiter-, Lehrer- und Erzieherkollegen bis ans Äußerste
fordert und teilweise schon krank macht. Überbordende Aufgaben,
ständiger Termindruck, schwierige Schüler, übergriffige und teilweise
distanz- und respektlose Eltern, fachfremder Unterricht als Normalität,
die immer wieder notwendige Kompensation des allgegenwärtigen
Personalmangels sind nur einige der Ursachen, die ich dafür sehe.“
Rittershaus
führt aus, dass viele Schulleiter*innen im Grundschulbereich
mittlerweile dauerhaft oder zeitweise auch als Klassenleiter*innen
fungieren müssen. Die Stunden für Schulleitungsaufgaben müssen an
etlichen Schulen also zum Stopfen der unzureichenden Personaldecke
herhalten, deren Erledigung kann aber gleichzeitig nicht liegen bleiben.
Oftmals wird dies dann an Feierabenden, Wochenenden und in den Ferien
nachgearbeitet. Trotz hohem Einsatz werden diese aber nicht weniger,
denn der Nachschub an E-Mails, Telefonaten, Terminen reißt nicht ab. All
diese dringenden Arbeitsaufgaben lassen die Kolleg*innen schlechter
abschalten und schlafen und erholen – und in der Folge ist mittlerweile
eine Rekordzahl an Thüringer Lehrer*innen dauerhaft erkrankt.
Der
zweite Hauptgrund für den Unterrichtsausfall ist laut
Bildungsministerium der Mangel an Bewerber*innen für die vielen offenen
Stellen, aktuell sind es 115. Insbesondere in den ländlichen Regionen
Nord- und Südthüringens gibt es viele Stellen, die nicht besetzt werden
können. Dazu Kathrin Vitzthum, Landesvorsitzende der GEW Thüringen: „Die
dilettantischen Versäumnisse der CDU-geführten Vorgängerregierungen und
das anfangs viel zu zögerliche Verhalten der rot-rot-grünen
Landesregierung führen nun dazu, dass der Lehrermangel mit zunehmender
Wucht zutage tritt. Ich fürchte, dass wir noch lange nicht am Ende
dieser Entwicklung stehen und dass die Zusammenlegungen von Klassen im
Landkreis Schmalkalden-Meiningen nur der Anfang sind.“
Eine
schon lange vorgeschlagene Lösung, um attraktiver für Bewerber*innen
zumindest im Grundschulbereich zu werden, ist deren gleiche Bezahlung
wie ihre Kolleg*innen aller anderen Schularten in der Besoldungsgruppe
A13 oder Entgeltgruppe E 13. Insofern ist die Absichtserklärung des
vormaligen Bildungsministers Helmut Holter in dieser Richtung positiv zu
bewerten, auch wenn diese Maßnahme einige Jahre zu spät kommt. Die GEW
Thüringen erwartet, dass die*der zukünftige Bildungsminister*in dieses
Vorhaben zeitnah umsetzt.
Über die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Thüringen:
Die Bildungsgewerkschaft GEW THÜRINGEN ist die größte
Interessenvertretung in Thüringen im Bildungsbereich. Sie organisiert
aktive und ehemalige Beschäftigte an den Thüringer
Bildungseinrichtungen. Schwerpunkte der politischen Arbeit sind die
Bildungsgerechtigkeit, die Lern- und Arbeitsbedingungen an Kitas,
Schulen, Hochschulen und anderen Bildungseinrichtungen sowie die
Angestellten-, Beamten- und Tarifpolitik. Vorsitzende ist Kathrin
Vitzthum.
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