Statement des Forum Fairer Handel anlässlich des „Supermarktgipfels“ im Bundeskanzleramt
Berlin,
03.02.2020 – Heute fand ein „Spitzentreffen“ der Supermärkte im
Bundeskanzleramt statt. Ziel dieses Gipfels war es laut Bundesregierung,
angemessene Preise für Landwirt*innen zu vereinbaren. Das Gespräch war
im Dezember nach dem Agrargipfel im Kanzleramt mit Vertreter*innen der
Landwirtschaft angekündigt worden. Aus Sicht des Forum Fairer Handel
gehen die Ergebnisse des Gipfels nicht weit genug. Für nachhaltige
Lösungen sollte die Bundesregierung verbindliche Maßnahmen gegen
Dumpingpreise und für existenzsichernde Einkommen beschließen.
Im
Vorfeld des Spitzentreffens der deutschen Supermärkte im
Bundeskanzleramt rechtfertigte Rewe-Chef Lionel Souque die
Niedrigpreis-Politik des Einzelhandels mit dem Hinweis darauf, dass in
Deutschland viele Menschen in Armut oder an der Armutsgrenze leben.
Günstige Lebensmittel ermöglichten diesen Menschen eine gesunde und
sichere Ernährung. „Den extremen Preiskampf um Lebensmittel, der von
deutschen Supermärkten weltweit betrieben wird, mit sozialen
Beweggründen zu rechtfertigen, ist zynisch“, konstatiert Steffen Weber,
stellvertretender Vorsitzender des Forum Fairer Handel. „Denn diese
Niedrigpreispolitik treibt immer mehr Erzeuger*innen von Lebensmitteln,
und dabei insbesondere Kleinbäuer*innen, weltweit in den Ruin und
zerstört Arbeitsplätze“, ergänzt Weber.
Das
zeigt eine aktuelle Studie im Auftrag von Oxfam zum Bananenanbau in
Ecuador. Danach ist die Anzahl der Bananen produzierenden
Familienbetriebe in vier Jahren um 60 Prozent gesunken, während jene
der größeren Betriebe um 20 Prozent gestiegen ist. Laut Oxfam ist die
aggressive Billigpreispolitik der Supermarktketten dafür
mitverantwortlich. Doch auch in Deutschland werden immer mehr kleine
landwirtschaftliche Betriebe aufgegeben. Der Grund dafür sind
Niedrigpreise für landwirtschaftliche Erzeugnisse und der Druck auf
Bäuer*innen, ihre Erträge zu steigern und ihre Betriebe zu vergrößern.
Erschwerend kommt hinzu, dass die EU-Fördergelder den großen Betrieben
nutzen, die ökologischen und sozialen Leistungen der kleinen Betriebe
jedoch noch zu wenig honorieren. Insgesamt ist die Zahl der
landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland seit Mitte der 1990er-Jahre
um die Hälfte geschrumpft. Ein Drittel der Arbeitsplätze in der
Landwirtschaft gingen verloren (Quelle: Agraratlas 2019).
Auch
Kaffee- und Kakaobäuer*innen bekommen immer weniger für ihre Produkte
bezahlt. Laut einer Studie, die das Forum Fairer Handel in 2019
veröffentlichte, sind die Einnahmen in den Produktionsländern von Kaffee
zwischen 1994 und 2017 um zehn Prozent gesunken. Dagegen ist die
Wertschöpfung bei Röstern und Händlern in Deutschland im gleichen
Zeitraum um 139 Prozent, von 1,52 Milliarden Euro auf 3,63 Milliarden
Euro pro Jahr gestiegen (Quelle: „Kaffee: Eine Erfolgsgeschichte verdeckt die Krise“).
Die Hälfte der Kaffeebäuer*innen können mit ihren Einnahmen nicht
einmal ihre Produktionskosten decken. Diese Problematik wird durch den
Klimawandel verstärkt.
Im
Kakaosektor sieht es nicht besser aus: Im Preiskampf der Supermärkte
gilt Schokolade als sogenanntes Ankerprodukt, nach welchem Kund*innen
ihren Einkauf entscheiden. Entsprechend hoch ist der Preisdruck. Die
meist nicht zusammen organisierten Kleinbäuer*innen können in diesem
umkämpften Kakaomarkt gegen immer weniger große Unternehmen ihre
Interessen nicht durchsetzen. Die Mehrzahl der weltweiten
Kakaobäuer*innen lebt unterhalb der international definierten
Armutsgrenze. Gemessen am Verkaufspreis einer Tafel Schokolade ist ihr
Anteil seit Jahrzehnten rückläufig und beträgt je nach Land in
Westafrika nur noch 4-6 %.
Dumpingpreise
bilden die wahren sozialen und ökologischen Kosten eines Produktes
nicht ab. Die Folgen dieser ungerechten Dynamik entlang vieler
Lieferketten tragen nicht nur die Erzeuger*innen, sondern auch die
Gesellschaften in den Produktionsländern. „Insofern ist es Zeit, dass
die großen Supermarktketten in die Pflicht genommen werden: Wenn sie für
soziale Gerechtigkeit sorgen wollen, dürfen sie ihren Profit nicht mehr
auf Kosten von Menschen und Umwelt maximieren und Preisdumping
betreiben.“, fordert Steffen Weber. „Die Preise für Lebensmittel
weltweit mit aller Gewalt zu drücken, Marketingkampagnen nach dem Motto Geiz ist geil zu fahren und dann niedrige Lebensmittelpreise als sozial zu begründen, ist schamlos“, konstatiert Weber.
Die
Bundesregierung muss wirksame und verbindliche Regeln für Unternehmen
gegen Dumpingpreise und zur Achtung von Menschenrechten und
Umweltstandards festschreiben. Die
Ergebnisse des Gipfels gehen hier nicht weit genug. Sie bleiben
unverbindlich oder betreffen Maßnahmen, welche Deutschland nach
EU-Vorgaben ohnehin umsetzen muss. So wird als ein Ergebnis die
Eins-zu-eins-Umsetzung der EU-Richtlinie über unlautere
Handelspraktiken, die am 1. Mai 2019 in Kraft getreten ist, genannt.
Deutschland ist verpflichtet, diese bis zum 1. Mai 2021 umzusetzen. Doch
um effektiv gegen Dumpingpreise vorzugehen, sollte die Bundesregierung
über eine Eins-zu-eins-Umsetzung hinausgehen und Dumpingpreise als
unlautere Handelspraktik auf der Verbotsliste ergänzen. Dies ist in der
EU-Richtlinie nicht vorgeben. Des Weiteren sollte die Bundesregierung
ein ambitioniertes Lieferkettengesetz beschließen. Das Forum Fairer
Handel begrüßt den entsprechenden Vorstoß von Bundesarbeitsminister Heil
und Bundesentwicklungsminister Dr. Müller und fordert die
Bundeskanzlerin auf, die beiden im Sinne eines starken Gesetzes zu
unterstützen. Dieses würde deutschen Unternehmen zur Einhaltung von
Menschenrechten und Umweltstandards entlang ihrer gesamten Lieferkette
verpflichten. Mit Dumpingpreisen ist dies nicht möglich.
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Über das Forum Fairer Handel
Das
Forum Fairer Handel e.V. (FFH) ist der Verband des Fairen Handels in
Deutschland. Sein Ziel ist, das Profil des Fairen Handels zu schärfen,
gemeinsame Forderungen gegenüber Politik und Handel durchzusetzen und
eine stärkere Ausweitung des Fairen Handels zu erreichen. Das FFH
versteht sich als die politische Stimme der Fair-Handels-Bewegung in
Deutschland und setzt sich für veränderte Regeln für Handel und
Landwirtschaft weltweit ein. Das FFH erhebt jährlich umfangreiche
Daten zu Umsätzen und Absatzmengen des Fairen Handels, auf deren
Grundlage sich aktuelle Trends und Entwicklungen des Fairen Handels in
Deutschland einschätzen lassen. Einmal im Jahr veranstaltet das Forum
Fairer Handel die Faire Woche – die größte Aktionswoche des Fairen
Handels in Deutschland.
Die
Mitglieder des Forum Fairer Handel sind Organisationen, die
ausschließlich im Fairen Handel arbeiten, und Akteure, die die Förderung
des Fairen Handels als einen der Schwerpunkte ihrer Arbeit ansehen: die
Fair-Handels-Unternehmen GEPA – The Fair Trade Company, EL PUENTE,
WeltPartner eG, BanaFair e.V. und GLOBO – Fair Trade Partner; der
Weltladen-Dachverband e. V., außerdem Naturland – Verband für
ökologischen Landbau e.V., FAIR BAND – Bundesverband für fairen Import
und Vertrieb e.V., Dr. Bronner's Europe als vorläufiges Mitglied sowie
Ecocert IMO als Fördermitglied. Ein breites Netzwerk von
Partnerorganisationen arbeitet in den Arbeitsgruppen des Forum Fairer
Handel mit.
Berlin, 03. Februar 2020
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