"Wir lassen uns zwar für gewöhnlich durchaus für
eine positive Zukunft begeistern, indem wir von einer Karriere träumen
oder auf eine Traumfigur hoffen. Aber der Weg dorthin fühlt sich
unattraktiv und mühevoll an", betonte der Mediziner bei der diesjährigen
Reha-Fachtagung des Berufsförderungswerks der Eckert Schulen in
Regenstauf bei Regensburg, einer von rund 30 Einrichtungen dieser Art in
Deutschland. Während einer zweijährigen beruflichen Rehabilitation
lernen dort Menschen einen neuen Beruf und erhalten so die Chance,
wieder am Arbeitsleben teilzunehmen. Bei der diesjährigen Tagung
analysierten Reha-Experten aus ganz Deutschland, wie die Einrichtungen
Menschen während der großen Veränderungen in ihrem Berufsleben noch
besser begleiten können. Professor Busch beschäftigt sich seit vielen
Jahren mit dem Phänomen von Change und Anpassungen.
Das Gehirn ist am liebsten im
"Energiesparmodus"
Warum fallen uns Veränderungen so
schwer? "Ein Großteil unserer täglichen Handlungen erfolgt
gewohnheitsmäßig", sagt der Wissenschaftler. Die wenigsten unserer
Entscheidungen im normalen Alltag werden wirklich kritisch durchdacht.
Denn was automatisch ablaufe, müsse nicht aufwendig geplant, überwacht
und überprüft werden. "Das spart Energie und hält Kapazitäten frei für
Wichtigeres", so der Neurologe. Die Forschung nennt diese
Verhaltensroutinen Komfortzone. Dieser Energiesparmodus ist fest in
unserem Hirn verankert: Gewohnheiten entstehen dadurch, dass die an
einer Routinehandlung beteiligten Nervenzellen elektrisch immer wieder
gemeinsam "feuern".
Das Gehirn speichert diese
zusammenhängenden neuronalen Abläufe: Mit jeder Übung laufen die
Abfolgen stabiler und sicherer. "Wenn wir nun lieb gewonnene
Gewohnheiten oder Verhaltensweisen verändern und Dinge neu machen, also
die Trampelpfade
verlassen und uns in die freie Natur wagen, fühlt sich das neue
Verhalten zunächst unbequem an", weiß Professor Busch. Mitunter komme es
uns sogar fast "falsch" vor. Denn das Gehirn meldet jedwede Abweichung
vom gewohnten Weg als unangenehme Irritation. "Daher sind wir meist auch
froh, wenn alles wieder in geordneten Bahnen verläuft und wir wieder
auf die gut ausgetretenen Wege zurückfinden." Wer diesen Mechanismus
verstanden hat, kann ihn auch überwinden - und dem Gehirn lernen,
Veränderungen lieben zu lernen.
Neues stimuliert die neuronalen Netzwerke
Der
Nutzen ist groß: "Frische Inspirationen, neue Erfahrungen und jede Art
von Lernleistungen pusten frischen Wind in unseren Kopf und stimulieren
unsere neuronalen Netzwerke", sagt Professor Busch. Die Wissenschaft
weiß mittlerweile: Das menschliche Gehirn bleibt bis ins hohe Alter
wandlungsfähig. "Seien Sie also nie zu alt, um Neues zu lernen.
Lebenslanges Lernen
ist eine effektive Maßnahme sich vor geistigem Abbau zu schützen und die
eigene Gehirngesundheit zu bewahren", sagt der Neurologe. Neugierde ist
dabei besonders wichtig: Denn eine offene und neugierige Haltung, die
Lernen zu einer Freude macht, stimuliert Teile des Belohnungssystem zur
Ausschüttung des Glückshormons Dopamin.
Kleine Veränderungen können Großes bewirken
Die
Revolution beginnt dabei bereits im Kleinen: "Die Bereitschaft Neues zu
lernen und Neugier zu entwickeln heißt nicht, dass Sie sämtliche
Komfortzonen verlassen müssen. Werfen Sie nicht alles Bewährte über
Bord", so Busch. Gewohnheiten gehörten zum Leben und seien wichtige
Mechanismen, die uns helfen, unseren Alltag zu bewältigen. "Aber lassen
Sie hin und wieder kleine Abweichungen im Berufs- und Privatleben zu,
auch wenn die Neuerungen Umwege bedeuten und sich zunächst irritierend
anfühlen." Der Regensburger Professor rät: "Bringen Sie den
Mut auf, den Trampelpfad zu verlassen und in der Natur rechts und links
des Weges auf Entdeckungsreise zu gehen." Untersuchungen zeigen nach
seinen Worten: Menschen, die immer wieder kleine Veränderungen im
Kleinen wagen, tun sich mit Veränderungen im Großen im Leben leichter.
Konkret kann das bedeuten: eine neue Musikrichtung auszuprobieren,
ungewohnte Literatur zu lesen oder sich mit einem fremden Menschen im
Supermarkt zu unterhalten. Volker Busch: "Kleinigkeiten im Alltag können
bereits sehr stimulierend sein. Wagen Sie Mikroveränderungen im Leben."
Ängste rational überprüfen
Dass
Veränderungen auch Ängste mit sich bringen, ist nach den Worten des
Regensburger Veränderungs-Experten völlig normal. Wichtig ist es, der
Angst richtig zu begegnen: Starke negative Gefühle sollten unbedingt
kritisch überprüft werden. Das befreit aus dem Klammergriff und
reduziert ihre Intensität. "So bleiben Sie geistig flexibel und
bewahren sich Handlungsspielräume und Freiheitsgrade", so das Fazit von
Professor Busch.
Veränderungen halten das Gehirn jung
Die
Offenheit für Neues hat nach seinen Worten noch einen weiteren Benefit:
"Lebenslanges Lernen ist eine effektive Maßnahme sich vor geistigem
Abbau zu schützen und die eigene Gehirngesundheit zu bewahren." Denn:
Fallen geistige Herausforderungen weg, geht eine wichtige
Stimulationsquelle für das Gehirn verloren. Viele Interviews mit
Menschen, die sehr alt geworden sind, haben ergeben: Geistige
Herausforderungen waren für diese Hochbetagten immer ein fester
Bestandteil ihres Lebens. Auch der Verlust sozialer Kontakte und
anspruchsvoller Aufgaben war in Studien mehrfach mit einem statistisch
erhöhten Risiko für eine schnellere Hirnalterung assoziiert gewesen.
Professor Busch rät deshalb: "Bleiben Sie geistig hungrig. Wachsen Sie,
indem Sie dazu lernen." Es sei wichtig, die eigenen gewohnten
"Trampelpfade" immer einmal wieder zu verlassen - und sich selbst zu
revolutionieren.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen