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Rassistische Vorstellungen sind in Deutschland
zwar noch immer weit verbreitet. Es gibt aber auch ein breites
Bewusstsein, dass Rassismus existiert und viele Menschen sind bereit,
sich aktiv gegen Rassismus zu engagieren. Das zeigt die Auftaktstudie
zum Nationalen Diskriminierungs- und Rassismusmonitor (NaDiRa)
„Rassistische Realitäten – wie setzt sich Deutschland mit Rassismus
auseinander?“ des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM). Die Ergebnisse der Studie stellt Bundesfamilienministerin Lisa Paus heute gemeinsam mit den beiden Direktoren des DeZIM, Prof. Dr. Naika Foroutan und Prof. Dr. Frank Kalter, in Berlin vor. Bundesfamilienministerin Lisa Paus: „Extremismus
und Rassismus gehen uns alle an! Spätestens die Anschläge von Halle und
Hanau haben klargemacht, dass Rassismus in Deutschland Menschen das
Leben kostet. Viele Menschen treten Rassismus bereits entgegen, ob auf
der Straße, in der Schule oder Arbeitsplatz. Und viele Menschen sind
bereit, sich gegen Rassismus zu engagieren. Das zeigen die ersten
Ergebnisse des NaDiRa. An dieses Engagement werden wir beim Kampf gegen
Rassismus anknüpfen. Mit unserem Programm „Demokratie Leben!“ fördern
wir bundesweit mehr als 600 Projekte und Initiativen, darunter viele,
die sich gegen Rassismus engagieren und Betroffenen Unterstützung
bieten. Mit dem geplanten Demokratiefördergesetz werden wir den Bund
gesetzlich verpflichten, die Strukturen für das zivilgesellschaftliche
Engagement gegen Extremismus und Rassismus dauerhafter zu machen. So
verstärken wir den Kampf für Demokratie und Vielfalt und gegen
Extremismus und Rassismus. Dafür brauchen wir auch den NaDiRa, denn er
erhebt regelmäßig Daten, die wir für eine evidenzbasierte
antirassistische Politik benötigen.“ Die Direktorin des DeZIM-Instituts, Prof. Dr. Naika Foroutan: „Rassismus
ist Alltag in Deutschland. Er betrifft nicht nur Minderheiten, sondern
die gesamte Gesellschaft, direkt oder indirekt. Das Thema beschäftigt
die Menschen emotional, wühlt sie auf und lässt sie über lange Zeit
nicht mehr los, wie unsere Studie zeigt. So sagen etwa 70 Prozent aller
Menschen, die schon einmal rassistische Vorfälle beobachtet haben,
dieses Erlebnis habe sie emotional aufgewühlt, und 80 Prozent denken
immer wieder über solche Erlebnisse nach. Auch struktureller und
institutioneller Rassismus wird von vielen Menschen als Problem gesehen.
Rassistische Benachteiligungen werden besonders häufig in den
Lebensbereichen Schule, Arbeit und Wohnen erkannt. Das Thema sollte
daher von der Politik offensiv und langfristig angegangen werden. Unsere
Studie zeigt, dass ein großer Teil der deutschen Bevölkerung das
unterstützen würde.“ Der Direktor des DeZIM-Instituts, Prof. Dr. Frank Kalter: „Die
Menschen in Deutschland gehen mit dem Thema sehr unterschiedlich um.
Ein Teil wehrt eine kritische Auseinandersetzung mit verschieden
Argumentationen und Mechanismen ab. Knapp die Hälfte der Bevölkerung
findet, dass Rassismusvorwürfe und ‚politische Korrektheit‘ die
Meinungsfreiheit einschränken würden. Unsere Daten zeigen, dass diese
Abwehr vor allem aus der alters- und bildungsmäßigen Mitte der
Gesellschaft kommt. Erstaunlich viele Menschen in Deutschland – fast die
Hälfte – glauben auch noch immer an die Existenz menschlicher ‚Rassen‘,
obwohl die Wissenschaft schon lange das Gegenteil belegt hat. Das
zeigt, dass hier noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten ist. Hier müssen
insbesondere auch die älteren Jahrgänge erreicht werden.“ Für die
Auftaktstudie haben die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen des
DeZIM-Instituts untersucht, wie sich Deutschland mit Rassismus
auseinandersetzt. Von April bis August 2021 haben sie dazu eine
umfangreiche, repräsentative Befragung der deutschen Bevölkerung
durchgeführt, für die rund 5000 Personen telefonisch interviewt wurden. Zentrale Ergebnisse der Studie: - Insgesamt
sind zwei Drittel der Bevölkerung schon einmal mit Rassismus in
Berührung gekommen – durch eigene Erfahrungen, Beobachtungen oder
Schilderungen aus dem näheren Umfeld
- Mehr als ein Fünftel der Gesamtbevölkerung (22 Prozent) hat nach eigener Aussage selbst schon Rassismus erfahren.
- Fast
die Hälfte (49 Prozent) der Befragten gibt an, eine Person zu kennen,
die ihnen von rassistischen Erfahrungen berichtet hat.
- 45 Prozent der Befragten haben schon einmal einen rassistischen Vorfall beobachtet.
- Der Aussage „Wir leben in einer rassistischen Gesellschaft“ stimmt die Hälfte (50 Prozent) der Befragten zu.
- 90 Prozent der Bevölkerung erkennen an, dass es Rassismus in Deutschland gibt.
- 81 Prozent stimmen der Aussage zu, Menschen könnten sich auch ohne Absicht rassistisch verhalten.
- Es
gibt eine hohe Sensibilität für Rassismus im Alltag: Mehr als die
Hälfte der Befragten beurteilt typische Situationen, in denen
rassistische Diskriminierung eine Rolle spielt nicht als unfair, sondern
als rassistisch.
- Eine Mehrheit (65 Prozent) ist der Meinung, dass es in deutschen Behörden rassistische Diskriminierung gibt.
- Fast
die Hälfte der Menschen in Deutschland (49 Prozent) glaubt an die
Existenz menschlicher Rassen; bei den über 65-Jährigen stimmen sogar 61
Prozent der Aussage zu.
- 60 Prozent sind der Ansicht, Rassismus gebe es vor allem bei Rechtsextremen.
- Fast
die Hälfte (47 Prozent) gibt an, in den vergangenen fünf Jahren schon
einmal einer rassistischen Aussage im Alltag widersprochen zu haben.
Mehr als ein weiteres Drittel (35 Prozent) würde dies potenziell tun.
- Ein Großteil der Bevölkerung (70 Prozent) ist potenziell bereit, sich auf unterschiedliche Weise gegen Rassismus zu engagieren.
- Das Engagementpotenzial ist vor allem in den jüngeren Altersgruppen besonders hoch.
Der Nationale Diskriminierungs- und Rassismusmonitor (NaDiRa): Der
Deutsche Bundestag hat 2020 ein bundesweites Diskriminierungs- und
Rassismusmonitoring beschlossen, mit dem das DeZIM beauftragt wurde.
Ziel ist es, den Grundstein für ein dauerhaftes Monitoring von Rassismus
in Deutschland zu legen. Der NaDiRa soll verlässliche Aussagen über
Ursachen, Ausmaß und Folgen von Rassismus treffen, um darauf aufbauend
Maßnahmen gegen Rassismus entwickeln zu können. Dafür ist ein
zivilgesellschaftlicher Begleitprozess vorgesehen, bei dem insbesondere
auch die von Rassismus betroffenen Communities einbezogen werden. Das DeZIM-Institut Das
Deutsche Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM)
wurde 2017 gegründet und forscht zu Integration und Migration, Konsens
und Konflikten sowie zu gesellschaftlicher Teilhabe und Rassismus. Das
DeZIM besteht aus dem DeZIM-Institut und der
DeZIM-Forschungsgemeinschaft. Das DeZIM-Institut hat seinen Sitz in
Berlin. In der DeZIM-Forschungsgemeinschaft verbindet sich das
DeZIM-Institut mit sieben anderen Einrichtungen, die in Deutschland zu
Migration und Integration forschen. Das DeZIM wird durch das
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert.
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