Kürzlich hatte ich schon für mich selber festgestellt, dass ich mit meinen Beiträgen mit dem immer deutlicher werdenden Trend zu Schnelligkeit in der Berichterstattung nicht mehr Schritt halten kann. Was mir – in dem Bemühen um Selbsterkenntnisse – Anlass zu der Überlegung gibt, ob mein Hirn langsamer geworden ist, oder eben in der Berichterstattung weniger auf Sorgfalt geachtet und derartiges überhaupt noch erwartet wird. In Spiegel.online stieß ich neulich auf eine britische Studie, nach der das menschliche Hirn ab Mitte Vierzig zu schwächeln beginnt. Und frage mich – falls das stimmt – wie schwach es dann wohl mit achtzig ist? Und sehe mich mit dem Bemühen gerechtfertigt, bei meinem Hirn zu retten, was da noch zu retten ist. Und dieses Bemühen kann nun mal nicht darin bestehen, auf Ereignisse möglichst schnell zu reagieren.
Am Freitag besuchte ich zum Beispiel Benjamin Brittens Oper „Peter Grimes“. Und war – abgesehen von der ausgezeichneten schausielerischen und orchestralen Leistung der Akteure - beeindruckt von der Handlung selbst. Und Brittens realistischer Themenbehandlung. Die auf eigenen Erfahrung beruht, im Grunde aber doch das allgemeine Verhältnis der Gesellschaft gegenüber einem Außenseiter beschreibt. Das umso deutlicher wird, je zahlenmäßig kleiner diese (dörfliche) Gesellschaft ist. Die sich gegen diesen Außenseiter solange verbündet, bis ihm keine Möglichkeit des Daseins mehr bleibt. Und jedem Menschen ähnliches droht, der sich zu ihm bekennt. Bevor ich meine Überlegungen in Verbindung mit den darstellerischen Abläufen auf der Bühne in Berichtform bringen konnte, las ich schon erste Rezensionen darüber. Und das ist lediglich ein Beispiel aus dem lokalen Bereich.
Mit der Erinnerungsveranstaltung zu Rudolf Hagelstange am Samstag verhielt es sich ähnlich. Vermutlich wusste ich bis zu dieser Veranstaltung von den Aktivitäten Hegelstanges als Journalist und Schriftsteller und seiner Bedeutung als Lyriker im Westen Deutschlands bis zur Wende mehr als jeder der Teilnehmer an dieser Veranstaltung im Kunsthaus Meyenburg. Bevor ich aber die außerordentlich ausführliche Laudatio der Heidelore Kneffel zu Inhalten seiner Werke in mein bisheriges Bild von Hagelstange integrieren und damit vertiefen konnte, war schon ein erster Bericht über diese Veranstaltung zu lesen. Mit schwächelndem Hirn hat das aber sicher weniger zu tun. Vielleicht aber etwas mit den Erfordernissen und Erwartungen der Zeit? Also mit dem Zeitgeist?
Und da habe ich nun die aktuelle Berichterstattung großer Zeitungen vor Augen, der „Welt“ zum Beispiel. Da hieß es am 14.01.:Top-Bonität: Ratingagentur S&P schwärmt von Deutschland Schuldenkrise: Euro-Land und seine Sucht nach Sündenböcken CDU: Wie sich Altmaier in der Causa Wulff vertwitterte Werte und Gesellschaft: Die Dilettanten sind die Heroen unserer Tage 18-Jährige aus Detmold: Die Leiche vom Golfplatz – War es "Ehrenmord"? "Deutschland schafft es ab": Kunstaktion mit Sarrazin-Büchern löst Debatte... Also Themen genug, über die man nachdenken kann.
Und ich wähle das Thema „Werte der Gesellschaft“, zu dem es heißt: „Die Dilletanten sind die Heroen unserer Tage“, denn Begabung, Ausbildung und Kompetenz zählen heutzutage nicht mehr viel. Ein Dilletantismus, der keine Selbstzweifel kennt, hat sogar die höchsten Staatsämter erfasst. Ist das so? Vom Autor (Thomas Rietzschell) heißt es, er sei Kulturkorrespondent der FAZ gewesen und würde heute als freier Autor tätig sein. Am 6. Februar soll sein Buch mit dem Titel „Wie wir uns verschaukeln lassen“ erscheinen. Ich werde nicht darauf warten, sondern mein Hirn – oder dem, was davon noch funktioniert – bemühen. Und mich wieder melden
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