Sonntag, 29. Januar 2012

Schicksal Kontrabass

Also interessant ist das schon, was da gestern in der Nordhäuser Traditionsbrennerei mit der Geschichte eines Kontrabassisten geboten wurde: Der Mann stellt vor seinen Zuhörern die Frage, wieso ein Mensch mittleren Alters – nämlich „er“ - mit einem Instrument zusammenlebt, das sein gesamtes Leben im Guten und im Schlechten bestimmt? Ihm allen persönlichen und musikalischen Rückhalt gibt, aber auch alle menschlichen Entfaltungschancen nimmt? Wo ich doch gehofft hatte, Antwort auf die Frage zu bekommen, warum ein musisch veranlagter Mensch ausgerechnet den Kontrabass wählt, um sich musikalisch zu verwirklichen?

Wenn immer ich angesichts eines Orchesters im Konzertsaal da auf der rechten Seite die vier, sechs, oder auch acht Kontrabassisten mit ihren ungefügen Instrumenten sehe, kommt mir diese Frage. Und wenn ich nun nach der gestern gestellten Frage nach einer Antwort suche, fallen mir Geschichten aus dem wirklichen Leben ein: wenn etwa ein Mann - gezielt oder unwillkürlich - eine Frau kennen lernt , die fortan sein Leben bestimmt. Obwohl sie sich doch als Xantippe zu erkennen gibt. Und umgekehrt ist es nicht anders. Einfach Schicksal?

Wie dem auch sei: In der „Niederlage“ der Traditionsbrennerei war gestern Premiere des Monologstückes „Der Kontrabass“ von Patrick Süskind. Und Frank Siekel, renommierter Schauspieler und Kabarettist aus Nordhausen, vereint in der Rolle des nicht gerade erfolgreichen, aber lebhaft lamentierenden Kontrabassisten beide Eigenschaften in Gestik, ausdrucksstarker Mimik und Rhetorik.

Das Terrain ist gut gewählt: Siekel hatte sein Publikum direkt vor sich, sah und empfand wohl auch ihre Reaktionen auf seine Erklärungen, Gefühlsausbrüche und sinnierenden Betrachtungen. Und brilliert damit wechselweise als selbstbewusstes orchestrales Schwergewicht, das mit seinem Kontrabass und Kollegen leicht in der Lage wäre, den Ton eines ganzen Orchesters zu bestimmen. Und jeden (Gast-)Dirigenten überflüssig machen könnte. Um gleich darauf von einer jungen Sopranistin als menschlich-instrumentellen Gegenpol zu seinem Kontrabass fasziniert zu werden, die neulich an der Oper engagiert wurde. Und vermeintlich gut zu ihm passen würde. Um dann aber wieder unvermittelt und völlig von seinem viersaitigen Kontrabass in Anspruch genommen zu werden, dessen Vorzüge er samt dem zugehörenden wertvollen Bogen er in allen Einzelheiten beschreibt. Um kurz darauf zu beklagen, dass er sich gerade mit diesem sperrigen Instrument als gesellschaftlichen Verlierer empfindet, ständig behindert, nicht nur verkehrstechnisch, sondern auch in seinem menschlichen Planen und Wollen: gesellschaftlich, sexuell und letztlich sogar musikalisch.

Dieser ständige Widerstreit durchzieht die gesamte Länge dieses Monologstückes, Freude und Optimismus wird Augenblicke später schon wieder von Bedauern, Hadern und Selbstzweifeln abgelöst. Dazu kommt der zunehmende Griff zunächst zum Bierglas und schließlich gleich zur -flasche, was ihn zunehmend elegischer werden lässt, weil sich der Alkohol auf Denken und Argumentieren des zwischen allen Gefühlen pendelnden Kontrabassisten auswirkt. Das Publikum ist fasziniert von den Monologen Siekels, wird mitunter zum Lachen animiert, um im nächsten Moment wieder gespannt seinen Überlegungen zu folgen

Siekel dankte am Schluss seiner Monologe dem Autor des Stückes, Patrick Süskind. Und tatsächlich ist „Der Kontrabass“ ein geradezu geniales hintersinniges Stück mit tragikomischen Einfällen. Hervorragend vorgetragen von Frank Siekel, der sich den lang anhaltenden Beifall des Publikums ebenso vollauf verdiente wie das Blumenarrangement und die große Flasche Echter Nordhäuser, überreicht von Joachim Einenckel, dem Leiter der Nordhäuser Traditionsbrennerei. Der die Gäste noch zu zwangslosem Verweilen einlud. Das gebotene Bufett als kulinarischer Abschluss der Premiere trug noch einiges zu einem gelungenen Abend bei.

Dank gebührt aber grundsätzlich dem Theater Nordhausen, das ja insgesamt hinter den jeweiligen Theateraufführungen in der Traditionsbrennerei steht. Und mit diesem Monolog ein echtes Highlight offerierte, das Frank Siekel in der Premiere und ganz sicher auch in jeder der folgenden Vorstellungen zu einem nachdrücklichem Erfolg führt. Er wirkt einfach überzeugend.

Fotos: Anja Daniela Wagner und Autor

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