| Sehr geehrte Leserinnen und Leser,
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31. August bis zum 8. September findet in Karlsruhe – und damit
erstmals in Deutschland – die 11. Vollversammlung des Ökumenischen Rates
der Kirchen (ÖRK) statt. Rund 5000 Gäste aus 352 Mitgliedskirchen
werden erwartet. Schon im Vorfeld zeichnen sich einige Spannungen etwa
um die Teilnahme russischer orthodoxer Vertreter ab. Aber wie steht es eigentlich um die Ökumene insgesamt?
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Glauben an Christus sind alle eins. Und doch gibt es zahlreiche
Spaltungen. Zur Einheit der Kirche Christi gehören aber nicht nur
institutionelle oder spirituelle Einmütigkeit, sondern auch eine
versöhnte Verschiedenheit. Anlässlich unseres Ökumene-Schwerpunktes im
neuen Heft, vertiefe ich diese Gedanken in meinem Editorial (s.u.). Die Themen im August: Die Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen in Karlsruhe wird maßgeblich von der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland
vorbereitet. Verena Hammes, Geschäftsführerin der ACK, gibt einen
Überblick über die Zusammensetzung und die Aufgaben der ACK und benennt
aktuelle Herausforderungen. Erste
Stimmen im ÖRK forderten wegen des russischen Kriegs gegen die Ukraine
einen Ausschluss von Vertretern des Moskauer Patriarchats. Johannes
Oeldemann, Direktor des Instituts für Ökumenik, plädiert demgegenüber
dafür, die dialogfähigen Kräfte in den östlichen Kirchen zu stärken, um Brücken bauen zu können. Wie steht es um die Eucharistische Gastfreundschaft?
Zwei Frankfurter Stadtdekane, Johannes zu Eltz (katholisch) und Achim
Knecht (evangelisch) suchen im Interview mit Stefan Kiechle SJ nach
neuen Wegen für gemeinsame Gottesdienste. Georg Dietlein stellt anhand von offiziellen Verlautbarungen, Ansprachen und Begegnungen das Ökumeneverständnis von Papst Franziskus
vor, das von einer großen Offenheit für die weitere Entwicklung geprägt
ist, solange die gemeinsame Praxis im Vordergrund steht. Tomáš
Halík warnt vor unheilvollen Beziehungen zwischen Kirche und Staat, wie
etwa in Russland und Polen. Gleichsam müsse sich die Kirche als inspirierende geistige Kraft an der Heilung der Welt beteiligen:
„Wenn der Prozess der weltweiten Einigung fortgesetzt werden soll,
können wir uns nicht allein auf die wirtschaftliche Seite der
Globalisierung verlassen.“ Putin
beruft sich bei der Rechtfertigung seiner autoritären Politik auch auf
russische Schriftsteller. Damit tut er einigen Unrecht. Am Beispiel
Berdjajews zeigt Arnold Köpcke-Duttler, dass sich die großen russischen Literaten und Philosophen nicht so leicht vor den Karren eines aggressiven Angriffskriegs spannen lassen. Klaus Mertes SJ führt in die jesuitisch-spirituelle Methode des „Unterscheidens der Geister“ein und zeichnet die Exerzitien des Ordensgründers Ignatius von Loyola anhand von aktuellen und praktischen Beispielen nach. Außerdem lesen Sie im August zwei Essays von Hermann-Josef Große Kracht (Staatsrecht nach 1945) und Lorenz Wachinger (Carl Orffs „Spiel vom Ende der Zeiten“) sowie Rezensionen aus Theologie & Kirche und „Wissenschaft & Bildung. Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre und einen schönen Sommer Ihr
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| P. Stefan Kiechle SJ, Chefredakteur
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| Inhalt | |
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| | • | Verena Hammes: Vom Stand der Ökumene. Herausforderungen für die Zukunft |
| • | Johannes Oeldemann: Spannungsreiches Verhältnis. Orthodoxe Kirchen und Ökumenische Bewegung |
| • | Johannes zu Eltz / Achim Knecht: Eucharistische Gastfreundschaft. Interview mit zwei Frankfurter Stadtdekanen |
| • | Georg Dietlein: Primat der Zeit. Papst Franziskus und die Ökumene |
| • | Tomáš Halík: Ein neues Kapitel der Geschichte. Das Christentum im Krieg der Waffen und Ideen |
| • | Arnold Köpcke-Duttler: Berdjajews Kritik des Krieges. Die Autokratie Putins und ein slawophiler Denker |
| • | Klaus Mertes SJ: Entscheidungen im Herrn. Ignatianische Unterscheidungsregeln |
| • | Hermann-Josef Große Kracht: Staatsrecht nach 1945. Ernst-Wolfgang Böckenförde und Carl Schmitt |
| • | Lorenz Wachinger: Diskussion der Höllenstrafe. Carl Orffs „Spiel vom Ende der Zeiten“ |
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| Die eine und gespaltene Kirche | |
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| Editorial: Stefan Kiechle SJ
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| Durch
die eine Taufe gehören Christgläubige der einen Kirche Jesu Christi an.
Im Glauben an Christus sind alle eins. Und doch gibt es zahlreiche
Spaltungen in der Christenheit. Wo stehen wir auf dem Weg zur Einheit?
Auf drei Ebenen, so der Eindruck, gibt es Spaltungen: Zunächst
Spaltungen in der Lehre: Viele davon sind alt und waren Ursachen für
Schismen. Es ist eine intellektuelle Arbeit, theologisch um Einigungen
zu ringen. Oft können gegenseitige Verwerfungen in der Geschichte vor
allem als Folge kultureller Unterschiede oder als Missverständnisse
aufgelöst werden. Bisweilen braucht es auch neue Offenheit für ein
gewisses Maß an Pluralität in der Lehre. Die Unterschiede sind
historisch gewachsen und können sich daher auch historisch
weiterentwickeln. Viele dieser Spaltungen gelten in theologischen
Konsensdokumenten als überwunden, andere gelten als bleibende Hemmnisse,
wieder andere gelten heute – bei ganz anderen theologischen
Herausforderungen – als irrelevant. Kommen auch neue hinzu? Patriarch
Kyrill I. weicht in seiner Haltung zum Krieg so sehr vom Konsens einer
nicht nur westlichen christlichen Friedensethik ab, dass sich hier neue
Spaltungen zeigen. Sodann
Spaltungen, die man „strukturell“ nennen könnte: Da werden Ämter mit
ihren jeweiligen Vollmachten von anderen nicht anerkannt, auch nicht
Jurisdiktionen anderer Konfessionen und die von einigen Kirchen
beanspruchten Lehr- und Jurisdiktionshoheiten. Folglich gelten auch,
zumindest teilweise, die Sakramente als ungültig. Verbunden ist diese
Spaltung leider auch mit der Geschlechterfrage: Würde die katholische
Kirche Frauen ordinieren, wie von anderen Kirchen inzwischen praktiziert
und vielerorts dringlich gefordert, wäre die Spaltung zur Orthodoxie
vertieft. Schließlich
Spaltungen, die am besten als „spirituell“ zu bezeichnen sind:
Einerseits das Kirchenverständnis und -gefühl von
charismatisch-evangelikalen Christen, andererseits jenes von
intellektuell-kritischen Christen; oder jenes von Katholiken, die die
alte Messe oder die traditionelle Sexualmoral schätzen, und jenes von
Christen, die sich für die Rechte queerer Menschen engagieren; oder
jenes von großbürgerlichen Christen Europas und jenes von Baptisten in
den Slums von Bogota – sind sie nicht so grundlegend verschieden, dass
kaum mehr ein Dialog möglich ist und man daher von „Spaltungen“ reden
muss? Diese Spaltungen liegen oft quer zu klassischen
Konfessionsgrenzen. Auf dem synodalen Weg der katholischen Kirche in
Deutschland wird immerhin gesprochen – in anderen Ländern, etwa in
Frankreich oder in den USA, ist die Kommunikation zwischen den „Lagern“
weitgehend abgebrochen. Spirituell gespalten ist die Kirche immer dann,
wenn eine Gruppierung für sich den Geist reklamiert und ihn der anderen
abspricht. Die
Medien und damit die säkulare Öffentlichkeit sehen wohl vor allem die
Uneinigkeit der kirchlichen Institutionen. Hinter dieser Außensicht gibt
es jedoch – so mein Eindruck – einerseits viel mehr Einheit, als
wahrgenommen wird: eben in der einen Taufe und im Leben aus der Schrift,
im Glauben an die Erlösung durch Christus und im Gebet zu ihm, im
Engagement für Gerechtigkeit und Frieden und im Einsatz für Arme und
Vertriebene, nicht zuletzt in der Be-reitschaft, für den Glauben
Verfolgung und Martyrium zu ertragen. Andererseits gibt es mehr
Spaltung, als wahrgenommen wird: eben in einseitigen und untereinander
quasi inkompatiblen Kirchentümern, im Anspruch einiger Kirchen zu
definieren, was wahre Kirche sei und dies anderen Kirchen zu- oder
abzusprechen, in bisweilen autoritären politischen Optionen kirchlicher
Gruppen, auch in der internen Gewalt in der Kirche und in der
Unfähigkeit, diese zu sehen und zu bekämpfen, schließlich im mangelnden
Willen einiger, offen zu kommunizieren, etwa über Fragen, welches
Christentum evangeliumsgemäß sei. Kirche
ist immer zugleich irdische, oft recht weltliche Institution und
himmlische, reichlich spirituelle Gemeinschaft. Diese Doppelung macht
sie so unverständlich und unfassbar, so ambivalent und angreifbar, aber
auch so geheimnisvoll und faszinierend. Die Doppelung ist übertragen die
der beiden Naturen Christi: Himmlisches inkarniert sich zu Irdischem.
Könnte man hier nicht weiterarbeiten, theologisch und spirituell und
auch „institutionell“? Nur
eine geeinte Kirche verkündet im Sinne des Evangeliums glaubwürdig und
wirksam das Reich Gottes. Diese Einheit ist nicht eine vorwiegend
institutionelle – das wäre die katholische Versuchung – und ebenso wenig
eine vorwiegend spirituelle – vielleicht die evangelische und auch die
orthodoxe Versuchung. Zur Einheit gehört – ein vielfach verbreiteter
Ausdruck – versöhnte Verschiedenheit. Anzufügen ist aber in diesen
zerrissenen Zeiten, dass die geeinte Kirche sich dann doch von Kirchen,
die eindeutig dem Evangelium widersprechen – der Blick geht derzeit nach
Russland – distanzieren muss. Spaltungen, das ist vorausgesagt, wird es
auf dem Weg zur Einheit bleibend geben.
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