Abkehr vom realitätsfernen Stellenabbaupfad und
Anpassung der Bildungsausgaben an den tatsächlichen Bedarf notwendig
Der Haushaltsentwurf 2016/17 und die darin kalkulierten
Ausgaben für die Bereiche Schule und Wissenschaft wurden von der GEW Thüringen
analysiert und auf zwei öffentlichen Veranstaltungen am 29. Oktober 2015 kommentiert:
Personalrätekonferenz und Hopfenberggespräch. Die
GEW Thüringen kritisiert das bisherige Beharren der Thüringer Landesregierung
auf dem Stellenabbaupfad auch im Bildungsbereich. Stattdessen müsse es eine
Abkehr von dieser realitätsfernen Festlegung und eine Anpassung der
Bildungsausgaben an den tatsächlichen Bedarf geben. Auf die
Herausforderungen, die auch durch die derzeitigen Migrationsbewegungen deutlich
gestiegen sind, müssen auch bildungspolitische Antworten gefunden werden. „An
dieser Stelle kann die Thüringer Landesregierung Verantwortung übernehmen, denn
das beste Mittel gegen Ausgrenzung und Hass ist immer noch Bildung im Sinne von
Aufklärung, was wiederum die Voraussetzung für Toleranz und Weltoffenheit
ist“, so Kathrin Vitzthum, Landesvorsitzende der GEW Thüringen.
Zur GEW-Personalrätekonferenz
am 29. Oktober 2015 fanden sich 60 Personalräte aus dem Geschäftsbereich des
Thüringer Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport und aus allen Schularten
ein. Sie setzten sich intensiv mit dem vorliegenden Entwurf des
Landeshaushaltes 2016/2017 auseinander und stellten im Ergebnis fest, dass
mindestens 1.000 zusätzliche Stellen erforderlich sind. Nur dann können die Lehrkräfte
und Erzieher*innen in Thüringen ihren Bildungs- und Erziehungsauftrag und die
aktuell entstehenden Aufgaben in der Integration von prognostiziert jährlichen
8.900 Flüchtlingskindern in Thüringen erfüllen. Das Stellenabbaukonzept für den
öffentlichen Dienst ist bei den derzeitigen Herausforderungen im Schulbereich
nicht sinnvoll und daher auszusetzen.
Insbesondere für den stark steigenden Weiterbildungsbedarfs
für Pädagog*innen muss die Landesregierung im Doppelhaushalt 2016/17 ihre
Verantwortung ernst nehmen, wenn die schulischen Bedingungen aller Kinder und
Jugendlicher nicht verschlechtert werden sollen. Zugleich wurde der große
Bedarf an Weiterbildung zur/m Lehrer*in für Deutsch als Zweitsprache beziffert.
Um diesen stark gesteigenen und in naher Zukunft weiter ansteigenden Bedarf
decken zu können, sind durch die Thüringer Landesregierung die Engpässe im
Weiterbildungsbereich endlich aufzulösen und entsprechende Mittel im
Doppelhaushalt 2016/17 einzustellen bzw. die vorhandenen Ressourcen besser
auszunutzen.
Ebenfalls am 29. Oktober 2015 hatte die GEW Thüringen zum
traditionellen Hopfenberggespräch
Vertreter*innen der Landesregierung und Abgeordnete des Thüringer Landtages
der Parteien DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU in die Gaststätte
Hopfenberg im Erfurter Süden eingeladen. In einer sachlichen und von
gegenseitigem Respekt geprägten Atmosphäre erörterte die GEW Thüringen ihre Haltung
zum Haushaltsentwurf und kam danach mit Bildungsministerin Dr. Birgit Klaubert
und den Abgeordneten über die geplante Finanzierung des Hochschul- und des
Schulbereichs in den Jahren 2016/17 ins Gespräch.
Die GEW Thüringen
begrüßt, dass die Landesregierung den Empfehlungen des Wissenschaftsrates eines
jährlichen Mittelaufwuchses für die Hochschulen
von vier Prozent gefolgt ist. Die von der Vorgängerregierung übernommene
Hochschulstrategie 2020 muss hinsichtlich des vorgesehenen Abbaus von 352
Stellen schnellstmöglich überarbeitet werden. Im Ergebnis muss es zu einer
Rücknahme des Stellenabbaus kommen. Zugleich
mahnt die GEW Thüringen die deutliche Zunahme unbefristeter
Beschäftigungsverhältnisse an den Hochschulen an. Die Landesregierung müsse
hier an ihren eigenen Aussagen und Vorhaben des Koalitionsvertrages gemessen
werden.
Im Kern der Diskussionen um den Bereich Schule wurde auch hier deutlich, dass die
bereits vorhandene mangelhafte Personalsituation an den Thüringer Schulen
nunmehr durch die Herausforderungen der vielen Flüchtlingskinder und
–jugendlichen sich weiter zuspitzt. Eine verantwortungsvolle
Ausfinanzierung des Bildungsbereichs hat in der Konsequenz die Aussetzung des
Stellenabbaus im Lehrkräftebereich zur Folge und genau dazu hat die GEW
Thüringen die anwesenden Politiker*innen aufgefordert.
„Wir fordern die Thüringer
Landesregierung nachdrücklich auf, Investitionen in Bildung als Investition in
die Zukunft dieses Landes zu begreifen. Dazu gehört auch die Anstrengung, die
Bund-Länder-Finanzierung auf den Prüfstand zu stellen und alle Möglichkeiten
auszuschöpfen, über Landes- und Parteigrenzen hinweg, Verteilungsspielräume zu nutzen“, so Vitzthum abschließend.
Hintergrundinformationen finden Sie hier:
Im Folgenden sind die Kommentare, Positionen und
Forderungen im Einzelnen aufgelistet.
Bereich Schule:
·
Zusätzliche Einstellungen zur Absicherung aller
neuen Aufgaben (unter anderem die thüringenweite Errichtung von
Gemeinschaftsschulen, die Entwicklung der Ganztagsschulangebote, die
Erweiterung der Kapazitäten für die Lehrerbildung).
·
Ausreichende Stellen für Inklusion müssen dauerhaft
im Haushalt verankert werden.
·
Unterrichtsabsicherung durch die tatsächliche
Installation einer ausreichenden Vertretungsreserve mit Untersetzung im
Stellenplan.
·
Zusätzliche Stellen für die unbefristete
Einstellung von Lehrern und Lehrerinnen für „Deutsch als
Zweitsprache“ und für die Integration der Flüchtlinge in den Schulen.
·
Für die individuelle Förderung aller Schüler*innen,
Inklusion und Integration ist mindestens eine Anrechnungsstunde für alle
Klassenlehrer*innen festzuschreiben.
·
Die Einheit von Grundschule und Hort ist
stellenmäßig ausreichend zu untersetzen.
·
Im Haushaltsgesetz ist für den Schulbereich zu
verankern: Ersatzeinstellungen im Rahmen des Haushaltes sind jeder Zeit sowie
die Entlastung der Lehrkräfte und des Haushaltes durch Teilzeitregelungen zu
ermöglichen.
·
Die aktuellen Entwicklungen müssen in den
Schulnetzplanungen berücksichtigt werden.
Bereich Weiterbildung von Pädagog*innen:
·
Trotz deutlich höherer Kapazitäten des Thüringer
Volkshochschulverbandes durchlaufen derzeit nur 60 Kolleg*innen die
Weiterbildung zur/m DaZ-Lehrer*in.
·
Das Berufsvorbereitungsjahr
(vollzeitschulisch) wird trotz stark angestiegener Schüler*innenzahlen derzeit
durch die Berufsschulen ohne jegliche zusätzliche Mittel durchgeführt. Dringend
benötigte DaZ-Lehrkräfte kommen nicht bei den Berufsschulen an.
·
Es gibt keine Qualifizierungen für die
betroffenen Kolleg*innen, weder hinsichtlich Curriculumsentwicklung noch
Zielgruppenbeschreibung.
·
Mangelnde Englisch-Kenntnisse der
Lehrenden und der Geflüchteten verhindern teilweise die Umsetzung von
Unterricht.
·
Es gibt seitens des
Bildungsministeriums trotz hohem und auch erkanntem Bedarf für die
Erwachsenenbildung bislang kein Bestreben, die Haushaltsmittel signifikant
anzuheben. Wie die Landesorganisation der freien Träger der Erwachsenenbildung
Thüringen (LOFT) bereits aufmerksam machte, würden für notwendige Maßnahmen ca.
1,8 Mio. Euro notwendig sein.
Bereich Wissenschaft:
- Die GEW Thüringen begrüßt, dass die Landesregierung den Empfehlungen des Wissenschaftsrates eines jährlichen Mittelaufwuchses für die Hochschulen von vier Prozent gefolgt ist. Nur so können die Thüringer Hochschulen als wichtiger Standortfaktor zukunftsfähig bleiben. Da es in den Vorjahren jedoch Nettokürzungen bei der Hochschulfinanzierung gegeben hat, ist die Ausgangsbasis für die vierprozentige Erhöhung zu gering.
- Die von der Vorgängerregierung übernommene Hochschulstrategie 2020 muss hinsichtlich des vorgesehenen Abbaus von 352 Stellen schnellstmöglich überarbeitet werden. Im Ergebnis muss es zu einer Rücknahme des Stellenabbaus kommen.
- Es muss alles dafür getan werden, mehr unbefristete Beschäftigung an den Hochschulen zu schaffen; dazu muss zum einen den Hochschulen erlebt werden, mindestens ein Drittel des aus Drittmittel finanzierten personals unbefristet zu beschäftigen; zum anderen müssen die Hochschulen Vereinbarungen in Anlehnung an den „Herrschinger Kodex“ der GEW treffen, die das Befristungsunwesen einschränken.
- Da die Hochschulen die Pensionszahlungen aus ihrem eigenen Budget leisten müssen, ist sicherzustellen, dass sie dafür einen entsprechenden Ausgleich bekommen, da ansonsten der notwendige vierprozentige Aufwuchs der Hochschulhaushalte dahinschmilzt.
- Restmittel (Rücklagen und Rückstellungen) aus den Haushaltsjahren 2012 bis 2015 (Rahmenvereinbarung IV) müssen vollständig übertragbar in die Haushaltsjahre 2016 bis 2019 sein, damit die Hochschulen in dieser Zeit ihre Aufgaben erledigen können.
- Die Einrichtung der Dualen Hochschule Gera-Eisenach darf nicht zu Lasten der anderen neun staatlichen Thüringer Hochschulen gehen.
- Der Haushaltsentwurf für 2016/17 im Wissenschaftsbereich ist völlig intransparent, da im Gegensatz zu den Vorjahren nicht einmal die Wirtschaftspläne der einzelnen Hochschulen enthalten sind. So können die Abgeordneten des Thüringer Landtages nicht einmal mehr sehen, wie viel aus Haushaltsmitteln finanzierte Stellen es überhaupt an den Thüringer Hochschulen gibt.
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