Dienstag, 27. September 2016

Selbstverschuldete Startschwierigkeiten beim Schuljahr 2016/17

Die für 2016 letzten Einstellungen von Lehrer*innen in den Thüringer Schuldienst sind nun vorgenommen, eine seriöse Einschätzung der Lage an den Schulen damit jetzt möglich. „Das Land Thüringen hat es gerade so geschafft, die 500 geplanten Stellen zu besetzen, die Altersabgänge wurden damit allerdings nicht komplett ersetzt. Und es geschah um den Preis von vielen Stellenwandlungen. Damit wird die fachgerechte Beschulung von Schüler*innen weiterhin erschwert. Bei den Besetzungsverfahren war der Aufwand, der betrieben werden musste, so hoch wie noch nie“, so Kathrin Vitzthum, Landesvorsitzende der GEW Thüringen.   

Vielfach wurden die ausgeschriebenen Stellen gewandelt, so beispielsweise im Bereich des Schulamtes Nordthüringen mit mehr als 50 %, teils sogar mehrfach. Das bedeutet, dass die an einer Schule gesuchte Fachkombination einer Lehrkraft nicht gefunden werden konnte, und dadurch ein/e Lehrer*in mit einer teils oder ganz anderen Fachkombination oder anderen Lehramtsausbildung eingestellt wurde. Das Problem des Mangels an einer Lehrkraft mit einem oder mehreren speziellen Fächern bleibt für die betreffende Schule dabei jedoch erhalten. Das bedeutet, dass das an einer Schule benötigte Schulfach immer noch nicht durch eine dafür ausgebildete Lehrkraft unterrichtet werden kann.

Noch nie gab es so viele Absagen von Vorstellungsgesprächen oder gar von konkreten  Einstellungsangeboten. Viele Bewerber*innen zogen andere, attraktivere Stellen in anderen Bundesländern vor. Zugleich ist ein zunehmender Konkurrenzkampf der Thüringer Schulämter um Lehrer*innen zu beobachten. Verantwortungsvolle und vorausschauende Personalplanung würde u.a. bedeuten, auf diese aktuellen Probleme bei den Stellenbesetzungen und auf den zu erwartenden Personalmangel in den nächsten Jahren durch eine Erhöhung der Ausbildungskapazitäten zu reagieren. Leider ist auch hier Stagnation zu beobachten, die Ausbildungszahlen bei den Lehramtsanwärter*innen sind erneut nicht gestiegen. Das führt in der Konsequenz zu einem sich verschärfenden Problem der passgenauen Stellenbesetzungen in den nächsten Jahren auf Kosten der Beschäftigten, der Schüler*innen und der Eltern.  

Die Zahl der Langzeitkranken unter den Thüringer Lehrer*innen ist nicht nur konstant hoch, sondern stieg in letzter Zeit sogar noch an (aktuell ca. 900). Für die Abdeckung des Unterrichts und der außerunterrichtlichen Pflichtaufgaben ist das ein weiteres, sich verschärfendes Problem. Die Vertretungsreserve reicht bei Weitem nicht aus, d.h. der weitaus größte Teil der Thüringer Schulen, die eine/n Vertretungslehrer*in benötigen, werden hier weiterhin im Stich gelassen. In der Folge kommt es zu zunehmenden Kürzungen von Stundentafeln und zu Mehrarbeit, die nach Kenntnis der GEW Thüringen häufig verschleiert wird.

In einem großen Kraftakt wurden die Erzieher*innen aus dem Modellprojekt „Weiterentwicklung der Thüringer Grundschule“ aus den Kommunen in den Landesdienst überführt. Die GEW Thüringen stellt fest,  dass sich die Bedingungen an den Horten teilweise deutlich verschlechtert haben. Die Betreuungszahlen waren in den meisten Kommunen, die bis Sommer 2016 am Modellprojekt teilnahmen, deutlich besser. Die Belastung der betroffenen Erzieher*innen ist dadurch ebenso stark gestiegen wie Qualität der Horte für die Kinder gesunken ist: „In wenigen Wochen ist Thüringen auf den Stand der Grundschulhorte im Jahr 2008 zurückzufallen. Das ist kein gutes Signal. Wir fordern die Landesregierung auf, Ganztagsschule endlich so auszustatten, dass pädagogische Konzepte und gute Arbeitsbedingungen Hand in Hand gehen. Qualifizierte Fachkräfte haben ein Recht auf Beschäftigungsumfänge oberhalb einer 50%-Stelle“, so Vitzthum weiter.

Ein großes Problem wurde ebenfalls nicht gelöst: Eine zunehmende Anzahl an Lehrer*innen wurde nur befristet angestellt. Das betrifft vor allem die dringend benötigten DaZ-Lehrer*innen. Die Arbeitsverträge der ersten eingestellten Deutsch als Zweitsprache-Lehrer*innen (DaZ) laufen in 2016 bereits wieder aus, aufgrund rechtlicher Bestimmungen müssen dann neue Kolleg*innen gesucht werden und die bisherigen Kolleg*innen gehen in die Arbeitslosigkeit. Erneut wurde ein signifikanter Teil an DaZ-Lehrer*innen, an Lehrer*innen für die Vertretungsreserve und Seiteneinsteiger nur befristet eingestellt, obwohl sie dauerhaft gebraucht werden. Das ist in mehrfacher Hinsicht zu kurz gedacht, sowohl für die Beschäftigten als auch für Schüler*innen und Eltern.

Die GEW Thüringen erneuert nach dem Schuljahresstart ihre Forderung nach einem Stopp des Stellenabbaus im Schulbereich. Statt der 500 Lehrer*innen, die durch das Land Thüringen jährlich eingestellt werden, und aufgrund steigender Schüler*innenzahlen und Umsetzung einer inklusiven Schule bedarf es mindestens 1.000 Neueinstellungen in den Thüringer Schuldienst.   


Über die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Thüringen:Die Bildungsgewerkschaft GEW THÜRINGEN ist die größte und bedeutendste bildungspolitische Kraft in Thüringen. Sie organisiert aktive und ehemalige Beschäftigte an den Thüringer Bildungseinrichtungen. Schwerpunkte der politischen Arbeit sind die Bildungsgerechtigkeit, die Lern- und Arbeitsbedingungen an Kitas, Schulen, Hochschulen und anderen Bildungseinrichtungen sowie die Angestellten-, Beamten- und Tarifpolitik. Vorsitzende ist Kathrin Vitzthum.
Mitteilung der GEW Thüringen am 27.09.2016

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