Montag, 23. Januar 2012

Probleme mit der Heimat


Noch immer beschäftigt mich der Neujahrsempfang, den die Stadt Nordhausen zusammen mit der Fachhochschule am Donnerstag im Audimax gab. Wodurch meine Einträge auf dieser Seite ins Stocken gerieten. Ich habe mich noch nachträglich bei Arnd Schelenhaus zu bedanken, der mir ob meiner Gehbeeinträchtigung eine Sitzgelegenheit an einen der Stehtische vermittelte, die mir ermöglichten, das Geschehen mitten im allgemeinen Gedränge mitzuerleben. Und auch einige Gespräche zu führen, die mir bedeutsam schienen.

Es war aber insbesondere die Neujahrsansprache der Nordhäuser Oberbürgermeisterin Barbara Rinke, die mich so angelegentlich beschäftigte.

Bekanntlich stellte sie den Begriff der Heimat in den Mittelpunkt ihrer Ansprache. Etwas überraschend, wie ich meine angesichts der globalen Wanderungsbewegungen, des Andrangs aus Afrika nach Europa und der Menschen in Deutschland mit Migrationshintergrund. Gerade in dieser Woche feierte man in Wolfsburg den ersten, aus Italien gekommenen Gastarbeiter im Jahr 1962.

Rinke aber meinte erkennbar das Verhältnis der Deutschen mit dem Begriff der Heimat. Und sie ging diesen Begriff sehr subjektiv an. Obwohl sie bundesweite Umfrageergebnisse bemühte, um eine Renaissance dieses Begriffs zu begründen. Die nnz beschrieb in ihrem Bericht zum Neujahrsempfang recht anschaulich, was die OB dazu ausführte, es muss hier nicht wiederholt werden.

Was mich dabei wundert ist der Umstand, dass man das alles so kommentarlos hingenommen hat. Als die nnz kürzlich in ihrem Forum einen Bürger zu den (Einkommens- und Lehr-)Verhältnissen an der Fachhochschule zu Wort kommen ließ, war das Echo zum Beispiel ein recht reges. Obwohl doch wohl inzwischen längst bekannt ist , dass gerade dieser Bürger gern jede Gelegenheit nutzt, um seine Unzufriedenheit mit den gesellschaftlichen und politischen Verhältnissen in Stammtischmanier („...wenn ich das richtig verstanden habe...“) der Öffentlichkeit zu offerieren. Und sich auch im Falle der Fachhochschule ergab, dass da recht undifferenziert argumentiert wurde. (Sollte etwa mit dem Echo darauf eine Art Zugehörigkeitsbekundung abgelegt werden?)

Barbara Rinke argumentierte idealistisch, mit Anflügen von Romantik. Um dann mit Überlegungen zur Lebensqualität in Nordhausen auf den Boden der Realität zu kommen. Sie trug ihre Überlegungen vor Zuhörern vor, die hier leben, hier also ihre Heimat (begründet) haben – siehe das Neubaugebiet am Kirsch- und Wiesenweg. Sie stellte aber gleichzeitig auch die Frage, was die inzwischen Weggezogenen aus der Ferne wieder zurückkommen lassen könnte?

Die OB zählte auf, was die Stadt geplant hat, um Nordhausen noch lebenswerter zu machen. Das ist zu begrüßen und aller Anerkennung wert. Und wird die Hiergebliebenen freuen. Für die inzwischen Abgewanderten, die teilweise längst anderswo Arbeit, Freunde und Lebensqualität fanden, gelten aber wohl andere Überlegungen. Eine in der Zwischenzeit moderner gewordene Stadt dürfte kaum gewichtig genug sein, das Bedürfnis zur Rückkehr zu bewirken. Und die Arbeitsmarkt- und Einkommensverhältnisse mögen sich gebessert haben – zur Rückkehr aber dürften sie kaum anregen, sofern man inzwischen „drüben“ einträgliche Verhältnisse gefunden hat.

Der Präsident der Fachhochschule. Prof. Jörg Wagner, der nach der OB das Wort an die Gäste richtete, könnte mit der Vorstellung der Vertreter der Initiative „TATU“ (Thüringer Absolventen in Thüringer Unternehmen), die um die Fachkräftesicherung in der Region bemüht ist, einen Hoffnungsträger für die personelle Stärkung der Region und den demografischen Wandel vorgestellt haben: Bevor Abgewanderte in größerer Zahl zurückzuerwarten sind, könnten Absolventen der Fachhochschule zumindest einen Teil der eingetretenen Lücken schließen. Und hier ihre (neue) Heimat begründen.

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